Chronicle | Ermittlungen

Biennale im Landesdienst

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bozner Bauunternehmer Antonio Dalle Nogare. Ins Fadenkreuz der Ermittler gerät dabei auch dessen Nahverhältnis zur Ressortdirektorin im Wohnbauassessorat Katia Tenti.

Privat ist privat.
Und so soll es auch bleiben. Solange die handelnden Personen selbst wissen, wo die Grenze verläuft. Manchmal passiert es aber, dass Amtsträger die Orientierung verlieren und es somit zu einer gefährlichen Vermischung eines öffentlichen Auftrages und der privaten Vorlieben kommt.
Diese Geschichte dürfte ein Musterbeispiel dafür sein.

Ausflug nach Venedig

Ende August/Anfang September findet jedes Jahr in Venedig im Rahmen der Biennale die „Mostra del Cinema“ statt. Vom 28. August bis zum 7. September 2013 geht die 70. Ausgabe dieses Filmfestivals über die Bühne. Traditionell findet im Rahmenprogramm des Filmfestival auch das „Venice Film Market“ statt. Vom 29. August bis zum 3. September 2013 werden hunderte Akteure aus der Filmbranche ins noble Hotel Excelsior am Lido eingeladen. Regisseure, Schauspieler, Producer und Delegierte der Filmindustrie.
Unter den Delegierten aus 50 Ländern waren im vergangenen August/September auch zwei offizielle Vertreter aus Südirol: Für die Südtiroler Filmcomission die Leiterin der BLS-Abteilung Christiane Wertz und der Chef des Bozner Filmclubs Martin Kaufmann. Doch sie waren in diesen Tagen nicht die einzigen bekannten Südtiroler, die sich kostenlos die Filme beim internationalen Filmfestival anschauen konnten.
Die „Veneto Film Comission“ eine öffentliche Tochtergesellschaft der Region Veneto schickte fünf Delegierte auf die Cocktailpartys am Lido. Darunter die Leiterin der Filmkommission und zwei Schauspieler. Dazu kommen laut offizieller Teilnehmerliste aber auch noch Katia Tenti und Antonio Dalle Nogare. Offizielle werden die Ressortdirektorin und rechte Hand von Christian Tommasini und der Bozner Bauunternehmer unter dem Titel „Verwaltung“ geführt.

 

Bauunternehmer mit Landesadresse

Die Frage im welchem Auftrag das Duo Tenti/Dalle Nogare in Venedig weilte, schwappt vor wenigen Wochen in den Südtiroler Landtag über. Der 5-Stelle-Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger will von Landesrat Christian Tommasini wissen, ob der Besuch des Filmfestivals seiner rechten Hand und des Bauunternehmers amtlicher Natur war. Und wer den Ausflug bezahlt habe?
Am 28. Februar 2014 antwortet Tommasini auf die Landtagsanfrage: „Eine mögliche Teilnahme hat nichts mit der Initiative Europäische Kulturhauptstadt oder mit einem anderen öffentlichen Auftrag zu tun.“ Es wurde vom Land auch nichts bezahlt. Vor allem präzisiert der Kulturlandesrat aber eines: „Die Führungskraft war im Urlaub“.
Auch hier dürfte eines klar sein: Wer mit Wem in den Urlaub fährt, geht die Öffentlichkeit wohl wenig an. Komplizierter wird es aber, wenn man sich die offizielle Biennale-Liste der Delegierten anschaut. Dort muss jeder Delegierte und Eingeladene auch seine Mail-Adresse angeben. Bei Katia Tenti steht: [email protected]. Es ist die offizielle Amtsadresse der Ressortdirektorin. Genau dieselbe telematische Anschrift hat aber auch Antonio Dalle Nogare angegeben.
Er dürfte damit der erste Bauunternehmer sein, der eine Landesadresse besitzt. Oder besser gesagt, dessen persönliche Post im elektronischen Postfach der höchsten Beamtin im Assessorat Tommasini landet.
Ob damit bereits der Strafbestand eines Amtsmissbrauches gegeben ist, wird die Staatsanwaltschaft und womöglich das Landesgericht zu entscheiden haben. Sicher ist: Der Personalchef des Landes, Engelbert Schaller, hat schon wegen weit weniger, Disziplinarverfahren gegen Landesangestellte eingeleitet.

Tentis Engagement

Weit brisanter wird diese Episode aber durch die Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft gegen Antonio und Angelo Dalle Nogare wegen „Anstiftung zur Korruption“. Der Vorwurf: Die Unternehmer hätten mehreren Bozner Gemeinderäten Geld geboten, damit sie im Gemeinderat ihre indirekte Zustimmung für einen 26-Millionen-Deal Dalle Nogares mit der öffentlichen Hand geben. Es geht dabei um den Bau von 100 schlüsselfertigen Wohnungen für das Wohnbauinstitut (Wobi) in der Bozner Reschenstraße.
Antonio und Angelo Dalle Nogare bestätigen zwar, dass sie vor der Abstimmung mit fast allen Gemeinderäten Kontakt gesucht haben, sie dementieren aber energisch, dass sie Geld geboten hätten.

Antonio Dalle Nogare dürfte  der erste Bauunternehmer sein, der eine Landesadresse besitzt. Oder besser gesagt, dessen persönliche Post im elektronischen Postfach der höchsten Beamtin im Assessorat Tommasini landet.

Staatsanwalt Giancarlo Bramante ermittelt aber auch wegen „Amtsmissbrauch“. Es dürfte klar sein in welche Richtung dieser Ermittlungsstrang geht. Katia Tenti setzt sich seit 2011 sehr offensiv für die Ausweisung der Dalle-Nogare-Zone in der Reschenstraße ein. Vor allem Tentis Engagement im Dezember 2013 in der Gemeinde Bozen und im Land wird von den Ermittlern derzeit besonders ausgeleuchtet.
Die rechte Hand von Landesrat Christian Tommasini ist für die Medien derzeit nicht zu sprechen. Tenti verweist auf ihren Vertrauensanwalt: Carlo Bertacchi. Der Bozner Strafverteidiger vertritt im selben Fall auch Antonio Dalle Nogare.

Stimpfls Brief

Das private persönliche Nahverhältnis zwischen der höchsten Beamtin im Wohnbauassessorat und dem Bozner Bauunternehmer, der im Geschäft mit dem öffentlichen Wohnbau mitmischt, hat aber noch eine andere Facette, der die Ermittler jetzt nachgehen.
Katia Tenti nahm für längere Zeit regelmäßig an den Sitzungen des Wobi-Verwaltungsrates teil. Die Ressortdirektorin mischte sich dabei relativ ungeniert in die Geschäftsgebarung und die Entscheidungen des autonomen Institutes ein.
Laut Landesgesetz vertritt das Land im fünfköpfigen Wobi-Verwaltungsrat ein Vertreter der Abteilung Wohnbau. Das war bis vor wenigen Wochen der Direktor des Amtes für Wohnbauförderung Martin Zelger. Nicht nur Zelger monierte, dass mit Tenti im Wobi-Verwaltungsrat plötzlich jemand mitmische, der vom Gesetz gar nicht dazu befugt ist.
Die Folge: Wobi-Direktor Franz Stimpfl musste dem zuständigen Landesart Christian Tommasini und der Ressortdirektorin Katia Tenti einen höchst peinlichen Brief schicken. In dem Schreiben wird höflich darauf hingewiesen, dass Katia Tenti nicht im Wobi-Verwaltungsrat ein- und ausmarschieren kann wie es ihr beliebt. Ab diesem Zeitpunkt musste sich die Ressortdirektorin bei den Sitzungen vorab anmelden und die Tagesordnungspunkte anführen, bei denen sie dabei sein möchte.
Dass die Ermittler der Carabinierisondereinheit ROS auch diesem Vorfall Gewicht beimessen und einige Wobi-Verwaltungsräte dazu auch bereits angehört wurden, liegt an einem anderen Geschäft das Antonio Dalle Nogare mit dem Wobi gemacht hat.

Unter Landesrat Christian Tommasini wurde gesetzlich eingeführt, dass das Wobi auch Ausschreibungen für den Ankauf für fertige Wohnungen durchführen kann. Im vergangenen Jahr hat das Wobi einen solchen Wettbewerb durchgeführt. „Der Wettbewerb wurde ad-hoc gemacht und war genau auf einen Unternehmer zugeschnitten“, sagt ein Wobi-Insider.
Obwohl das Wobi ursprünglich in zehn Gemeinden Wohnungen kaufen wollte, kamen am Ende zu zwei Geschäfte zustande. Eines im Vinschgau und eines im Unterland.
Der ersten Ankauf waren nämlich im Juli 2013 11 Wohnungen in Neumarkt. Der Preis 1,81 Millionen Euro. Der Verkäufer: Die Firma „Dalle Nogare Costruzioni AG“, die keinem Geringeren als Antonio Dalle Nogare gehört.
Alles nur Zufall? Die Ermittlungen sollen das jetzt klären.

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