Chronicle | Justiz
Wegen Befangenheit geschlossen
Foto: Othmar Seehauser
Das Dekret der Präsidentin des Verwaltungsgerichts ist klar und deutlich. „Das Verfahren wird auf unbestimmte Zeit vertagt“, schreibt Edith Engl in der Verfügung, die gestern den Parteien zugestellt wurde.
Dabei sollte am Mittwoch am Bozner Verwaltungsgericht ein weiteres Kapitel im Kampf gegen das Benko-Kaufhaus aufgeschlagen werden. Zur Behandlung stand ein neuer Rekurs gegen das Großprojekt in der Bozner Südtirolerstraße. Der Richtersenat in der Gerstburg hätte den ersten Verhandlungstag zum Rekurs abhalten sollen. Doch dazu kam es nicht und wird es auch nicht so schnell kommen. Wenn alles gut geht, ist es vielleicht in einem Jahr soweit.
Dabei sollte am Mittwoch am Bozner Verwaltungsgericht ein weiteres Kapitel im Kampf gegen das Benko-Kaufhaus aufgeschlagen werden. Zur Behandlung stand ein neuer Rekurs gegen das Großprojekt in der Bozner Südtirolerstraße. Der Richtersenat in der Gerstburg hätte den ersten Verhandlungstag zum Rekurs abhalten sollen. Doch dazu kam es nicht und wird es auch nicht so schnell kommen. Wenn alles gut geht, ist es vielleicht in einem Jahr soweit.
Der Grund für diese Ungewissheit ist eine absurde Geschichte, die exemplarisch die Grenzen und auch die Schwächen der Südtiroler Verwaltungsgerichtsbarkeit aufzeigt.
Der Rekurs
Der Rekurs 183/2017 ist ein neuer gerichtlicher Einwand gegen das Kaufhausprojekt des österreichischen Investors René Benko. Einbringer sind die Mieter und Besitzer des sogenannten City Centers. Der Glaspalast in der Südtiroler Straße 40 grenzt direkt an die sogenannte Baulücke neben der Handelskammer an, die ein Benko-Unternehmen im Frühjahr 2017 von der Gemeinde Bozen ersteigert hat.
Die Anwohner rekurrieren zum einen wegen angeblicher Nichteinhaltung der Mindestabstände gegen das Kaufhausprojekt, zum anderen aber auch gegen die geplante Untertunnelung der Südtiroler Straße. Vertreten werden die Rekurssteller von Rechtsanwalt Alfred Mulser, der seine Kanzlei ebenfalls im City Center hat. Der Rekurs, eingebracht im Herbst 2016, richtet sich gegen die Gemeinde Bozen, gegen das Land und gegen die Kaufhaus Bozen GmbH (KHB Srl).
Die Erstverhandlung in diesem Verfahren ist jetzt geplatzt, weil man am Bozner Verwaltungsgericht nicht genügend Richter für dieses Verfahren findet.
Die Erstverhandlung in diesem Verfahren ist jetzt geplatzt, weil man am Bozner Verwaltungsgericht nicht genügend Richter für dieses Verfahren findet.
Der fehlende Richter
Nach dem geltenden Stellenplan gibt es am Bozner Verwaltungsgericht acht Richter. Vier davon gehören der deutschen Sprachgruppe und vier der italienischen Sprachgruppe an. Nach den Bestimmungen muss jeder Richtersenat aus zwei deutschen und zwei italienischen Richtern zusammengesetzt sein.
In den vergangenen zwei Jahren hat man bei der Besetzung einer deutschen Richterstelle ein Trauerspiel aufgeführt. Nachdem der Landtag sich für Karl Reinstadler entscheiden hatte, wurde aus Bozen politisch interveniert, um seine Nominierung im Ministerrat und im CSM der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu blockieren. Mit Erfolg. Die Auswahl wurde wiederholt und vom Landtag wurde der Favorit der Regierungsmehrheit designiert: Michele Menestrina. Karl Reinstadler hat gegen seine Ausbootung vor dem Verwaltungsgericht Latium geklagt. Das Verfahren läuft noch.
Während auf italienischer Seite die vier Richterstellen besetzt sind, fehlt auf deutscher Seite, trotz der Menestrina-Ernennung, derzeit ein Richter. Denn diesen Sommer ist Richter Peter Michaeler am Verwaltungsgericht ausgeschieden. Nach schweren internen Differenzen hat Michaeler um seine Rückversetzung an das Bozner Landesgericht angesucht. Michaeler ist dort inzwischen als Vorverhandlungsrichter (GUP) tätig.
Die Befangenheit
Zur Richterknappheit gesellt sich beim Benko Rekurs aber ein zweites Problem. Ursprünglich gehörten Michele Menestrina und Margit Falk Ebner dem Richtersenat an. Beide Richter haben aber um Ersetzung angesucht, weil sie in diesem Fall befangen sind. Gerichtspräsidentin Edith Engl hat mit ihrem Dekret am Mittwoch beide Befangenheitsanträge angenommen.
Die Gründe für die Befangenheit liegen auf der Hand. Margit Falk-Ebner, der nachgesagt wird, dass sie bei der Vermeidung von Interessenskonflikten sehr aufmerksam ist, ist die Ehefrau des Athesia-Großaktionärs Toni Ebner. Die Richterin ist selbst Teilhaberin des Konzerns. Die „Athesia AG“ hat aber enge geschäftliche Beziehungen zum Einkaufszentrum „Twenty“, einem erklärten Konkurrenten des Benko-Großkaufhauses.
Bei Michele Menestrina ist es noch augenscheinlicher. Im City Center in der Südtiroler Straße befindet sich auch der Sitz der Anwaltssozietät PMAB. Die Abkürzung steht für die vier Partner Peter Platter, Michele Menestrina, Alexander Ausserer und Alexander Bauer. Mit dem Wechsel als Richter ans Verwaltungsgericht ist Menestrina inzwischen aus der Kanzlei ausgeschieden. Klar ist, dass er als Richter keinen Fall behandelt kann, in dem diese Sozietät auftritt. Im Rekurs gegen die KHB GmbH gehört sein früheres Anwaltsstudio aber zu den Einbringern und Interessierten.
1 Jahr Vertagung
Auch wenn Edith Engl dem Richtersenat angehört, fehlt für dieses Verfahren damit ein deutscher Richter. Und diesen wird es so schnell in der Gerstburg auch nicht geben.
Denn nach dem peinlichen Eiertanz um die Reinstadler/Menestrina-Ernennung hat die Politik den Ernennungsmodus völlig überarbeitet. Mit einem Legislativdekret des Ministerpräsidenten vom Mai 2017 wurde eine neue Ernennungsprozedur eingeführt.
Der Landtag schreibt eine Art Kundmachung für ein Auswahlverfahren aus. Alle Interessenten, die die vorgeschriebenen Kriterien erfüllen, werden von einer Fachkommission geprüft. Die Kommission, die beim Landtag angesiedelt ist, besteht aus einem Staatsrat, der vom Präsidialrat der Verwaltungsgerichtsbarkeit ernannt wird, aus einem Bozner Verwaltungsrichter, der vom dortigen Gerichtspräsidenten nominiert wird, aus einem vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Bozen ernannten Anwalt sowie aus einem vom Landtag ernannten Universitätsprofessor der Rechtswissenschaften.
Der Landtag schreibt eine Art Kundmachung für ein Auswahlverfahren aus. Alle Interessenten, die die vorgeschriebenen Kriterien erfüllen, werden von einer Fachkommission geprüft. Die Kommission, die beim Landtag angesiedelt ist, besteht aus einem Staatsrat, der vom Präsidialrat der Verwaltungsgerichtsbarkeit ernannt wird, aus einem Bozner Verwaltungsrichter, der vom dortigen Gerichtspräsidenten nominiert wird, aus einem vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Bozen ernannten Anwalt sowie aus einem vom Landtag ernannten Universitätsprofessor der Rechtswissenschaften.
Diese Kommission erstellt dann eine Liste, in der die geeigneten KandidatInnen alphabetisch und ohne Bewertung gereiht sind. Daraus wählt schließlich der Landtag einen Richter oder eine Richterin aus. Ernannt wird der Bozner Verwaltungsrichter dann schließlich per Dekret durch den Präsidenten der Republik.
Der Landtag ist dabei, das Auswahlverfahren für die Richterstelle in der Gerstburg auszuschreiben. Es gibt aber weder eine Fachkommission noch genaue Termine. Niemand weiß, wie lange diese Ernennungsprozedur dauern wird. Auch weil man sie jetzt zum ersten Mal anwendet.
Sicher ist: Es wird – wenn alles gut geht – mindestens ein Jahr vergehen, bis der neue Richter oder die neue Richterin in der Gerstburg sitzt. Und solange wird auch der Rekurs gegen das Benko-Projekt auf Eis gelegt.
Eine effiziente Verwaltungsjustiz sieht jedenfalls anders aus.
Please login to write a comment!
Um diese Inzestprobleme zu
Um diese Inzestprobleme zu verringern, könnte man das Gesetz so abändern, dass auch Richter aus Nordtirol und dem Trentino berufen werden können. Es würde ausreichen, wenn sie italienisches Recht studiert und auch sonst alle entsprechenden Voraussetzungen für das Amt vorweisen können.
In reply to Um diese Inzestprobleme zu by Sigmund Kripp
Ich glaube kaum, dass es in
Ich glaube kaum, dass es in Nordtirol Richter gibt welche sich im Studium mit italienischen Verwaltungsrecht ausgiebig auseinandergesetzt haben. Genau so wenig wird es Richter im Trentino geben welche der deutschsprachigen Gruppe angehören, bzw. nehmen diese, falls vorhanden, sicher schon an den Wettbewerben für diese Stellen teil.
Dass am Ende immer noch der Landtag über die Richterstellen entscheidet, ist und bleibt äußerst fragwürdig.