Economy | Interview
„Ein leistungsfreier Raum“
Foto: Privat
Alexandra Felderer aus Sarnthein wurde heuer zur Wirtschaftsstudentin des Jahres der Universität Innsbruck gekürt. Felderer studiert neben dem Diplomstudium Internationale Wirtschaftswissenschaften auch den Bachelor Psychologie. Für zwei Jahre war sie ehrenamtliche Vorsitzende der Jungschar in Südtirol. Ihr soziales Engagement für Kinder und Jugendliche beweist sie nach wie vor als Mitglied in verschiedenen Landesgremien, Arbeitskreisen und Projektgruppen der Jungschar. Aktuell geht sie einer Lehrtätigkeit für Mathematik und Naturwissenschaft an der Mittelschule in Sarnthein nach.
Die Psychologie hingegen sagt, dass der Mensch sehr viel aus dem Unbewussten heraus handelt.
salto.bz: Alexandra, wieso hast du dich für Wirtschaft entschieden?
Alexandra Felderer: Ich rechne sehr gerne und gehe gerne mit Zahlen um. Zudem gefallen mir neben der Wirtschaftsmathematik, die ein wichtiger Teil des Studiums ist, auch die Vertriebswirtschaft, das Personalmanagement, das Marketing und der strategische Teil. Durch die Wirtschaft hängt die ganze Welt zusammen. Wenn irgendwo die Wirtschaft leidet oder etwas einbricht, spüren das meist dann auch alle anderen. Diese Zusammenhänge finde ich interessant.
Und weshalb auch das Studium der Psychologie?
Bei der Wirtschaft wird davon ausgegangen, dass der Mensch rational und bewusst handelt. Die Psychologie hingegen sagt, dass der Mensch sehr viel aus dem Unbewussten heraus handelt. Es gefällt mir zu lernen, was der Mensch über sich zu wissen meint, aber es dann eigentlich doch nicht genau weiß. Dabei entscheiden wir Menschen oft nach Gründen, die uns gar nicht so bewusst sind.
Wie hängen die Fächer miteinander zusammen?
Inhaltlich hängen die Fächer nicht besonders nahe zusammen. Andererseits schließen sie sich nicht aus und sind in der Berufswelt hilfreich. Beispielsweise ist wirtschaftliches Wissen von Vorteil, wenn eine Psychologin selbstständig werden möchte. Umgekehrt ist Psychologie auch in der Wirtschaft nützlich, beispielsweise im Personalmanagement.
Ich habe gelernt, mich einfach mal zu trauen und auch ein wenig an das Unmögliche zu glauben.
Wie bekommst du all deine Aufgaben hin?
Zurzeit studiere ich nur Psychologie, um meinen Bachelor in diesem Fach abzuschließen. Dann werde ich ein Auslandsjahr in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Tor Vergata in Rom machen. Da ich jetzt nur Psychologie studiere, geht sich auch meine Teilzeitstelle zu 50 Prozent aus. Ich weiß nicht, ob es leicht gehen würde, zu arbeiten und beides zu studieren. Als ich beides studiert habe und Vorsitzende der Jungschar war, war es sehr, sehr zeitintensiv und ich hatte wenig Freizeit. Grundsätzlich denke ich aber, dass etwas zu schaffen ist, wenn der Wille da ist.
Wird das Thema Nachhaltigkeit auch in deinem Wirtschaftsstudium behandelt?
Wie Nachhaltigkeit bei uns behandelt wird, kommt stark auf den Professor an. Die Lehrinhalte sind zwar im Curriculum vorgeschrieben, gleichzeitig fördern aber einige Lehrende an unserer Universität das kritische und eigene Denken.
Werden hier auch konkrete Wirtschaftstheorien genannt, die Nachhaltigkeit mitdenken?
In dem Kurs ‚Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre‘ gehen wir auf die Menschenbilder der verschiedenen, historischen Epochen ein. Beispielsweise zur Höchstzeit der industriellen Revolution wurde der Mensch als Wesen aufgefasst, der nur auf die eigenen Vorteile aus ist. Deshalb ging man davon aus, dass man ihn unterdrücken oder ausbeuten muss, damit er die Arbeiten ausführt. Dieses Menschenbild ist heute natürlich überholt. Heute weiß man, dass es nicht viel bringt, Menschen auszubeuten. Denn dann wird effektiv weniger gearbeitet, als wenn den Arbeitern auch etwas zugestanden wird. Deshalb stellt man mehr das Individuum in den Mittelpunkt und weniger die Arbeit.
Als Vorsitzende hatte ich die Möglichkeit in jungen Jahren, einen Verein und seine Mitarbeitende zu leiten und bei wichtigen Entscheidungen mitzuentscheiden.
Verstehe, also wird auf die soziale Dimension von Nachhaltigkeit eingegangen. Habt ihr auch die globale Ungleichheit und die Ausbeutung im globalen Süden angesprochen?
Ich muss ehrlich sagen, dass wir das in keinem einzigen Kurs angesprochen haben. Es ist oberflächlich gestreift worden, weil es irgendwie alle wissen, aber der Grund und die Auswirkungen wurden nicht vertieft. Vielleicht kommt es im Laufe meines Studiums noch.
Was bedeutet dir die Jungschar persönlich?
Die Jungschar ist mein Herzensverein. Mit ihm habe ich fast nur schöne Erfahrungen gemacht und konnte sehr viel für mich persönlich mitnehmen. Als Vorsitzende hatte ich die Möglichkeit in jungen Jahren, einen Verein und seine Mitarbeitende zu leiten und bei wichtigen Entscheidungen mitzuentscheiden. Ich habe gelernt, mich einfach mal zu trauen und auch ein wenig an das Unmögliche zu glauben. Das Schöne an Vereinen wie der Jungschar ist, dass man gemeinsam für eine Sache brennt. Es geht nicht um Selbstverwirklichung, sondern alle setzen sich gemeinsam für eine Sache ein.
Wir, bei der Jungschar, sagen immer, dass wir einer der wenigen Vereine sind, wo Kinder einen leistungsfreien Raum haben.
Was macht die Jungschar einzigartig?
Wir, bei der Jungschar, sagen immer, dass wir einer der wenigen Vereine sind, wo Kinder einen leistungsfreien Raum haben. In jedem Musik- und Sportverein müssen Kinder Leistung zeigen und irgendetwas tun. An dem ist nichts falsch, aber beispielsweise bei der Jungschar können sie einfach Kind sein. Dort können sie basteln, spielen, Freunde treffen, lachen und sie selber sein.
Wie geht die Jungschar mit Kindern mit Migrationshintergrund oder schwierigen Verhältnissen um?
Hier kommt es stark auf die 330 Ortsgruppen in Südtirol an. Jede Ortsgruppe ist anders aufgebaut und entscheidet eigenständig. Grundsätzlich gilt aber, dass die Jungschar für alle da ist und jedes Kind akzeptiert wird. Bei Kindern mit Migrationshintergrund kann ich mir aber vorstellen, dass das Katholische in unserem Vereinsnamen ein Hindernis sein könnte.
Wie willst du dich beruflich weiterentwickeln?
Ich möchte später in einem Bereich arbeiten, wo ich mit anderen Menschen in Kontakt und Austausch bin. Genaueres lasse ich mir aber noch offen.
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In den Sechziger-Jahren hatte
In den Sechziger-Jahren hatte ich Gruppen der Kath.Jugend in Schlanders und Bozen geleitet. Diese Tätigkeit hat mich sehr geprägt und mir viel gegeben. Jungen Menschen würde auch ich empfehlen, sich in Jugendgruppen für die Gemeinschaft zu engagieren, davon kann man nur gewinnen. Wirtschaft ist nur dann zukunftsfähig, wenn sie die Kreativität der Individuen und die Solidarität der Gemeinschaft zu aktivieren versteht und dies der Gewinnmaximierung unterordnet. Der Frau Alexandra Felderer wünsche ich viel gute Zeit und Erfolg in ihren umfassenden Studien !