Culture | Salto Afternoon

Beethoven für daheim

Wie ein junger Vinschger Österreichs Musikvermittlung fit fürs Internet macht und möglichst viele auf den Geschmack klassischer Musik bringen möchte.
Max calanducci
Foto: Nicola Kahlig

„Musiker bringen Freude, Hoffnung, Frieden und Liebe.“ Am Neujahrstag richtete Riccardo Muti, der Dirigent der Wiener Philharmoniker einen Appell an die Entscheidungsträger der Welt: Vergesst nicht auf die Kultur. Diese sei ein wesentlicher Baustein für eine bessere Gesellschaft von morgen. Mit Corona kam der Stillstand für alles Kulturelle. Nicht nur Theater, Konzertsäle, Opernhäuser und Museen sahen sich gezwungen, ihren Betrieb einzustellen oder – wo möglich – in digitaler Form fortzuführen. Gleiches galt und gilt auch für Institutionen der Kulturvermittlung

Ich bin der letzte, der sagt, der Kulturbetrieb müsse auch mit schlechten Zahlen laufen, aber im Verhältnis zu anderen Bereichen – Stichwort Tourismus – ist es katastrophal, wie mit Kultur umgegangen wird.    

Ein junger Vinschger Musiker versucht der kulturellen Krise entgegenzuwirken. Max Calanducci aus Schlanders – großgeworden mit Schlagwerk und Klavier –, Absolvent der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst, sah im Corona-bedingten Elend eine Chance, die Musik und das Wirken Beethovens, Prokofjews und Co. in digitaler Form an die Allgemeinheit zu bringen.

 

Digitale Defizite

 

Seit einiger Zeit schon ist Max Calanducci Berufsmusiker. Er spielt in zahlreichen Akademie- und Jugendorchestern im In- und Ausland als Schlagwerker und unterrichtet zudem nebenher in Wiener Musikschulen sowie privat. Der Beginn der Corona-Pandemie bedeutete aber auch für ihn vorerst das Ende seiner Profession.

Die Devise lautete also Anpassung, denn Stillstand kam für Max Calanducci nicht infrage. Damit war er in der Musikszene nicht alleine. In den sozialen Medien kursierten im Frühjahr, bald nach Beginn der Einschränkungen, Videos und Mitschnitte engagierter Musiker und auch Musikvermittler für Zuhörer und Zuseher daheim. „In Österreich gibt es super Musiklehrer, die tolle Sachen mit ihren Schülern machen, auf höchstem Niveau. Aber online ist es zum Teil echt katastrophal.“

 

Er selbst stellt ebenfalls auf digitalen Unterricht um. Und zwar von seiner Wohnung in Wien aus, wo er das nötige Equipment installiert. Der Umstieg war schwierig, das Material anfangs nicht in der gewohnten Qualität. „Ich wollte einen guten Unterricht anbieten, auch wenn man sich körperlich nicht spüren und sehen kann, was sehr viel ausmacht in der Musik.“

 

Ästhetisches Erlebnis

 

Max – der sich selbst als Techniknerd einstuft – begann also, sich mit dem Filmen auseinanderzusetzen, konzipierte Videos und Onlinetools und erstellt ein Konzept für die digitale Musikvermittlung. Interaktiv, auf die Schüler abgestimmt und möglichst ansprechend sollte es sein: „Aus didaktischer Sicht muss man immer ein ästhetisches Erlebnis schaffen. Das hat bei vielen Corona-Videos gefehlt.“

Anstelle eines sonst üblichen Booklets im PDF-Format, erwarten die jungen Musikinteressierten auf einer digitalen Pinnwand verschiedene interaktive Elemente, Spiele, Quizze und Rätsel, sowie Videos, Tanzchoreographien und Informationen zu den Komponisten, dem Orchester und den Instrumenten.

 

Bald schon wird die Wiener Philharmoniker auf seine Ideen aufmerksam. Im Juni letzten Jahres startete er sein erstes Projekt in Zusammenarbeit mit dem weltbekannten Orchester. Im Rahmen des Musikvermittlungsprogramms der Wiener Philharmoniker, passwort:klassik, digitalisiert und verpackt Max Calanducci bereits bestehende Angebote in einem alternativen Konzept und erweitert diese mit selbst gedrehten und geschnittenen Videos und anderen Inhalten. So sollen Schüler einen Zugang zum Orchester finden – trotz geschlossener Konzertsäle. 

 

 

Klassische Musik für alle

 

Trotz der fehlenden Dynamik und Energie, die man sonst im Publikum und auf der Bühne spüre, habe die digitale Vermittlung laut Calanducci mit seinem inklusiven Charakter einen immensen Vorteil. „Es kommt zu allen Altersgruppen und sozialen Schichten, es kann überall hingeschickt werden. Normalerweise hat eine bestimmte Elite Zugang zu Konzerten. Entweder wohnst du in der Nähe von Wien und hast Eltern, die dich regelmäßig mitnehmen zu einem Konzert, oder es ist eben schwieriger, zu einem Kulturgut wie der Philharmoniker zu kommen.“

Kulturvermittlung sei gerade deshalb notwendig, um Leute zu erreichen, die noch nicht auf den Geschmack der klassichen Musik und eines Konzertes vor Ort gekommen seien, so Calanducci. Umso erfreulicher zeigt er sich über den steigenden Anklang, den sein Musikvermittlungskonzept findet. Das Interesse daran steigt, auch außerhalb der Wiener Philharmoniker: „Es melden sich immer mehr Lehrpersonen an, um die 50-60 bisher, die auch selbst noch mehrere Klassen haben. Man kann sich also vorstellen, welche Reichweite das mittlerweile hat.“

 

Export nach Südtirol

 

Max Calanducci, der vor kurzem sein Lehramtsstudium Instrumentalmusikerziehung und noch im vergangenen Sommer seinen Bachelor in Instrumentalpädagogik abgeschlossen hatte, steht auch schon mit Lehrpersonen aus Südtirol in Kontakt. „Wäre schön, wenn ich das auch dort umsetzen könnte.“ Es ziehe ihn nach fünf Jahren in Wien ohnehin wieder zurück in die Heimat und zu seiner Band „The Koalas“. 

Ich vermisse es gerade sehr, Künstler zu sein. 

Seine digitalen Konzepte der Musikvermittlung möchte er jedenfalls weiterführen, ob mit oder ohne Corona: „Es macht mir extrem Spaß und ich kann irgendwie alles einsetzen, was ich gelernt habe in den letzten Jahren. Aus der Sicht eines Musikers und aus der Sicht eines Pädagogen. Dazu bin ich technisch nicht ganz unfit. Das ergibt ein Gesamtpaket, dass ich auch in Zukunft einsetzen werde, vielleicht sogar, um meine eigenen Stücke zu vermitteln.“