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Brot und Wein

Unter dem Titel „Südtirol – Eine Elegie“ stand die ARUNDA-Ausgabe Nr. 9 von 1979, verfasst vom gebürtigen Bozner Autor und Kunstkritiker Kristian Sotriffer (1932 – 2002).
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

„Brot und Wein“ ist ein weiteres Thema des Buches, das ich wiedergeben möchte.

Wie man vor uralten Zeiten Brot gebacken hat, in Fladenform und in alten, gemauerten Öfen, kann man in Südtirol noch erleben, wo es in jedem Tal Varianten des Brotbackens in Form und Geschmack noch gibt. Diese herrlichen, würzigen Brotarten sucht man am besten dort, wo die Bauern nur zwei- oder dreimal im Jahr backen und es daher zum Trocknen und Trockenhalten in Brotrechen oder Rahmen, im Vinschgau auch „Brothurt“ genannt, aufbewahren. Der gute Speck dazu wird hingegen immer seltener, da ebenfalls nach mehr industriellen als altgewohnten Methoden hergestellt. Vom berühmten Südtiroler Bauernspeck kann nur noch der profitieren, der ihn direkt beim Erzeuger erwirbt, in dessen Kamin oder Räucherkammern er reifen kann und zuvor entsprechend behandelt wird. Das liegt einerseits an einer veränderten Schweinezucht, andererseits an den Importen, denen zufolge der Südtiroler Speck als unveredeltes Ausgangsprodukt über Holland aus Indonesien importiert und dann rasch irgendwo geselcht wird. Andere importieren ihn aus Nordtirol und veräußern ihn unter dem Gütezeichen des einheimischen Specks. Es gibt sowieso nicht mehr viele, die den Unterschied zwischen echt und industriell beim Speck, beim Obst, beim Wein und beim Brot bemerken.

Was hat man in Südtirol einmal besonders geschätzt?

Das waren „Haller Salz, Kastelruther Schmalz, Traminer Wein, Sarner Schwein, Laidner Woazen, Vinschger Kloazen“.

Bleiben wir zunächst beim Wein in diesem ältesten Weinbaugebiet des heutigen deutschen Sprachraums. Eine uralte Tradition hat es aber nicht verhindern können, dass nun auch in Südtirol anstelle der einst von so vielen Traubensorten gewonnenen, charaktervollen Weine mehr und mehr etwas von der Sorte jenes „Kalterer See“ treten konnte, der das Weinland Südtirol bei Weinliebhabern in aller Welt in Misskredit bringen musste.

Jetzt kann man folgerichtig auch erleben, dass ein Rotwein aus dem Eiskasten serviert wird, weil es die Gäste so wünschen. Vergessen scheint die Regel, dass Rotwein zwischen 14 und 18 Grad, Weißwein zwischen 8 und 15 Grad oder Kellerfrische haben sollte.

Jetzt ist man außerdem draufgekommen, dass Äpfel den besseren Gewinn abwerfen als Trauben, sodass die Rebflächen teilweise bis auf ein Fünftel geschrumpft sind. So wurden aus dem einmaligen Gartenland langweilige Obstplantagen mit Golden-Delicious-Wäldern. Ein eher fad schmeckender Allerweltsapfel hat dem für Südtirol einst charakteristischen Gravensteiner das Wasser abgegraben und die alten Weingärten vertrieben. Die Naturlandschaft in den Tälern, die kleinen, von Weiden und Gesträuch, Wassergräben und Tümpeln bestimmten Biotope waren um dieser Plantagen willen eingeebnet und ausgetrocknet worden.

Wer nun so essen möchte, wie die Südtiroler einst gegessen haben, vor allem die Bauern, wird statt dessen das europäische Einheitsmenü serviert erhalten. Vielen Südtirolbesuchern werden Gerstensuppe, Tirtln, Krapfen aller Art, abgeschmälztes Mus oder plentene Knödel nie unter die Augen oder an den Gaumen geraten, auch nicht der gute Wein, der richtige Speck oder das schmackhafte Brot. Nur, weil die Südtiroler, in einer seltsam anmutenden Selbstverleugnung, glaubten, es ihren Gästen recht machen zu müssen, womit sie diese höchstens um Eindrücke betrügen, die es mit dem „Cordon bleu“ oder dem „Jägerschnitzel“ und dem dazu gelieferten Münchner Bier immer schon leicht hatten aufnehmen können.