Society | Fotografie-Kurs

Ein kritischer Blick

Gerwald Wallnöfer, Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der unibz im Interview.
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.
Gerwald Wallnoefer
Foto: Daniele Frusone

Gerwald Wallnöfer, Pädagoge an der Fakultät für Bildungswissenshaften der unibz und begeisterter Fotograf, hält im Studiengang für Kommunikationswissenschaften einen Workshop, wie Bildsprache funktioniert. Im Interview erklärt er, worauf es beim Bildkonsum ankommt und inwiefern ein kritischer Blick auf Fotografie auch einen pädagogischen Mehrwert haben kann.

 

Eigentlich sind Sie ja Pädagoge. Früher haben Sie sich vor allem mit Frühpädagogik beschäftigt. Eine von ihnen häufig geäußerte Kritik ist die unzureichende „Professionalisierung“ von angehenden KindergärtnerInnen. Hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren in unserem Hochschulsystem was getan?

Diese Diskussion wurde, um die Jahrtausendwende herum, durch mehrere Faktoren und auf internationaler Ebene ausgelöst. Das waren auf der einen Seite die groß angelegten Bildungsstudien, wie zum Beispiel Pisa oder die OECD Studienreihe Education at a glance, auf der anderen Seite die rasanten Fortschritte in der Gehirnforschung, auf der Grundlage bildgebender Verfahren. Wir waren in Brixen die ersten, die im deutschsprachigen Raum, den Empfehlungen der OECD folgend, Frühpädagoginnen gemeinsam mit Lehrerinnen auf Hochschulebene ausgebildet haben. Inzwischen wurde dieser Pionierstudiengang in enger Zusammenarbeit mit den Schulämtern umfassend reformiert. Seit meiner vehementen Kritik Ende der 90er Jahre hat sich also sehr viel getan. Die ersten Jahre sind nämlich die prägenden. Sie bilden die Grundlage für die lebenslange Lernfähigkeit und Lernbereitschaft eines Menschen. Gerade diese frühen Jahre wurden aber lange unterschätzt und vernachlässigt.

 

Was muss also ein Pädagoge, der Kinder in diesen frühen Jahren betreut, an Fachkenntnissen bzw. Fähigkeiten mitnehmen? Und wie kann man angehende Pädagogen an Hochschulen am besten darauf vorbereiten?

Vielfach wird angenommen, dass die Arbeit mit kleinen Kindern nur kleine Kompetenzen erfordert. Das Gegenteil ist der Fall. Kleine Kinder können ihre Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse noch nicht differenziert sprachlich formulieren. Beobachtungs- und Einfühlungsvermögen verbunden mit fundiertem Wissen über die Entwicklung von Kleinkindern ist eine wesentliche Voraussetzung. Hinzu kommen praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Beispiel in den Bereichen Bewegung und Musik. Eine immer größere Bedeutung gewinnt der Bereich der Elternarbeit und der Beratungskompetenzen in Erziehungsfragen. Die Vorbereitung muss in einem ausgewogenen Verhältnis theoretische und praktische Kompetenzen verknüpfen und die Fähigkeit zur Selbstreflexion und lebenslangem Lernen einschließen.

 

Sie geben nun auch Kurse zum Thema Fotografie im Studiengang Kommunikationswissenschaften. Wie kam es denn zu dieser plötzlichen Wende? Wie kamen sie auf die Idee?

Wenn wir von der Lebensrealität der Kinder ausgehen, wird schnell klar, dass Bilder und die moderne Bildsprache prägend für den Blick auf die Welt sind. Insofern entspricht dieser Ansatz meinem Leitmotiv einer Pädagogik, die vom Kind ausgeht und seine Perspektive zum Ausgangspunkt hat.

 

In Ihrem Workshop geht es nicht nur darum, Grundlagen der Fotografie und der Bildbearbeitung zu erhalten, sondern auch darum, wie Bildsprache funktioniert. Welche Macht hat Bildsprache?

Von der Werbung bis zu den Nachrichten sind Bilder entscheidend für den bleibenden Eindruck einer Botschaft. Ein Großteil der Wirkung bleibt im Unterbewusstsein. Wenn wir bewusst fotografieren und Bilder bearbeiten, erfahren wir sehr viel über diese unbewusste Beeinflussung und wie sie entsteht. Wir werden somit kreative Akteure und verharren nicht in einer Position passiver Konsumenten. Die Analyse der Bildsprache ermöglicht uns eine kritische Distanz, wir können uns dem manipulativen Einfluss eher entziehen.

 

Wie kann man Bildsprache richtig analysieren?

Das ist ein sehr komplexer Vorgang, weil Bilder eine Reihe von Assoziationen auslösen. Diese sind kulturell-historisch geprägt und werden auf der Folie unserer Vorerfahrungen interpretiert. Wenn wir zum Beispiel alte Bilder ansehen merken wir sofort, wie schnell sich die Vorstellungen bezüglich Schönheitsidealen ändern.

 

Auf welche Art von Bildsprache gehen sie ein? Politische Inszenierung der Öffentlichkeit durch Bildsprache z.B.? Oder eher mediale Wirkung von Bildsprache? Oder bleiben Sie auf der rein künstlerischer Ebene?

Wir fotografieren uns selbst und bearbeiten die Fotos anschließend mit den aktuellsten Softwarepaketen zur Bildbearbeitung. Dies beinhaltet natürlich auch alle Formen der Bildmanipulation. Wir können so zum Beispiel zeigen, wie aus einem normalen Foto ein Bild im Format eines Hochglanzmagazins entsteht. Das schafft Distanz zu dieser Bildwelt, weil wir das Original genau kennen und es eröffnet kreative bis künstlerische Möglichkeiten.

 

Inwiefern ändert sich „Bildsprache“ in der heutigen digitalisierten Welt. Ist es noch dieselbe wie vor 20 Jahren?

Die Bildsprache ändert sich radikal durch die ständige Verfügbarkeit von Aufnahmegeräten, wie zum Beispiel Smartphones und die Möglichkeit in Echtzeit Fotos mit Freunden zu teilen. Hinzu kommen die sich ständig erweiternden Möglichkeiten der Bildmanipulation. Es wird immer unklarer, was wirklich ist und was nicht. Diese Verflüssigung von Wirklichkeit verändert unsere Wahrnehmung und unser Denken viel tiefer, als wir uns bisher bewusst sind.

 

Hat die Disziplin der Fotografie auch einen pädagogischen Mehrwert, also kann es bei der Erziehung von Kindern positiv beitragen? Beziehungsweise ist es möglich, die beiden Disziplinen Pädagogik und Bildsprache/Fotografie fachlich zu verbinden?

Kinder haben ein natürliches Interesse die Welt zu entdecken. Die Orientierung in der Wirklichkeit gehört zu den wichtigsten menschlichen Fähigkeiten. Diese Wirklichkeit ist zunehmend virtuell, Bilder prägen unsere Vorstellung von der Welt nachhaltig. Entstehung, Verarbeitung und Wirkmechanismen dieser Bilder bleiben uns in der Regel verborgen. Je mehr Kinder darüber erfahren, desto eher können sie kritisch damit umgehen. Hinzu kommt die fantastische Möglichkeit Bilder selbst zu generieren und damit aus der passiven Konsumentenrolle herauszutreten und in eine aktive kreative Rolle zu wechseln.

 

Haben Sie schon mal Bildsprache in Kinderbüchern/Filmen/Serien usw. analysiert? Kann man dort bestimmte Elemente als didaktisch/pädagogisch geeigneter extrahieren wie andere?

Dazu gibt es sehr interessante interdisziplinäre Forschungsansätze an der Schnittstelle zwischen Kunst, Design und Pädagogik. Weltweit wird die Bedeutung der Verknüpfung von Pädagogik und Kreativitätsförderung immer stärker betont. Die Europäische Pädagogik gilt in dieser Hinsicht als vorbildhaft.