Mals goes Europe
Die Pestizidfrage in Mals ist eine europaweite Angelegenheit, sagt selbst Bauernbunddirektor Siegfried Rinner. Für die entsprechende Aufmerksamkeit sorgten nach der umstrittenen Vinschger Abstimmung nicht nur diverse Medienberichte, sondern auch EU-Parlamentarier des Movimento 5 stelle oder die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace. Am heutigen Mittwoch legt auch das Pestizid Action Netzwerk (PAN) noch einen Scheit nach. In einer gemeinamen Presseaussendung von PAN Europe, PAN Germany, PAN UK und PAN Italia wird Europas Presse auf deutsch und englisch auf die unbeugsamen Malser aufmerksam gemacht.
Rund 200 Medien sind allein auf der Verteilerliste von PAN Europe; auch in Deutschland wird über den dortigen Ableger des Netzwerks noch einmal kräftige Medienarbeit betrieben. Ein weiteres Zeichen an Brüssel wie Bozen, dass die BürgerInnen mitreden wollen und sich nicht so einfach abspeisen lassen wollen, sagt Koen Hertoge, Südtirol-Verantwortlicher von PAN Italia und Initiator der weiteren europaweiten Sensiblisierungsaktion. „Wir sind sehr enttäuscht über die Reaktionen der politischen EntscheidungsträgerInnen in Südtirol“, sagt er. Denn statt darauf einzugehen, was die BürgerInnen in der Abstimmung zum Ausdruck gebracht haben, hätten sich alle politischen Reaktionen bislang nur darum gedreht, ob die Volksabstimmung legal oder illegal war und wie man ein zweites Mals für die Zukunft vermeiden kann.
Also auch ein Denkzettel zu regionaler und europäischer Landwirtschaftspolitik – mit dem Europas Bevölkerung anhand des Fallbeispiels Mals nicht nur auf die gesundheitlichen Risiken von Pestiziden aufmerksam gemacht werden soll, sondern auch animiert werden soll, ähnliche Initiativen anzudenken, wie Koen Hertoge meint.
Auf welche Art dies gemacht wird, zeigt die deutschso Version des Pressetextes, der in diesen Stunden an Redaktionen in ganz Europa verschickt wird.
Bürger gegen Pestizide
Erstmalig sprachen sich in Europa die Bürger einer Gemeinde im Rahmen eines Referendums gegen den Pestizideinsatz in ihrer Region aus.
Nachdem alle bürokratischen Hürden überwunden waren, fand am 22.8.-5.9.2014 in der Gemeinde Mals mit ihren 5113 Einwohnern im südtiroler Vinschgau ein Referendum über den Gebrauch von Pestiziden statt. Das Ergebnis: 75% der an dem Referendum beteiligten Personen stimmten dafür, dass gefährliche Pestizide verboten werden. Damit schreibt diese Gemeinde Geschichte. Bisher waren es Politiker bzw. politische Vertreter, die sich auf lokaler Ebene für die Beschränkung des Pestizideinsatzes aussprachen. In der Gemeinde Mals waren es jetzt erstmalig die BürgerInnen selbst, die ein Referendum organisierten und ihren Willen gegen Pestizide mit dem Referendum rechtlich bindend zum Ausdruck brachten.
Ulrich Veith, Bürgermeister von Mals: "Als überzeugter Demokrat und gewählter Volksvertreter begrüße ich den Willen meiner Wähler. Ich werde die deutlich geäußerte Stimme der Bevölkerung entsprechend umsetzen. Alle Entscheidungsträger sollten diese einmalige Chance erkennen, um gemeinsam mit der Malser Bevölkerung ein Entwicklungskonzept für die Zukunft zu gestalten."
Koen Hertoge, Vorstandsmitglied von PAN Italien: “Das Ergebnis dieser Abstimmung wird positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Malser Bevölkerung haben und auch die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Tourismusbranche und der ökologischen Landwirtschaft begünstigen. Politische Entscheidungsträger sollten nun nicht nur die regionale Landwirtschaftspolitik in Südtirol überdenken, sondern auch auf europäischer Ebene zu einem Umdenken beitragen.“
Seit vielen Jahren beobachtete die Umweltschutzgruppe Vinschgau mit steigender Besorgnis, wie der Apfelanbau in der Region chemisch intensiviert wurde und dadurch ökologisch wirtschaftende Betriebe, Tiere und Menschen zunehmend bedrohte. Eine durch die Umweltschutzgruppe in Auftrag gegebene Heu-Analyse ergab relevante Rückstände von neun Pestizid-Wirkstoffen. Die Heuproben waren in der Nähe einer Grundschule genommen worden. Bei Prof. Hermann Kruse von der Universität Kiel lösten die Rückstandswerte Besorgnis aus, da er Hautprobleme und Probleme der Atemwege bei den Schülern und Lehrern nicht ausschließen konnte.
Mit dem Referendum liegt keine Roadmap vor. Es muss nun zunächst geklärt werden, welche Pestizide unter das Referendum fallen. Hier sind trotz des so überwältigend eindeutigen Ergebnisses des Referendums Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern des intensiven chemischen Pflanzenschutzes zu erwarten.