Schottland nach dem Referendum
Schottland über einen Monat nach dem Referendum: Das Stadtbild in Edinburgh ist freundlich geschäftig, eine Menschenmenge hat sich vor einem gerade eröffneten Apple-Store versammelt, die Angestellten tragen Kilt und blaue T-Shirts, die Farbe Schottlands, die Farbe, mit der alle Parteien vor dem Referendum für ihre Sache geworben haben. Die Unabhängigkeitsbefürworter mit einem dicken weißen Yes auf blauem Grund, die Anhänger Großbritanniens mit einem „No thanks“ bzw. dem positiveren „Better together“.
Doch von den Plakaten ist keine Spur mehr, die Kampagne ist vorüber, die Schlacht geschlagen und das Nein zur Unabhängigkeit hat der schottisch-nationalen Begeisterung einen nachhaltigen Dämpfer versetzt. Michael Keating ist Professor an der Universität Aberdeen für Politikwissenschaften, er ist Experte für nationale und regionale Entwicklung und beobachtet seit langem die Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa und Kanada. „In Schottland hat letztendlich die Angst vor einer ungewissen Zukunft die Oberhand erhalten beim Referendum am 18. September,“ sagt er unmissverständlich. Nicht so sehr das Versprechen des englischen Premiers David Cameron, den Schotten weiterreichende Rechte zu gewähren, hätte den Ausschlag gegeben, sondern das Misstrauen und die Befürchtung, was mit Schottland passiert, wenn es sich von Großbritannien lossagt. „Die No-Kampagne hat irrationale Ängste geschürt, beispielsweise gesagt, dass die Preise im Supermarkt steigen werden, wenn es zur Unabhängigkeit kommt, das haben die Leute geglaubt und leider haben Aussagen wie diese von den eigentlichen Inhalten weggeführt,“ so Keating.
Die bessere Kampagne war jene der Scottish National Party, analysiert der Professor weiter: „Die SNP hat sehr gut mit den sozialen Netzwerken und also mit vielen jungen Leuten gearbeitet, im Internet ist sehr viel an Information zustandegekommen, die Bürgerbeteiligung ist dort geschehen, in der Szene der Blogger und Online-Foren.“ Die 45% der Yes-Wähler seien aber auch abgewanderten Labour-Wählern zu verdanken: Mit Blick auf die britischen Unterhaus-Wahlen im Frühjahr 2015 sind die nationalen Interessen von der Labour-Partei stärker vertreten worden als die schottischen, und das hat viele Labour-Wähler enttäuscht.“ Und noch etwas sei interessant, meint Michael Keating: Die SNP habe seit dem Referendum sehr viel Zuspruch und auch Zulauf bekommen, die Wählerzahlen seien angestiegen. „Moralisch sind sie keinefsalls als Verlierer zu sehen.“
Jetzt geht es um die Ausarbeitung eines neuen „White Paper“, in dem die von Großbritannien versprochenen Zugeständnisse mit den Forderungen der schottischen Parteien abgeglichen werden. Noch im November wird der 59-jährige schottische Erste Minister und Parteichef Alex Salmond die Agenden an seine Stellvertreterin, die 44-jährige Nicola Sturgeon weiterreichen. Sie, die designierte Erste Ministerin Schottlands wird die Aufgabe haben, die britischen Politiker an ihr so pathetisch zur Schau gestelltes „Gelöbnis“ zu erinnern, das sie kurz vor dem Referendum ganzseitig auf der „Daily Mail“ gemacht hatten.
Wie schon von vielen gesagt:
Wie schon von vielen gesagt: mit dem Referendum haben die Schotten auf jeden Fall gewonnen!