Kunst, Karton und Gesellschaftskritik
Es war der 14. Oktober 2022, als das berühmte Gemälde Sonnenblumen von Vincent Van Gogh von zwei Klimaaktivisten mit Tomatensuppe beworfen wurde. Die medienwirksame Aktion inspirierte einige weitere Aktionen, um einen Appell an die Welt zu richten, in der politische und wirtschaftliche Akteure – im Sinne von Mensch und Natur – doch endlich handeln sollten.
Was aber bedeutet es für werdende Künstler und Künstlerinnen, wenn ihre Altersgenoss*innen Kunstwerke als Zielscheibe und Mittel zum Zweck für ihren Protest benutzen? Dieser Frage sind Studentinnen und Studenten der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen – im speziellen die Gruppe des Studio Exhibit unter der Leitung von Leander Schwazer – nachgegangen. Die Antwort ist eine satte Portion Aktionismus.
Für Uni-Professor, Initiator und Ausstellungskurator Leander Schwazer ist Protest gegen die kapitalistische Weltwirtschaft und dem einhergehenden Verbrauch natürlicher Ressourcen nichts Neues. Bereits beim G8 in Genua 2001 war er beim friedlichen Marsch dabei gewesen und erlebte, wie sich Polizeigewalt gegen die friedlichen Demonstrant*innen, wie ein Lauffeuer ausbreitete. Zwei Jahrzehnte später feuert er (mit den Arbeiten seiner StudentInnen) zurück, denn die Situation in Sachen Gerechtigkeit und Globalisierung hat sich nicht verbessert, sondern dramatisch verschlechtert, da das Weltwirtschaftssystem seinen korrupten und menschenverachtenden Weg kompromisslos weitergegangen ist, ohne Ziel und Rücksicht.
Die Studentinnen und Studenten Matilde Baldassari, Tino Bors, Francesca Cantele, Ludovica Faro, Claudia Gianella, Dora Musola, Morin Pichler, Viola Silvi, Daniel Walcher, Maria Zugliani einigten sich für ihre Arbeiten zunächst auf ein Lagerfeuer aus Kartonen, welche sie im Bozner Stadtraum einsammelten, die eben auch dort von den gegenwärtigen globalen Warenketten-Systemen tagtäglich angespült werden. Das gesammelte Material wurde auf einer Grünfläche nahe der Talfer angezündet und mit der Kamera festgehalten. Ein Zusammenschnitt des universitären Brandopfers ist in der Ausstellung ebenfalls zu sehen, wie haufenweise zurückgebliebene Asche, die von den Beteiligten aus dem kollektiven Feuer recycelt und individuell zu Kunst verarbeitet wurde.
Ins Auge fällt vor allem, das einer Höhlenmalerei nachempfundene, große Gemälde (gemalt in Asche-Öl-Farbe), welches den modernen Menschen als Dienstboten der Gegenwart und der großen Konzerne zeigt. Das Bild scheint „aus einer untergegangenen Zeit, dabei ist es unsere Zeit“ sinniert Schwazer bei der Eröffnung.
Der Teppich ist selbst zu Staub geworden, es gibt hier nichts mehr zu verbergen.
(Leander Schwazer)
Aus einer „zukünftigen Vergangenheit“ könnte auch der „ornamentale Teppich aus Asche“ stammen, „es ist ein Teppich, auf dem man sich am Abend seine Füße ausruhen möchte“, so Schwazer, mit dem man gleichzeitig „die katastrophischen Nachrichten aus dem Fernsehen auf Distanz halten kann“, oder „sie unter den Teppich kehrt.“ Doch unter diesen Asche-Teppich kann nichts mehr gekehrt werden. Am ehesten sollte zurückgekehrt werden, zu einer vernünftigen und gerechten Ausgangsposition für alle Menschen.
Neben dem Teppich wacht eine zeitgenössische Skulptur, ähnlich einem Leuchtturm oder einer anderen archäologischen Miniatur. Oder ist es eine stark vergrößerte Babyflasche, die in die große Zukunft weist?
So sind es einerseits drohende, andererseits erleuchtende Arbeiten, die sich wie feurige (Geistes-)Blitze durch die ganze Ausstellung ziehen.
Die Studierenden suchten auf die Ausgangsfrage weder ein moralisch aufgeladenes Ja oder Nein. Sie suchten aber mitunter eine Antwort in der jeweiligen künstlerischen Formfindung. Im Wesentlichen. Und im Feuer.