Spuren einer Klimakatastrophe
Kaum ein Thema wird in den Medien in den letzten Jahren so häufig aufgegriffen wie der Klimawandel. Bilder von schmelzendem Eis in der Antarktis, Überflutungen, Dürre und anderen – schwerwiegenden – Folgen des Klimawandels erreichen uns beinahe täglich. Mit den Folgen einer Klimakatastrophe beschäftigt sich seit einigen Jahren auch Herwig Prinoth, Konservator für Paläozoologie im Naturmuseum Südtirol. Diese Klimakatastrophe liegt allerdings 252 Millionen Jahre zurück. Seine Forschungsarbeit trägt wie die Arbeit von vielen Wissenschaftlern weltweit dazu bei, zu verstehen, was an der Grenze zwischen dem Erdaltertum und dem Erdmittelalter, also an der Perm-Trias Grenze, geschehen ist. „Infolge dieser Klimakatastrophe kam es nämlich zum größten Massensterben in der Erdgeschichte: bis zu 90% der im Tethysmeer lebenden Tiere und Pflanzen haben diese nicht überlebt“, erklärt Prinoth.
Aber der Reihe nach. Vor 252 Millionen Jahren lag die heutige Gegend der Dolomiten in etwa am Äquator; an der Küste und teilweise im tropischen Ozean, dem Tethysmeer. In der letzten Phase der Permzeit (etwa 1 bis 2 Millionen Jahre vor der großen Katastrophe) bildeten sich die Sedimentschichten, die heute als Bellerophon-Formation bekannt sind. „Untersucht man diese Gesteinsschichten heute“, so Prinoth „etwa an der Seceda oder im Bletterbach, dann sieht man, wie vielfältig das Leben im Meer vor der Katastrophe war. Im Gestein haben wir Fossilien von Nautiloiden, Muscheln und Schnecken, Algen und Brachiopoden gefunden. Das Leben im Meer war unglaublich reich. Insgesamt neun verschiedene Nautilus-Arten und 30 Muschelarten konnten wir nachweisen.“ Dieses Leben erlischt plötzlich vor 252 Millionen Jahren. Und im Gestein ist diese Veränderung bis heute sichtbar. „Das Gestein der obersten 1,5 Meter der Bellerophon-Formation, das so genannte Bulla Member, ist tief schwarz gefärbt. Es besteht aus unzähligen kleinen Resten von Organismen, die zu Kohle wurden und für die schwarze Farbe verantwortlich sind. Nur wenige Zentimeter darüber wird das Gestein fast weiß, es ist fast keine organische Substanz mehr zu finden, weil das Leben so gut wie erloschen war. Nach der Katastrophe blieben im Meer für rund 4 Millionen Jahre nur die Muschelgattungen Claraia, Unionites, Eumorphotis und Promyalina und ganz wenige andere Lebewesen übrig“.
Wie kam es zu dieser Katastrophe? Vor 252 Millionen Jahren ereigneten sich im heutigen Sibirien gewaltige Vulkanausbrüche, die rund eine Million Jahre andauerten. Die Atmosphäre wurde dabei so stark durch Treibhausgase verschmutzt, dass es zu einem galoppierenden Treibhauseffekt, also einer der sich selbst verstärkt, kam. Die Temperaturen auf dem Superkontinent Pangäa und im Tethysmeer stiegen ständig an. Dabei wurde auch Methan freigesetzt. „Innerhalb einiger tausend Jahre war die Temperatur im Meer bis auf über 45 Grad angestiegen“, so Prinoth, „und so wurde fast alles Leben dahingerafft. Die Dolomiten sind heute eine Schlüsselregion für die Erforschung dieses Massensterbens“.
In den Dolomiten haben sich Ablagerungen aus dieser Perm-Trias-Zeit erhalten, während die Erosion und tektonischen Ereignisse in vielen anderen Gebieten diese Schichten abgetragen oder tief in der Erdkruste versteckt haben. „Durch die Aufschiebung der Alpen sind diese Schichten in den Dolomiten zum Vorschein gekommen, wo sie auch leicht zugänglich sind, wie z.B. in Pufels oder auch im Bletterbach. Geologen aus aller Welt kommen in die Dolomiten um unsere Perm-Trias-Aufschlüsse zu studieren, wir haben sie direkt von der Haustür. Das ist ein unglaubliches Glück“, sagt Prinoth.
„Die Schichten an der Perm-Trias-Grenze sind zwar gut erforscht, was aber der endgültige Auslöser des Massensterbens war, wie schnell dieses vor sich ging und weshalb sich das Leben auf der Erde nach der Katastrophe 4 Millionen Jahre lang nicht erholt hat, das sind Fragen auf die wir noch eine Antwort suchen“, erklärt Prinoth.
Das Massensterben an der Perm-Trias-Grenze, ausgelöst von einer Klimakatastrophe ist ein Schlüsselmoment in der Erdgeschichte. Tiere und Pflanzen waren für einige Millionen Jahre fast ausgelöscht und konnten nur in einigen Refugien, wahrscheinlich in polaren Gebieten überleben.
„Es gibt leider viele Parallelen zwischen der Klimakatastrophe am Ende der Permzeit und der heutigen Klimakrise. Damals waren es die Emissionen von riesigen Vulkanen, die die Atmosphäre aufheizten, heute ist es der Mensch, der durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen die Atmosphäre verpestet und zugleich noch die Regenwälder abholzt, die das Kohlendioxid aus der Atmosphäre wieder aufnehmen könnten. Was dieses Verhalten auslösen wird, sollte es zu keinem Umdenken kommen, kann man an der Perm-Triasgrenze sehen“, sagt Prinoth.