Stage | Theater

Revolution auf der Bühne

Eine explosive Geschichte über Revolution, soziale Gerechtigkeit und die Machtfrage – immer noch aktuell, provokant und inspirierend ab 9. Oktober „Gaismair“.
Gaismair alles allen
Foto: Theater in der Altstadt Meran
  • Vorhang auf-die neue Spielsaison der vier Städtetheater ist eröffnet. Vier Städte, vier Bühnen, vier kompromisslose Blicke hinter die Fassaden. Gemeinsam setzen die Häuser ein starkes Zeichen: Theater ist nicht nur Unterhaltung, sondern ein Ort der Entlarvung, der Auseinandersetzung und des Aufbruchs. Im Rahmen der neuen Saison haben wir uns eine Produktion genauer angesehen: „Gaismair“ im Theater in der Altstadt in Meran.

    Vor 500 Jahren kämpfte der Sterzinger Michael Gaismair für eine Welt, in der alle Menschen gleichberechtigt sind und die Macht nicht nur bei den Mächtigen liegt. Seine „Landesordnung 1526“ klingt wie ein Manifest für die Moderne: Mitbestimmung, soziale Gerechtigkeit und ein Gesetz, das für alle gleich gilt. Klingt vertraut? Das sollte es auch – denn Gaismairs Ideen sind immer noch brandaktuell.

    Im Theater in der Altstadt in Meran wird Gaismairs explosive Geschichte jetzt neu erzählt. Felix Mitterers Bühnenwerk wurde adaptiert, um die Geschichte des Revolutionärs und seiner Frau Magdalena auf die Bühne zu bringen. Wir fragen uns: Was können wir heute von diesem Revolutionär lernen? Und warum ist seine Geschichte immer noch so explosiv? Die Antwort liegt vielleicht in den Fragen, die Gaismair damals stellte – und die wir uns heute noch stellen sollten.

  • Michael Gaismair war kein simpler Aufständischer

    Als Schreiber bei Gerichtsprozessen in den Diensten des Bischofs von Brixen sah er täglich, wie die bischöfliche Regierung die Bauern ausbeutete und misshandelte. Dieser Widerspruch zwischen seinem Leben und der Realität der einfachen Leute löste in ihm etwas aus. Er schlug sich auf die Seite der Aufständischen und wurde zu ihrem Feldhauptmann gewählt. Gaismair war ein charismatischer Führer, der die Menschen mit seiner Vision von einer gerechteren Gesellschaft inspirierte. Angeblich entkam er rund 200 Mordversuchen. Doch am 12. April 1532 wurde er in seiner Villa in Padua ermordet. Doch welche Spuren hat Michael Gaismairs Kampf hinterlassen? Haben seine Theorien auch heute noch ihre Gültigkeit?

  • Johanna Porcheddu: Intendantin im Theater in der Altstadt Meran. Foto: Karlheinz Sollbauer

    Johanna Porcheddu, die Intendantin des Theaters in der Altstadt, ist von Gaismairs Figur und seiner Geschichte fasziniert. Sie fragt sich, was wohl passiert wäre, wenn Südtirol Gaismair zu seinem Helden gemacht hätte, anstatt ihn über Jahrhunderte zu vergessen. „Was wäre geschehen, wenn wir uns soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, Abbau von Standesprivilegien und Ausbeutung der niederen Stände auf die Fahne geschrieben hätten, anstatt die Treue zu Klerus und Monarchie? Hätte das die Wahrnehmung und das Verständnis dieses Landes verändert?“ Diese Überlegungen sind nicht nur hypothetisch; sie zeigen, dass Gaismairs Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit nach wie vor von Bedeutung sind.

    Porcheddu sieht in Gaismairs Ideen ein Potenzial für die heutige Gesellschaft. „Sie könnten ein Vorbild und ein Denkanstoß sein, natürlich nicht im Sinne eines gewalttätigen Aufstands, sondern als kollektives Aufbegehren gegen eine ungerechte, ungleiche und ausbeuterische Gesellschaftsordnung, die zwar unter anderen Vorzeichen und Bannern ihre Herrschaft ausübt, aber deshalb nicht minder ungerecht, ungleich und ausbeuterisch ist.”

    Die Inszenierung des Stücks von Christina Khuen wird von Zita Pichler gestaltet, die ein abstraktes und gleichzeitig konkretes Bühnenbild entworfen hat. Die Schauspieler schlüpfen in mehrere Rollen, während Gaismair und seine Frau Magdalena ihren festen Rollen treu bleiben. Die Musik und Geräuschkulisse von Maurizio Pala begleiten die Darsteller durch diese turbulente Zeit und sorgen für eine immersive Erfahrung.

     

    „Als ich Mitterers Stück gelesen habe, war ich sofort von seiner Kraft und Lebendigkeit begeistert.“

     

    Felix Mitterers Originalversion des Bühnenwerks ist für seine kraftvolle Sprache bekannt und bringt komplexe historische Themen auf die Bühne. Die Adaption von Selma Mahlknecht für das Theater in der Altstadt Meran bringt Gaismairs Geschichte einem breiteren Publikum näher. Johanna Porcheddu war sofort von der Kraft und Lebendigkeit des Textes begeistert. „Als ich Mitterers Stück gelesen habe, war ich sofort von seiner Kraft und Lebendigkeit begeistert. Genauso klar war mir gleichzeitig aber die absolute Unspielbarkeit für das TidA: zu viele Figuren, zu viele Schauplätze, zu große Wechsel, fast wie bei einem Kino-Epos.“ Doch die Lust, das Stück auf die Bühne zu bringen, überwog die Hindernisse, und so fiel die Wahl auf Mahlknecht als Bearbeiterin.

     

    „Wichtig war mir, den Originalcharakter von Mitterers Text zu bewahren und gleichzeitig mit einer kleinen Besetzung auszukommen.“

     

    Auch Selma Mahlknecht war sich der Herausforderung bewusst. Um die Figur der Magdalena Gaismair stärker in den Mittelpunkt zu rücken, griff sie auf eine Idee von Johanna Porcheddu und Christina Khuen zurück: „Magdalena sollte nicht nur auftreten, sondern als Erzählerin durch das Stück führen. Damit entstand ein roter Faden, der zwischen privater und politischer Ebene vermittelt.“ Diese Perspektive verleiht der Erzählung Tiefe und verbindet das persönliche Schicksal mit dem historischen Umbruch. Mahlknecht recherchierte dafür intensiv, beschäftigte sich mit der historischen Figur ebenso wie mit den neuen Erkenntnissen der Gaismair-Forschung seit der Uraufführung des Originals. „Besonders interessant fand ich dabei Gaismairs Verbindungen zur Schweiz – ein Aspekt, der auch in der Bearbeitung anklingt, ohne das Stück zu verlängern.“ Denn eine der großen Herausforderungen bestand darin, biographische Informationen und den erzählerischen Rahmen zu verdichten, ohne Längen oder Brüche entstehen zu lassen. „Wichtig war mir, den Originalcharakter von Mitterers Text zu bewahren und gleichzeitig mit einer kleinen Besetzung auszukommen.“ So übernehmen die Schauspieler mehrere Rollen – mit Ausnahme der Figuren Michael und Magdalena, die durchgehend von denselben Darstellenden gespielt werden und damit als Konstante fungieren.

    „Besonders am Herzen lag mir die Figur der Magdalena. Trotz der wenigen historischen Quellen ergibt sich ein Bild einer selbstbewussten, gebildeten Frau aus gutem Hause, die nach dem Tod ihres Mannes mit der Familie nach Zürich ging.“ Dort, im Umfeld des Reformators Zwingli, mit dem Gaismair eng verbunden war, setzte sie sich weiterhin aktiv für die Interessen ihrer Familie ein – etwa in dem Versuch, das Erbe ihres Mannes in Tirol einzuklagen. Es liegt für Mahlknecht daher nahe, dass Magdalena nicht nur die politischen und religiösen Ansichten ihres Mannes teilte, sondern sie auch mitformte. In ihrer Bearbeitung betont sie diese Eigenschaften noch stärker als im Originaltext: Magdalena erscheint als streitbare, unabhängige Figur, die sich nicht nur im Schatten ihres Mannes bewegt, sondern als eigenständige Protagonistin mit eigener Stimme.

  • Der Weg zur Vorstellung: Die Innentreppe des Theaters in der Altstadt Meran: Foto: TidA
  • Diskussion: Gaismairs Ideen in der heutigen Zeit

    Um die Themen des Stücks weiter zu vertiefen, sind begleitende Vortrags- und Diskussionsabende geplant. Diese Abende bieten dem Publikum die Möglichkeit, sich aktiv mit den dargestellten Inhalten auseinanderzusetzen und die Relevanz von Gaismairs Ideen in der heutigen Zeit zu diskutieren. Hier können Zuschauer ihre Gedanken und Fragen einbringen und sich mit Experten sowie anderen Interessierten austauschen. Dieses interaktive Element fördert ein tieferes Verständnis der Thematik und lädt zur Reflexion über soziale Gerechtigkeit und Gleichheit ein.

    Die Geschichte von Michael Gaismair und seine Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit sind nicht nur Teil der Vergangenheit, sondern auch eine inspirierende Botschaft für die Gegenwart. Die Inszenierung im Theater in der Altstadt in Meran bietet eine einmalige Gelegenheit, sich mit dieser bedeutenden Figur auseinanderzusetzen und die Relevanz seiner Ideen in der heutigen Zeit zu entdecken. Gaismairs Fragen und Forderungen sind mehr denn je aktuell und laden uns ein, über die eigene Welt nachzudenken. In diesem Sinne bleibt nur zu sagen: Wer sich für soziale Gerechtigkeit und Gleichheit interessiert, sollte sich dieses Stück nicht entgehen lassen. Die Premiere findet am 9. Oktober statt. Weitere Infos zu den Vorstellungen: www.tida.it

  • Weitere Highlights der Städtetheater

    HAMLET ODER WAS IST HIER DIE FRAGE Stadttheater Bruneck, ab 26. September 2025: Eine schrille Komödie nach Shakespeare, die Intrigen, Macht und Mordlust in einer Wiener Kunsthändlerdynastie thematisiert.

    NACHTLAND Carambolage Bozen, ab 3. Oktober 2025: Ein Familiendrama mit schwarzer Komik, das die moralische Dissonanz zwischen Profit und Verantwortung anhand eines Gemäldes mit fragwürdiger Herkunft thematisiert.

    SEX.WORK Dekadenz Brixen, ab 7. November 2025: Ein wacher Blick auf Sexarbeit, der Doppelmoral, juristische Grauzonen und persönliche Erfahrungen pointiert zur Diskussion stellt.