Familienpolitik: Wohin soll's gehen?
Ich zähle darauf, dass wir es auch dank eines neuen politischen Stils schaffen, allen kontroversen Diskussionen zum Trotz eine gemeinsame Linie in der Familienpolitik zu finden, hatte Familienlandesrätin Waltraud Deeg zum Beginn ihres Mandates erklärt. Dass dies nicht einfach werden würde, war bereits damals klar. Nicht nur weil das Thema Familie seit jeher derart polarisiert, dass einheitliche Positionen eine hohe Kunst sind. Auch war von Beginn an klar, dass das ehrgeizige Projekt, erstmals ein einheitliches Familienressort zu schaffen, mit knappen finanziellen Mitteln zu vollbringen ist. Und: Einen Teil davon hatte Deegs Vorgänger Richard Theiner bereits kurz vor seinem Abgang zweckgebunden. Insbesondere mit dem verdoppelten Familiengeld; darüber hinaus hatte der scheidende Familienlandesrat aber auch 100.000 Euro für das Familien-Kompetenz-Zentrum (FAM) beim Haus der Familie am Ritten reserviert.
Zumindest diese Summe hat sich die neue Familienlandesrätin nun wieder zurückgeholt. Seit Herbst wird die Landesfinanzierung, mit der 70 Prozent von FAM-Aktivitäten wie dem ersten Südtiroler Familienfestival oder Vortragsreihen zum Thema Partnerschaft gedeckt wurden, nicht mehr ausbezahlt. Eine Evaluierung des Pilotprojekts habe keinen Mehrwert ergeben, erklärt Waltraud Deeg recht ungeschminkt in der Montag-Ausgabe der Dolomiten. Südtirol habe bereits ausreichend und meist ehrenamtliche Verbände,Vereine und Initiativen, die sich um Familie bemühen. „Die lassen sich nicht gerne von einer bezahlten Zentrale aufschwatzen, was sie zu tun haben“, spricht die Landesrätin Klartext.
"Zur Zeit ist genau zu überlegen, wo das Geld investiert wird - und im Bildungsbereich sind wir ohnehin schon sehr gut aufgestellt."
Applaus bekommt sie dafür von vielen Mitgliedern der früheren Steuerungsgruppe zum neuen Familiengesetz, die Richard Theiner bei der Gründung des Familien-Kompetenzzentrums vor den Kopf gestoßen hatte. Denn obwohl die Vertreterinnen und Vertreter von Südtirols Familien laut politischem Willen breite Mitsprache bei der Gestaltung von Südtirols Familienpolitik bekommen sollten, wurde ihnen das FAM damals einfach ohne vorherige Absprache vorgesetzt. „Ich denke, zur Zeit ist genau zu überlegen, wo das Geld investiert wird“, sagt Christa Ladurner von der Allianz für Familie. Als klare Prioritäten sieht sie dafür Bereiche wie die Absicherung von Müttern in der Privatwirtschaft oder Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Im Bildungsbereich sind wir dagegen ohnehin schon sehr gut aufgestellt“, stellt auch Ladurner die Sinnhaftigkeit einer weiteren Struktur in diesem Bereich in Frage.
Ähnliche Argumente kommen von der Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit Ulrike Oberhammer. „Ich finde es wichtig, dass prioritär mit jenen Organisationen und Beiräten gearbeitet wird, die sich wie wir seit Jahren für die Belange von Familien einsetzen; überall dort wurden in den vergangenen Jahren aber vielfach Geldmittel gestrichen“, sagt sie. Etwas überrascht gibt sich die Präsidentin des Landesbeirates dennoch über den Förderstopp für das Kompetenzzentrum. „Wir werden eben wie schon bei der Gründung vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt sie. Ihr Wunsch an die Familienlandesrätin? Mehr Transparenz und Mitsprache, nicht zuletzt im Familienbeirat, in dem der Beirat für Chancengleichheit trotz seines 24-jährigen Einsatzes für Familien weiterhin nicht vertreten sei. „Wir könnten sicher gemeinsam noch effizienter arbeiten, wenn es zwischen den vielen Beteiligten und unterschiedlichen Beiräten mehr Austausch und Zusammenarbeit geben würde“, sagt Oberhammer.
Wer weint dem FAM nach?
Weint also überhaupt jemand dem Theiner-Kind FAM nach - zumindest abseits der Verantwortlichen selbst, die ohnehin unterstreichen, auch ohne Landesförderung weitermachen zu wollen. Nicht gerade begeistert klingt die Präsidentin des Katholischen Familienverbandes Angelika Miterrutzner. Ihre Organisation hatte die Familienallianz erst im diesjährigen Februar verlassen – gemeinsam mit der FAM-Trägerorganisation Haus der Familie sowie dem Familienreferat der Diözese. Doch obwohl Mitterrutzner bereits seit Herbstbeginn über Deegs Entscheidung informiert ist, wie sie sagt, gab es am Montag noch keinen Kommentar dazu. „Wir haben das Thema heute auf der Tagesordnung der Landesleitungssitzung“, so Mitterrutzner. „Davor möchte ich mich dazu nicht äußern.“ Einfach zu finden ist sie wahrlich nicht, die gemeinsame Linie in der Familienpolitik. Doch zumindest die Fahrrichtung beginnt Waltraud Deeg nun vorzugeben.