Cinema | Dokumentarfilm

Mit Promille am Rad

50 Jahre nachdem Schriftsteller und Regisseur Mario Soldati mit der Reihe „Vino al Vino“ auf önologischen Spuren Italien bereiste, waren vier „Cicloturisti“ in Südtirol. Aus der Zona del Prosecco geht es in den Norden, zu ausgewählten Weinbergen.
Sulle strade dei vini
Foto: Screenshot
  • Knapp eine Stunde dauert die filmische Auseinandersetzung „Sulle strade dei vini – Un viaggio lungo le ciclabili dell’Alto Adige“, für die Regisseur Paolo Casalis vier selbstbezeichnende „Fahrradtouristen“, Lidia, Carmelo, Adrian und Marco auf Reisen schickt. Der Regisseur selbst tritt nicht ins Bild. Zu sehen ist der Film am Donnerstag um 18 Uhr im Centro Trevi. Entlang von vier Tagesetappen mit dem Rad – einmal Weinstraße bis Bozen; von Bozen bis nach Graun; von Bozen nach Brixen; von Brixen bis zum Brenner – werden etliche spannende Weinbau-Projekte ausgemacht, es wird degustiert und vorgestellt. Der schlanken Form der von Produzioni Fuorifuoco produzierten Filmreise ist es auch geschuldet, dass das Format von Önolog:innen und Kellereimeister:innen vor Weinberg und schöner Landschaft (alternativ im Weinkeller) im Kurzinterview nicht erschöpft ist. Natürlich handelt es sich, was der touristischen Natur der Reise geschuldet ist, ausnahmslos um Vorzeige-Betriebe.

  • Gesprochen wird dabei Italienisch, auch wenn akustisch kein Muttersprachler unter den erlesenen Weinbäuerinnen und Weinbauern zu finden war, im Fall der „zugereisten“ Holländerin Hilde Van den Dries (Winzerin des Weinhof Calvenschlössl, Laas) spricht sie zur Kamera Englisch. Nachdem sie mit italienischen Untertiteln das Konzept hinter dem höchsten Weinbergs Europas auf 1.340 Metern um Marienberg erklärt, reicht man, wie zur Rechtfertigung, die Migrationsgeschichte nach. Sonst klammert der Film das Thema Sprache aus. Nur der Archivar von Kloster Neustift darf aus historischen Dokumenten in altem Deutsch vorlesen. Was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine einfache Sprachbarriere war, wirkt etwas ungelenk. Ebenso klammert man das Thema Corona aus (Produktionsjahr war 2020, Lockdown war augenscheinlich gerade keiner in Kraft). Vom ersten Jahr Zusammenleben mit dem Virus bleibt nur da und dort eine chirurgische Maske in einer Armbeuge.

    Es soll um Wein und schöne Landschaftsbilder gehen. Was zur Sprache kommt, ist der starke Autoverkehr im Land, der im Audio nicht wegzuleugnen ist und deswegen kurz angesprochen wird. Es folgen zur Beruhigung Drohnenaufnahmen mit sanfter Klaviermusik auf dem Weg zum Reschenstausee und ein Messner am Bergkamm nahe Schloss Juval. Der IDM wird für die Luftaufnahmen im Abspann gedankt, gefördert wurde die Produktion nicht und so gibt der Archiv-Messner auch nicht seinen Senf zum Wein und es bleibt den Fachkundigen überlassen. Bei den Weinen, dem Kern der Sache, wollen wir dem Film auch gar nicht zu sehr vorweg greifen, da die Fachleute ohnehin schon gut Werbung für ihr Produkt machen.

     

    „Perché ogni arte, sebbene si studi e si debba studiare, in fondo può soltanto essere amata.“ - Mario Soldati


    Spannender ist der Wandel, den man in einem halben Jahrhundert nachzeichnet, weg von Quantität (beim Wein) und hin zu Qualität, von mehr Rotwein zu mehr Weißwein. Das Fachliche zu Bodenbeschaffenheit und klimatischen Bedingungen sowie gerade zu den typischen Weinen, ob Gewürztraminer oder St. Magdalener, ist aufschlussreich.

  • Wine Roads: Ein schönes Poster zu den vielen schönen Bildern hat der Film auch noch vorzuweisen. Foto: Produzioni Fuorifuoco/Paolo Casalis

    Den einen oder anderen „Hiesigen“ mag vielleicht der Schnitt stören, der Straßen nicht immer nach Streckenverlauf anordnet, sondern nach sensorischen Kriterien. Ohnehin hat man das Gefühl, dass hier ein sehr harmonisches Südtirol-Bild gezeichnet werden sollte, wo Tradition und Innovation koexistieren könnten. Probleme spricht man an, jedoch bleibt in vier Tagen zu wenig Zeit, sie zu vertiefen.

    Eines fehlt dem Medium Film entschieden, wo so viele Riechkolben in elegante Kristallgläser gesteckt werden: Der Geruch. Zu Beginn der zweiten Etappe in den Vinschgau nimmt sich die Gruppe vor, auf der Suche nach dem Veilchenaroma in einem Kelch ein olfaktorisches Gedächtnis aufzubauen. Ob die Geruchsdatenbank am Ende in den Köpfen Einzug gehalten hat, vergisst man am Brenner angekommen zu erwähnen. Man hat es wohl „verschwipst“ – Pardon, verschwitzt.

  • Der Eintritt zur monatlich stattfindenden Filmvorstellung am Donnerstag, 18 Uhr im Bozner Centro Trevi ist frei. Nach der Vorführung wird die DVD zu „Sulle strade dei vini – Un viaggio lungo le ciclabili dell’Alto Adige“ kostenfrei ausgeteilt.