Economy | Arbeitsmarkt

Morgen überflüssig?

Der Arbeitsmarkt wird wie jeder andere Markt über Angebot und Nachfrage bestimmt. Wie AFI-Direktor Stefan Perini erklärt, könnten vielleicht einige Berufe obsolet werden.
Perini, Stefan
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„Wie bei jedem Markt gibt es auch beim Arbeitsmarkt zwei Seiten: Angebot und Nachfrage“, so Stefan Perini, Direktor des AFI (Arbeitsförderungsinstitut). Die zentrale Frage in Bezug auf den derzeitigen Fachkräftemangel sei, wieviele Arbeitskräfte Südtirol dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könne. „Wir wissen bereits seit 20 Jahren, dass aufgrund des demografischen Wandels die Zahl der erwerbsfähigen Personen sinken wird. Die derzeitige Situation ist deshalb keine Überraschung“, so der AFI-Direktor, der erklärt, dass man die Faktoren „Angebot“ und „Nachfrage“ gleichermaßen im Auge behalten müsse. Was das Angebot betrifft, könne man mit verschiedenen Maßnahmen versuchen, das lokale Potential an Arbeitskräften bestmöglich zu aktivieren und auszuschöpfen, zum anderen die Lücke durch Zuwanderung zu füllen.
 
 
 
Der AFI-Direktor verweist dabei auf das Gastgewerbe, einem Sektor, der bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreift. Grund dafür sei ein Attraktivitätsproblem, bedingt unter anderem auch durch die Arbeitszeiten, aufgrund dessen der Bedarf an einheimischen Fachkräften nicht mehr gedeckt werden konnte. Die Lücke wurde gefüllt, indem beispielsweise Arbeitskräfte aus dem osteuropäischen Raum angeworben wurden. In diesen Ländern hat während der vergangenen Jahre jedoch eine starke wirtschaftliche Entwicklung eingesetzt, weswegen inzwischen genügend – und auch gut bezahlte Stellen – in diesen Ländern vorhanden sind: Jobangebote aus Südtirol haben dadurch an Attraktivität verloren und ein Phänomen der Rückwanderung hat eingesetzt.
 
Mit der Abschaffung des Bürgereinkommens kann das Problem des Arbeitskräftemangels im Gastgewerbe sicher nicht gelöst werden.
 
Als „Feigenblatt“ müsse bisweilen das Bürgereinkommen, der sogenannte „reddito di cittadinanza“, herhalten. „Mit der Abschaffung des Bürgereinkommens kann das Problem des Arbeitskräftemangels im Gastgewerbe sicher nicht gelöst werden“, ist Perini überzeugt und betont, dass derartige Rückschlüsse an den Haaren herbeigezogen seien. Vielmehr müsste dafür gesorgt werden, dass das Gastgewerbe in Südtirol wieder an Attraktivität und damit Wettbewerbsfähigkeit gewinnt.
 

Nachdenken über morgen

 

Aber das Problem der Nachfrage müsse weiter gedacht werden. „Die Frage ist, ob die Nachfrage in einigen Berufssparten immer so hoch bleiben wird?“, betont Perini und verweist dabei auf Phänomene wie digitale Transformation, künstliche Intelligenz und Robotik. „Derzeit haben wir einen sehr großen Mangel an Bus-Chauffeuren. Wenn allerdings die technische Entwicklung des autonomen Fahrens einen Stand erreicht hat, dass mit wenigen Mausklicks Lkw’s oder Busse von A nach B gesteuert werden können, dann wird eine gesamte Berufssparte plötzlich nicht mehr gebraucht“, gibt der AFI-Direktor zu bedenken und erklärt, dass die derzeit bestehende große Nachfrage nach bestimmten Berufsbildern ein zeitlich begrenztes Phänomen sei. Durch technische Innovationsschübe und Erfindungen könnten möglicherweise ganze Berufsfelder obsolet werden.
 
Die technische Entwicklung wird die Nachfrage entscheidend prägen.
 
Ein weiteres Beispiel dafür sei auch das Berufsbild des Übersetzers bzw. der Übersetzerin. Vor zehn Jahren steckte „Google Translate“ noch in den Kinderschuhen und war für berufliche oder sonstige Zwecke aufgrund der Fehlerhaftigkeit nicht geeignet. Mittlerweile hat die technologische Entwicklung dieses und ähnlicher Tools enorme Fortschritte gemacht, sodass sie auch für berufliche Zwecke verwendet werden können. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass in einigen Jahren Simultanübersetzungen von Programmen bzw. Robotern durchgeführt werden“, so Perini, der betont: „Ich plädiere deshalb dafür, nicht nur zu versuchen, die heutige Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen, sondern auch darüber nachzudenken, ob diese Nachfrage morgen noch bestehen wird. Die technische Entwicklung wird die Nachfrage nämlich entscheidend prägen.“