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Dichter aus dem Karst

Der Schriftsteller Scipio Slataper suchte nach seiner Identität und fand den Tod im 1. Weltkrieg.
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Foto: Wikipedia

Scipio Slataper kam 1888 im heute italienischen Triest zur Welt. Damals diente die Stadt als Überseehafen der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Die Zerrissenheit des an Triest angrenzenden Karst zwischen drei Nationen prägte auch das Leben Slatapers, der sich als „Slawe, Deutscher, Italiener“ sah: „Del sangue slavo ho in me le nostalgie strane, un desiderio nuovo di foreste abbandonate, una sentimentalità bisognosa di carezze, di compiacimenti, un sognare infinito e senza confini. Del sangue tedesco ho l'ostinazione mulesca, la voglia e il tono dittatoriale, la sicurezza dei miei piani, la noia di dover accettare discussione, un desiderio di dominazione, di forza. Questi elementi son fusi nel sangue italiano, che cerca di armonizzarli, di equilibrarli, di farmi diventar «classico», formato, endecasillabo invece che metro libero.“

Was blieb dem Autor auch anderes übrig, nachdem ihn seine Freundin auf tragische Weise verlassen hatte?

Slatapers bekanntestes Werk, 1912 erstmals veröffentlicht, heißt Il mio carso. Eine deutsche Übersetzung gibt es auch. Sie stammt von der Romanistin Ilse Pollack und erschien unter dem Titel Mein Karst. Auch diese Übersetzung ist vollauf gelungen - bis auf den Titel vielleicht: Der Wiener Schriftsteller und ausgewiesene Karstkenner Beppo Beyerl meint, das Buch hätte besser Der Karst in mir geheißen. Zu sehr, findet Beyerl, hatte Slataper die karge Landschaft in sich aufgenommen und sein Inneres für alles andere verschlossen. Freilich könnte Pollack entgegenhalten, unter dem von Beyerl präferierten Titel sei bereits eine deutsche Übersetzung der Werke des zweiten großen Karstdichters jener Zeit, des nicht weit von Triest im slowenischen Tomaj aufgewachsenen Srečko Kosovel, erschienen.


Was blieb dem Autor auch anderes übrig, nachdem ihn seine Freundin auf tragische Weise verlassen hatte? In ihrem Abschiedsbrief schrieb Anna Pulitzer: "Scipio, ich liebe dich auf ewig. Das soll für dein Werk sein. Ich erwarte es." Dann brachte sie sich um. Ersatz fand der Alleingelassene zwar noch, als er Luisa Carniel heiratete und sogar ein Kind mit ihr in die Welt setzte. Doch schien Slataper der Idylle nicht über den Weg zu trauen. 
Wirklich erwärmen mochte sich sein erkaltetes Herz nur noch einmal, und das sehr kurz: für sein Heimatland Italien, 1915 in den Ersten Weltkrieg eingetreten, um sich in der Folge mit dem Erzfeind Österreich zwölf blutige Schlachten entlang des Gebirgsflusses Soča, italienisch: Isonzo, zu liefern. Im Frühling hatte sich Slataper freiwillig gemeldet, im Herbst seine letzten Illusionen hinsichtlich eines gerechten Krieges eingebüßt. Mit allen und allem stand er auf Kriegsfuß, selbst sein eigenes Dasein war nicht mehr vor ihm sicher. 

Sein Grab hat Slataper, wo sonst?, im Karst gefunden, an der Stelle, an der er starb.

Mehr als eine halbe Million italienischer Soldaten ließen in den kommenden drei Jahren an der Isonzofront ihr Leben. Slataper war einer von ihnen. Am 3. Dezember 1915 meldete sich der von glühendem Nationalismus gründlich Kurierte, des stumpfsinnigen gegenseitigen Abschlachtens müde, zu einem Himmelfahrtskommando. Dieses letzte Abenteuer sollte er nicht überstehen. Es zerriss ihn, als ein bosnischer Soldat in k.u.k. Diensten – auch so ein verlorener Sohn, durfte er doch nicht einmal für sein Heimatland kämpfen! – eine Handgranate in seine Richtung schleuderte. 
"Bevor ich noch in den Karst hinaufgegangen bin", schrieb der Dichter einmal über seinen Geburtsort Triest, "langweilte ich mich sehr in der Stadt." Der Tod schien dem Verzweifelten, dem nur 27 Jahre auf dieser Welt beschieden waren, das erträglichere Schicksal. Er fand ihn im Karst, auf einem der die Grenzstadt Gorizia/Gorica/Görz umgebenden Hügel, der auf den Militärkarten die Ordnungszahl 188 trug.


„Mein Karst ist hart und gut“, befand Slataper. „Jeder Grashalm hat den Fels gespalten um zu sprießen, jede seiner Blumen hat die Glut getrunken, um sich zu öffnen, Deshalb ist seine Milch gesund und sein Honig wohlriechend.“  Sein Grab hat Slataper, wo sonst?, im Karst gefunden, an der Stelle, an der er starb. Das mag ihm Trost gewesen sein, mehr wohl als die Inschrift auf dem Stein zu Ehren des Sottoteniente: „per la libertà del suo Carso - per la grandezza d'Italia - visse nobilmente - eroicamente cadde.“ Selber hätte der Dichter vielleicht eine poetischere Version gewählt, entlehnt aus Il mio carso: „Ich bin eine süße Beute, vom Wunsch erfüllt, sich in der Natur zu verschlingen.“ 

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Hartmuth Staffler Thu, 12/02/2021 - 15:25

Auch ich habe diesen Artikel geschätzt, zumal ich diese Welt kenne und in Triest einige gute Bekannte habe. Auch die interessanten historischen Ausstellungen im ehemaligen Fischmarkt von Triest lasse ich mir nicht entgehen. Mein besonderes Gedenken gilt in Triest auch immer dem von den Faschisten aus dem Amt geprügelten Bischof, dessen Schicksal ja unseren Bischof Geisler zur Option bewogen hat, bevor ihm ein unmittelbar bevorstehendes ähnliches Schicksal ereilt hätte. Das wollen natürlich unsere italophilen Historiker, die mit Ehrungen überhäuft werden, gar nicht hören. Starker Tobak, fürwahr.

Thu, 12/02/2021 - 15:25 Permalink