Culture | Salto Afternoon
Puder, Perücken und Pump

Foto: Manuel Profunser
Die Reichen und Schönen sind weder wirklich reich, noch schön, wenn man an Mode, Puder und Perücken vorbei blicken kann. Ist die Dolce Vita auch mehr Schein als Sein ist es dennoch am wichtigsten den Anschein zu wahren. „Die frivole Sommerfrische“ erfüllt im Adjektiv damit sowohl die Bedeutungsebene der Schamlosigkeit, als auch die veraltende der Leichtfertigkeit.
Im ersten Akt ist der Ausgang des „Werden sie fahren oder nicht?“-Tanzes bereits vorprogrammiert. Wir beginnen mit Leonardo (Thomas Fischnaller Wachtler) und seinem Diener Paolo (Markus Gimbel), werden gleich mit dem Leben auf Pump des Schönlings konfrontiert und befinden uns im Abreisestress, da alles was Rang und Namen hat, nach Montenero in die Sommerfrische aufbricht (bei Goldoni hieß es: villeggiatura).
Einen handlungsmäßig bis zum Ende recht schnell zusammengefassten ersten Akt nutzt man, zur Einführung der zahlreichen Figuren und deren Beziehungen zueinander: Da wären Leonardos Schwester Vittoria (Hanenn Huber) und deren Rivalin Giacinta (Daniela Bjelobradic), welche mit Leonardo und Guglielmo (Julian Pichler) im Liebesdreieck steht, sowie deren Zofe Brigida (Linda Covi) und der Freund, der sich selbst einlädt, Ferdinando (Werner Hohenegger). In der Altersklasse darüber spielen Filippo, der Vater Giacintas (Helmuth Mederle), Leonardos erst im zweiten Akt eingeführte Tante Sabina (Cornelia Brugger) und, das Highlight des Abends: als Patriarch Fulgenzio im Karl Lagerfeld Outfit Liz Marmsoler. Alle sind sie, mehr oder weniger schrill gepudert, geschleckt oder toupiert (Kostüm: Katrin Böge; Maske: Brigitte Novak und Marisa Girardi), die Farbauswahl ist grell, aber nicht unangenehm.
Man vertreibt dabei die Zeit mit dem „Spiel“, das im Wort Schauspiel steckt und schafft es mit Versteckspiel im Bühnenbild aus Tüchern (Mirjam Falkensteiner) an der Wäscheleine, Slapstick und zwischen Küsschen links und rechts gesprochenen Beleidigungen und Scharfsinnigkeit. Hier sind Vittorias und Giacintas Giftspritzen für einander das unterhaltsamste Moment des Abends. Zwischen der Frage, wer mit wem im Wagen sitzt und wer welches Kleid trägt, arrangiert Fulgenzio noch einen Ehevertrag zwischen Leonardo und Giacinta, natürlich kommt auch der Liebesrivale Guigelmo in den Urlaub mit und am Ende bleibt außer Fulgenzio niemand zurück.
Das Bühnenbild wandelt sich und nutzt nun statt mehrer Tuchlagen die Tiefe der Steinbruch-Bühne und einen Steg, der vor bis zur ersten Reihe reicht. An Fulgenzios Stelle tritt die ausgesprochen wohlhabende Tante Sabina, welche sich vom mittellosen Ferdinando den Kopf verdrehen lässt. Aus den gesellschaftlichen Spielchen wird nun zusehends ein Stück der Herzenssachen und weitere Hochzeitspläne werden geschmiedet. Der Humor findet hier seinen Höhepunkt, da wir mittlerweile die Manierismen der Figuren kennen und sich Regisseur Alexander Kratzer einige Freiheiten mit dem Stücktext erlaubt.
Im dritten Akt, im dem sich die Quittung für den überschwänglichen Lifestyle präsentiert, mutiert der Text zum Schuldner-Stück, Triebfeder des Humors wird eine Art Schadenfreude, die bei mir wohl zu gering ausgeprägt ist und sicher einmal zeitgemäßer war. Auch die Bühne verändert sich weniger als es von Akt Eins auf Zwei der Fall war und man bindet noch rasch lose Enden aneinander. Dabei geht's ums liebe Geld mehr als um die Gefühle, ein wirklich romantisches Stück ist „Die frivole Sommerfrische“ nicht, eher eines über gesellschaftliche Zwänge und Konventionen. Ein unterhaltsames Verwirrspiel und viel Herzblut für Bühnenbild, Kostüme und Requisiten bietet man in diesem Jahr am Ritten, gereicht mit einem unaufdringlichen Soundtrack, der noch an „Bella Italia“ glaubt (Markus Mayr). Urlaub im Theater, ein bisschen Reisestress und Probleme im Paradies inklusive.
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