Den Sieg in der Tasche?
Siegesgewiss geben sich beide, aber nur einer wird in die Wiener Hofburg einziehen. Am Tag nach dem Debakel für die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP bei der Bundespräsidentenwahl steht vor allem eine Frage im Raum: Kann der von den Grünen unterstützte Zweitgewählte Alexander Van der Bellen bei der Stichwahl am 22. Mai die rund 14 Prozent Rückstand auf den Freiheitlichen Norbert Hofer aufholen? Ein für Van der Bellen ermutigendes Detail aus der österreichischen Geschichte: Zwei der bisher drei Stichwahlen gewann der im ersten Wahlgang zweitplatzierte Kandidat. Jüngstes Beispiel: 1992 verbesserte sich der ÖVP-Kandidat Thomas Klestil im zweiten Wahlgang von 37,21 auf 56,89 Prozent – dank einer indirekten Wahlempfehlung des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider.
Das vorläufige Endergebnis der gestrigen Wahl: Hofer (FPÖ) erhielt 35,3 Prozent der Stimmen, van der Bellen 21,3 Prozent, die Unabhängige Irmgard Griss 19 Prozent, der ÖVP-Kandidatn Andreas Khol 11,1 Prozent, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) 10,9 Prozent und Richard Lugner 2,3 Prozent.
Quelle: Der Standard
Worin sich Beobachter und Kommentatoren einig sind: die FPÖ hätte praktisch mit jedem Kandidaten das Rennen gemacht. Denn die erste und wichtigste Botschaft, die dieses Wahlergebnis in sich trägt, ist ein Denkzettel für die Bundesregierung. SPÖ und ÖVP wurden nicht nur symbolisch abgewählt, sie haben eine deftige Ohrfeige kassiert. Viele Österreicher sind der Großen Koalition überdrüssig, und Hofer, den die FPÖ zu einer Kandidatur geradezu überreden musste, hat diese Stimmen im Vorbeispazieren abgeholt.
Abgehängt: Die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ haben ausgedient (Quelle: Wiener Zeitung)
Meinungsforscher knobeln nun am Ergebnis des ersten Wahlgangs und versuchen vorherzusehen, was die Stichwahl bringt. Die SPÖ-Stimmen dürften beim zweiten Wahlgang Van der Bellen zufallen, die ÖVP-Stimmen werden sich wohl eher Richtung Hofer bewegen. Entscheidend wird sein, auf wessen Seite sich die Wähler der Unabhängigen Griss schlagen. Frauen tendieren eher zu Mitte-Links, männliche Wähler hingegen zu Mitte-Rechts. Griss – die einzige Frau unter sechs Kandidaten – und Van der Bellen haben beide im ersten Wahlgang mehr weibliche als männliche Stimmen bekommen. Wenn sich das geschlechterspezifische Wahlverhalten nicht grundlegend ändert, so sei damit zu rechnen, dass bei der Stichwahl die weiblichen Wählerinnen von Griss zu Van der Bellen überlaufen, sagte der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im ORF-Fernsehen. Aber noch eine weitere Partei wird den zweiten Wahlgang mit entscheiden: die der Nichtwähler. Denn die Wahlbeteiligung lag gestern bei 68 Prozent. Die beiden Kandidaten werden also versuchen, das eine Drittel der Stimmbürger für sich zu mobilisieren, das gestern zu Hause geblieben ist.
Alexander Van der Bellen gestern Abend in der Zeit im Bild 2
Hofer bleibt vorerst klarer Favorit und gibt sich auch siegessicher. Van der Bellen lässt sich allerdings von Hofers Vorsprung nicht besonders einschüchtern. “Wir starten beide von Null, und ich habe die besten Chancen, den zweiten Wahlgang für mich zu entscheiden”, sagte der Professor in der Zeit im Bild 2 zu Armin Wolf. Worauf der Moderator allerdings vorsichtig nachfragte, ob diese Sicht der Dinge nicht “ein wenig weltfremd” sei.
In Südtirol jubeln indes Freiheitliche, BürgerUnion und SüdTiroler Freiheit angesicht des österreichischen Wahlergebnisses. Landeshauptmann Arno Kompatscher erklärte in einer ersten Reaktion: "Das gute Abschneiden von FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist sicher in direktem Zusammenhang mit der besonderen Situation der Migration zu sehen. Hofer konnte mit seiner Linie offensichtlich punkten." Der Landeshauptmann sprach aber auch von einer “allgemeinen Vertrauenskrise der Politik”. Wählende tendierten dazu, "Regierende abzuwählen und abzustrafen und in einer zunehmend komplexen Welt einfache Botschaften zu bevorzugen. “
Die beiden Kandidaten werden
Die beiden Kandidaten werden also versuchen, das eine Drittel der Stimmbürger für sich zu mobilisieren, das gestern zu Hause geblieben ist.
Ich glaube nicht dass es entscheident sein wird, jetzt die anderen 32 Prozent der Wahlberechtigten zu mobilisieren, als zu versuchen jene für sich zu gewinnen die zur Wahl gegangen sind, aber nicht für einen der beiden Kandidaten gestimmt hat. Denn von jenen 32 Prozent die nicht zur Wahl gegangen sind, würde ich mal schätzen, lassen sich so um die Hälfte mobilisieren, was ca 16 % wären, während von jenen die zur Wahl gingen aber nicht für einen Kandidaten der Stichwahl gestimmt haben, das sind 38 Prozen der Wahlberechtigten, gehe ich davon aus, daß mindestens 80% also mindestens 30% der Wahlberechtigten nochmals Wählen gehen.
Entscheidend wird dabei sein, wer von jenen die Irmgard Griss gewählt haben sich für die zweite Wahl entscheiden werden. Wenn man die Positionen der Drittplazierten betrachtet wird man feststellen, dass sie eindeutig dem dritten Lager näher steht als den Grünen. Gehen die Stimmen von SPÖ, ÖVP und Lugner zu gleichen Teilen zu beiden Kandidaten, wird die FPÖ gewinnen.
Ein Effekt der dagegen wirken könnte wäre eine assymetrische Mobilisierung zur Bildung einer Anti-FPÖ-Koalition um einen Bundespresidenten Norbert Hofer zu verhindern. Was ich aber eher für unwarscheinlich halte.
Müsste ich Wetten, würde ich sagen die Wahlbeteiligung steigt auf max 75-80% und die Stimmen werden sich auf 58-42 zu Gunsten von Hofer verteilen.