Environment | Neumarkt
Das vernichtende Gutachten
Foto: Salto.bz
Es ist ein gordischer Knoten in der Neumarkter Gemeindepolitik.
Seit Jahren bereitet man in Unterlandler Hauptort die Sanierung des sogenannten „Condominio Centro Direzionale e Commerciale“ vor. Der Gebäudekomplex liegt im Zentrum von Neumarkt mit Blick auf die Hauptstrasse, genau gegenüber dem Rathaus. Es handelt sich um einen Bau aus den 70er Jahren mit verschiedensten Funktionen (Wohnungen, Büros, Geschäfte). Im Zuge der geplanten Sanierung wurde bereits vor Jahren ein Projekt vorgelegt und von der Baukommission genehmigt, das auch eine konsistente Aufstockung der Kubatur vorsieht.
Kritiker, allen voran der SVP-Gemeinderat Zeno Bampi und der Neumarkter SVP-Obmann Günther Giovanett haben zuerst fraktionsintern und dann öffentlich darauf hingewiesen, dass beim Projekt Einiges nicht stimmt. Architekt Bampi, einer der absoluten Fachleute im Land wenn es darum geht mögliche Kubaturen bis zum letzten Zentimeter auszunutzen, hat errechnet, dass „die Gemeinde hier über 8.000 Kubikmeter einfach verschenkt“.
Obwohl die gesamte Geschichte noch unter ihrem Vorgänger Horst Pircher über die Bühne geht, hat dieser Streitfall für die Neumarkter Bürgermeisterin Karin Jost fast zu einer Regierungskrise geführt. Weil das Duo Bampi/Giovanett nicht nachgeben wollen und im Herbst nicht für den Gemeindeausschuss gestimmt haben, wollte man beide ernsthaft aus der SVP ausschließen. Diese Gangart hat die Bozner SVP-Zentrale zwar gestoppt, doch mit einem konzertierten Rücktritt aller Mitglieder des SVP-Ortsausschusses hat man Günther Giovanett als Ortsobmann ins Abseits gestellt.
Keine Alibiaktion
Unabhängig vom politischen SVP internen Streit sucht man seit über einem Jahr in Neumarkt einen Ausweg, um das umstrittene Projekt zum Umbau des Dienstleistungszentrums zu verwirklichen. Es gibt zwar ein genehmigtes Projekt, weil es aber eine Reihe von augenscheinlichen Ungereimtheiten gibt, wollte man auf Nummer sichergehen.
Die Gemeindeverwaltung hat so den „Landesbeirats für Baukultur und Landschaft“ angerufen und um ein Gutachten gebeten. Dass das Ganze eine Alibiaktion sein sollte, um das umstrittene Projekt durchzubringen, geht eindeutig aus den Vorgaben hervor, die Gemeinde Neumarkt dem Landesbeirat machte.
Denn im Antrag an das Amt für Gemeindeplanung weist die Gemeindeverwaltung Neumarkt explizit darauf hin, dass sich der Landesbeirat nicht mit dem Gesamtprojekt befassen soll. „Die Gemeinde ersucht um ein Gutachten/Lokalaugenschein, um ein fachliches Gutachten hinsichtlich der noch ausstehenden Punkte, welche von der Baukommission nicht behandelt wurden, zu erhalten“, steht im Neumarkter Ansuchen.
Doch genau dieser Versuch ist jetzt völlig in die Hose gegangen. Denn die Fachleute haben umgehend gemerkt, dass sie hier instrumentalisiert werden sollen. Es war kein geschickter Schachzug der Neumarkter Gemeindeverwaltung zum Projekt. Am 30. Oktober 2020 war der Landesbeirat auf Lokalaugenschein in Neumarkt. Jetzt liegt das Gutachten vor.
Dabei hat sich das zuständige Amtes für Gemeindeplanung eine Anmerkung nicht verkneifen können. Amtsdirektor Adriano Oggiano schreibt:
„Das Amt für Gemeindeplanung weist darauf hin, dass im vorgelegtem Projekt die Bewertung der Teilbereiche Mobilität (Ein- und Ausfahrt Tiefgarage), Materialien für die Freiraumausstattung und Beschaffenheit der zu verwendenden Materialien der öffentlich sichtbaren Fassaden nicht zu einer zielführenden Begutachtung des Gesamtprojektes führen kann. Aufgabe des Landesbeirats für Baukultur und Landschaft ist es komplexe Projekte und ihren Ansatz in ihrer Gesamtheit zu bewerten, um die Projektqualität der Bauaufgaben zu erhöhen. Dieses Ziel kann mit der Bewertung einiger Teilbereiche nicht verfolgt werden, deshalb wird hier eine Gesamtbewertung abgegeben.“
„Großzügige Volumenvergrösserung“
Das Gesamtgutachten dürfte aber kaum nach dem Gutdünken der Neumarkter Gemeindeverwalter ausgefallen sein.
Der Mailänder Architekt Sebastiano Brandolini, Berichterstatter des Fachbeirates schreibt im Gutachten:
„Insgesamt handelt es sich um ein komplexes, ehrgeiziges und sensibles Projekt. Was den Landesbeirat dabei Sorgen bereitet, ist die großzügige Erlaubnis zur Volumenvergrösserung.
Der Landesbeirat ist nicht der Meinung, dass das derzeitig vorliegende Projekt, den vorhandenen Gebäudekomplex wirklich saniert bzw. umwandelt. Die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Öffentlichkeit haben keinen wirklichen Vorteil von der Volumenvergrößerung, die lediglich quantitativ mehr Wohnraum schafft. Die vorgelegten Pläne sind nicht ausführlich und aktuell und das hat das Verständnis des Projekts und die Diskussion darüber erschwert.“
In dem Gutachten werden dann mehrere Punkte kritisch angemerkt:
-
Die öffentlichen Räume: Die vorgeschlagene Lösung der Lüftungsschlitze des Parkplatzes direkt vor dem historisch wertvollen Rathaus ist nicht akzeptabel. Die Gemeinde soll die Planung des gesamten öffentlichen Raums übernehmen. Der Platz soll der Allgemeinheit zu Gute kommen und darf nicht von den Interessen der Gebäudesanierung und dem damit einhergehenden Tiefgaragenbau bestimmt werden. Die Schaffung von wenigen Stellplätzen für die Gemeinde in der Tiefgarage scheint in keinem Verhältnis zu stehen zum Zugeständnis, das in der Oberflächengestaltung gemacht werden soll. Eine Begrünung mit Bäumen und eine Verkehrslösung, die den Platzcharakter unterstützt, wäre hier anzuraten.
-
Höhe des Gebäudekomplexes: Die Höhe des neuen Gebäudekomplexes ist entschieden zu hoch und muss redimensioniert werden. Erstrebenswert wäre eine Firsthöhe von 1m unter der Dachrinne des Rathauses.
-
Fassaden: Der Landesbeirat, der keine, die Fassaden betreffende Zeichnungen gesehen hat, hält deren Gestaltung für besonders wichtig. Damit der Landesbeirat ein Gutachten schreiben kann, müssen die Planer verschiedene und ausführliche Vorschläge machen, aus denen auch die baulichen Aspekte hervorgehen, einschließlich der Materialien, der Anlagen, der Fenster, der schmiedeeisernen Elemente usw.
Im Gutachten des Landesbeirates heißt es abschließend: „Der Landesbeirat rät zu einer Ausarbeitung detaillierter Unterlagen, um im Rahmen einer Folgeberatung diese besprechen zu können.“
Der Ton und der Inhalt des Schreibens erwecken eine klare Assoziation: Hier hat ein Lehrer einen Schüler beim Schwindeln erwischt.
Please login to write a comment!
»Genauer sollten sich die
»Genauer sollten sich die Fachleute mit der Bewertung der Teilbereiche Mobilität (Ein- und Ausfahrt Tiefgarage), Materialien für die Freiraumausstattung und Beschaffenheit der zu verwendenden Materialien der öffentlich sichtbaren Fassaden nicht zu einer zielführenden Begutachtung des Gesamtprojektes führen kann.«
Wurde dieser Satz falsch transkribiert oder steht das wirklich so im Gutachten? Ist leider unverständlich.
In reply to »Genauer sollten sich die by pérvasion
Sie haben Recht, war mein
Sie haben Recht, war mein Fehler. Danke, korrigiert.
In reply to Sie haben Recht, war mein by Christoph Fran…
Danke
Danke