„Mit offenen Augen und gespitzten Ohren“
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salto.music: Musik spielt – so scheint uns – im diesjährigen Programm der „Sprachspiele / Linguaggi in gioco“ eine größere Rolle als früher. Wie kommt das?
Sonja Steger: Die Inhalte des Festivals kristallisieren sich im Laufe des Jahres heraus. Ich halte sozusagen ständig die Augen offen und spitze die Ohren. Spätestens seit der Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan ist klar, dass Songs als gesungene Gedichte empfunden werden dürfen. Heuer reizte es mich einen besonderen Schwerpunkt auszuloten und LiedermacherInnen einzuladen sowie zuweilen die Vermählung mit Neuerscheinungen oder Buch-Projekt-Vorstellungen zu wagen. Es geht immer auch um das Ermöglichen von Begegnungen und um die Lust auf schräge Kombinationen. Vielleicht ist der erste Funke sogar schon im vergangenen Jahr aufgeflackert, als wir beide ein Gespräch über die „Sprachspiele / Linguaggi in gioco“ 2023 für Radio Freier Fall geführt haben. Damals war Matteo Jamunno mit seinem Werk „Nel gnome del padre“ eingeladen und du erwähntest, dass Matteo ein spannender Liedermacher sei. Und heuer ist er als Liedermacher eingeladen und wird außerdem en passant sein neues Buch „Mi annoiavo molto“ vorstellen.
Im Frühjahr informierte mich Brigitte Knapp, dass sie an einem Projekt mit dem Musiker Daniel Faranna arbeite. Und einiges spürt man recherchierend auf. Es gibt aber auch AutorInnen und MusikerInnen, die den ost west club est ovest Programmleiter, Thomas Kobler, kontaktieren und ihr Projekt vorstellen. Alles was nach Literatur „riecht“ leitet er an mich weiter. Auf diese Weise kam die Einladung des collectif blamage zustande und der „Cipressi“-Abend mit einer Live-Painting-Session des iranischen Künstler Majid Bita kombiniert mit Musik von dem Duo Sempre silenzio, Michele Febbraio & Pietro Mattivi. Das eine kommt zum andern, wenn man die Fühler ausstreckt. Um die Kreativen, die sozusagen von auswärts kommen und Projekte zeigen, die aufgrund ihres kunstspartenübergreifenden Ansatzes perfekt zu den Sprachspielen passen, im Festivalrahmen zeigen zu können, spannt sich der Zeitraum heuer von September bis Dezember.
salto.music: Würde man den italienischen Teil des Festivalnamens zurück übersetzen, dann würde es „Sprache auf's Spiel setzen“ heißen, was dem verspielten deutschen Titel etwas Risikobereitschaft entgegensetzt. Sind die „Sprachspiele“ bisweilen riskant?
Sonja Steger: Ja, das ist eine mögliche Übersetzung, wie auch ins Spiel bringen oder vielleicht phantasievoll miteinander spielen lassen… die unterschiedlichen Ausdrucksformen oder Sprachen der Kreativität. Ohne Risiko würde wahrscheinlich das Salz in der Suppe fehlen. Die Risikobereitschaft ist insofern groß, dass mir beispielsweise Erstveröffentlichungen besonders zeigens- und hörenswert erscheinen, nicht aus Gier auf noch Un-erhörtes, sondern weil es wichtig ist, Kreativen gerade in den Anfängen Präsentationsmöglichkeiten zu geben. Auch ungewöhnliche Kombinationen werden höchstwahrscheinlich polarisieren, tragen jedoch das Potential in sich, als Gesamtkunstwerk erlebt zu werden und besonders einprägsam und berührend zu wirken. Oder eben auch nicht.
salto.music: Gibt es so etwas wie einen roten Faden bei den diesjährigen „Sprachspielen – Linguaggi in gioco“, bzw. konntest du deinen derzeitigen Blick auf Literatur unterbringen?
Sonja Steger: Den roten Faden hast du sogleich aufgespürt, nämlich die starke Präsenz von MusikerInnen. Es gibt ja etliche rote Fäden, die das Festival kontinuierlich durchweben, das Kunstspartenüberbreifende, Neuerscheinungen, die Pflege ganz klassischer Vorstellungsformen wie die Lesung und das Gespräch, die Gastspiele an verschiedenen Schauplätzen…
Zugegeben die Auswahl erfolgt sehr subjektiv, aus dem Bauch heraus, ich bin dankbar, dass es eine derartige Vielfalt gibt und die kreative Szene so lebendig ist. Die schwierigste Entscheidung betrifft das Weglassen, es gäbe ja meist noch viel mehr zu präsentieren. Solange das Gefühl da ist, den Sprachspielen jedes Mal ein neues Gesicht verleihen zu können, macht das Weitermachen Freude und erscheint mir sinnvoll. Außerdem muss man ja weitermachen, denn die genannten Weggelassenen, die ja nichts von ihrem Weggelassen-werden wissen, zählen zu den Kandidaten für die kommenden Ausgaben des Festivals.
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Freitag, 27. September 2024, 20 Uhr:
Austragungsort: ost west club, Meran
Auftaktabend mit einer szenisch-performativen Lesung des collectif blamage und dem Stück „Kohlhaas – geschlagen“. Mit: Jannik Rodenwaldt (Schauspiel), Paul Heinken (Schlagzeug) und Naomi Saupe (Dramaturgie);
Donnerstag, 3. Oktober 2024, 20 Uhr:Austragungsort: Öffentliche Bibliothek Kultur.Lana, Lana
Claudia Raudha Tröbinger und ihr mehrsprachiges Buchprojekt „Donna balena pensa a uomo gazzella“, wobei Alma Vallazza die französischen Texte vortragen wird;
Die Liedermacherin Linda Fabijenna Röhl aus Lana und Harfenistin Barbara Schindler (im Bild) stellen Lieder aus ihrem ersten gemeinsamen Album vor;
Eröffnung der Ausstellung von Martha Videsott, kuratiert von Helga Pichler, mit einer Einführung von Nicole Abler;Samstag, 5. Oktober 2024, 16 Uhr:Austragungsort: Lauben, Meran
„Die Honig-Schwärmer “, Performance mit Oswald Waldner und Bruno Schlatter;
Montag, 28. Oktober 2024, 20 Uhr:Austragungsort: Atelier Sabine Auer, Klotznerhof, Schenna/Verdins
Vera Vieider stellt ihren Lyrik-Band „Wer trägt das Licht in den Tag“ (Edition Laurin) inmitten des Bühnenbildes von Künstlerin Franziska Egger vor; zudem Vorpremiere „Dunstlicht“ von Martin Streitberger;
Freitag, 8. November 2024, ab 20 Uhr:Mittwoch, 13. November 2024, 20 Uhr:Austragungsort: Kunst Meran Merano Arte, Meran
Brigitte Knapp und Daniel Faranna: GschichtnKabarett an der Schnittstelle von Literatur, Musik und visueller Kunst – Videos von Stefan Ghedina – basierend auf dem Buch „versteinert & verwurzelt – GsichterGschichtn“ (Edition Laurin) von Brigitte Knapp.
Mittwoch, 4. Dezember 2024, 20 Uhr:Austragungsort: Hotel Aurora, Pinker Salon, Meran
Lena Wild stellt ihr Debüt „Vorbereiten auf den Zufall. Eine Bestandsaufnahme“ (Edition Raetia) vor und Singer/Songwriter Matteo „Yomer“ Jamunno (im Bild) spielt Songs und liest aus „Mi annoiavo molto“ (Unterins Comics).
Freitag, 13. Dezember 2024, 20 Uhr:Austragungsort: ost west club, Meran
„Cipressi“, multimediale Projekt zwischen Literatur, Musik und Kunst. Majid Bita stellt seine Graphic Novel „Nato in Iran“ (Canicola Edizioni). Anschließend Live-Painting-Session mit Musik von Sempre Silenzio (Michele Febbraio & Pietro Mattivi.
Info:Das Programm: https://ostwest.it/sprachspiele-linguaggi-in-gioco-2024-das-kunstspartenuebergreifende-literaturfestival-im-burggrafenamt/
„Kohlhaas – geschlagen“: https://ostwest.it/sprachspiele-linguaggi-in-gioco-2025-kohlhaas-geschlagen/
Blog von Bruno Schlatter zu den „Sprachspielen / Linguaggi in gioco“: https://sprachspielelinguaggiingioco.blogspot.com/Trägervereine des Festivals „Sprachspiele / Linguaggi in gioco“ sind die Südtiroler Autorinnen und Autorenvereinigung (SAAV), das Kultur- und Kommunikationszentrum VGF ost west club est ovest APS und der Kulturverein Pro Vita Alpina. Unterstützt wird dasFestival von: Öffentliche Bibliothek Kultur.Lana, Kunst Meran Merano Arte, Hotel Aurora, Brunnenburg und Klotznerhof.
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