Culture | Salto Summer Serie

Lustige Fresken

Ist es ein schaukelnder Heiliger, oder ein Heiliger der sich mit einem Seil geschickt von einer Mauer abseilt? Nein, das ist kein Quiz, das ist Prokulus!
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Foto: Quelle: Abteilung Museen Provinz Bozen

Reinhold Messner hätte sich am heiligen Prokulus ein Beispiel nehmen können. Als der bekannte Bergsteiger vor einigen Jahren nachts über seine Schlossmauer bei Juval kletterte und verletzte, sorgte dieser Absturz für mediales Aufsehen. Zu Messners Mauer-Überquerung findet sich in abgewandelter Form eine kulturhistorische Parallele unweit von Schloss Juval.

In der Gemeinde Naturns beherbergt ein kleines schmuckes Kirchlein, ein fein gemaltes Fresko, auf welchem sich ein Heiliger geschickt, ja beinahe lächelnd, von einer Mauer abseilt.
Das ist der große Unterschied zwischen Bergsteigerlegende und dem Heiligen. Was Messner und Prokulus hingegen verbindet: Beide sind Museumsfiguren! Der eine hat im Lauf der letzten Jahre einen reichen Bestand an Museen zum Thema Berg realisiert, der andere funktioniert nicht nur als Leitmotiv einer kleinen Kirche, sondern ist gleichzeitig Hauptattraktion eines besonderen Dorf-Museums.

Das Prokulus-Museum steht neben der alten Prokulus-Kirche und erzählt die Geschichte der Kirche – vom frühmittelalterlichen Haus bis zum Pestfriedhof von 1636. Der völlig unterirdisch angelegte Museumsparcours macht zudem die Geschichte der Region rund um Naturns lebendig. Vier Raum-Zeit Stationen führen durch die Epochen Spätantike, Früh- und Spätmittelalter und frühe Neuzeit. Die Videoprojektionen stellen die vier Zeitalter anschaulich und verständlich dar. Sie wurden mit Laiendarstellerinnen und Laiendarstellern aus der Gemeinde Naturns und der näheren Umgebung realisiert. 

Zu Prokulus gibt es auch neue archäologische Erkenntnisse, so gab es hier einst einen römischen Friedhof, sowie ein frühmittelalterliches Haus, später folgte dann ein frühmittelalterlicher Friedhof, erst dann wurde die Kirche gebaut. Laut Experten gehören die Fresken des Kirchleins zu den am besten erhaltenen Fresken des Frühmittelalters. Ihre Originalität ist einmalig – nicht nur die Darstellung des sogenannten Schauklers, sondern auch der Engel oder der Tierherde.

Die vorromanischen Fresken sind leider jünger, als von den Wissenschaftlern lange vermutet. Sie sind erst dem späten Frühmittelalter – anstatt dem frühen – zuzuweisen. Und die gotischen Fresken wiederum sind älter als bisher geglaubt, schon ab 1320-1325 anzusetzen.

Was aber erzählt das Fresko, von welchem auch Reinhold Messner noch etwas lernen kann? Es zeigt wie der heilige Prokulus über ein Seil vor dem heidnischen Statthal­ter Veronas flieht, indem er, wie auf einer Schaukel sitzend, das Weite sucht. Die Wissenschaft hat diesen Fluchtversuch über ein Dutzend Mal und immer auf unterschiedli­che Weise interpretiert. Am besten ist es, wenn sich Besucher und Besucherinnen selbst ein Bild machen. 

Prokulus-Museum

(Salto in Zusammenarbeit mit der Fachabteilung Museen der Autonomen Provinz Bozen)