Politics | Interview

“Südtirol ist wie China”

Für Sergio Armanini ist SVP-Lega in Meran nicht vom Tisch. Der Leghista bietet Richard Stampfl das Parteikartl an und sieht die Lega als “einzige Mitte-Rechts-Partei”.
Sergio Armanini
Foto: Facebook/Sergio Armanini

Von der SVP kam eine klare Absage: Nie mit der Lega, so die Devise von Richard Stampfl und der Meraner Volkspartei. Sergio Armanini lässt das kalt. Der 2018 in den Gemeinderat nachgerückte Meraner Leghista koordiniert den Wahlkampf in Meran und sieht seine Partei in der nächsten Stadtregierung. Aber mit wem?

salto.bz: Herr Armanini, in Meran werden zur Zeit Bündnisse für die Gemeinderatswahlen geschmiedet. La Civica und Alleanza per Merano stellen einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten, Dario Dal Medico. Paul Rösch und die Grünen präsentieren am heutigen Donnerstag ihre Allianz mit Team K.

Sergio Armanini: Ich weiß nicht, ob das Team K gleich in der ersten Runde Paul Rösch unterstützen wird. Ich habe Francesca Schir angeraten – wir sind Freunde, auch wenn wir unterschiedlicher politischer Couleur sind –, im ersten Wahlgang alleine zu gehen.

Sie sehen Francesca Schir als geeignete Bürgermeisterkandidatin?

Sie ist eine sehr dynamische Frau, spricht deutsch und italienisch. Aber die Entscheidung wird wohl der Vorstand von Team K fällen.

Francesca Schir hat diese Woche die Lega als “nachgiebigen Partner” der SVP in der Landesregierung herabgetan.

Das gehört zu den politischen Spielchen.

Wir sind bereit, Richard Stampfl unser Parteikartl auszustellen

Dass sich mit La Civica eine eher links- und Alleanza per Merano eine rechtsgerichtete Liste verbünden, könnte am Ende der Lega in die Hände spielen. Weil sich Mitte-Rechts-Wähler abwenden.

Die erste Reaktion der Mitbürger, die tendenziell Mitte-Rechts sind, ist, war Verärgerung. Speziell was Alleanza per Merano anbelangt. Die Liste wurde 2010 geboren, weil sich damals Alleanza Nazionale, PdL und wie sie alle hießen, zerstritten haben. Alleanza per Merano war eine Bürgerliste mit einer ganz klaren Mitte-Rechts-DNA. Heute hat sie sich – in meinen Augen – mit der Civica rein nur wegen der poltrone zusammengetan.

Sie sagen, es geht den beiden Listen um die Macht – im Falle von La Civica wieder an die Macht zu kommen und im Falle von Alleanza per Merano an der Macht zu bleiben?

Schauen Sie sich den Bürgermeisterkandidaten an: Dario Dal Medico ist in seiner Anwaltskanzlei der Sozius vom La-Civica-Vertreter Giorgio Balzarini. Balzarini und Andrea Casolari haben bei den letzten Parlamentswahlen und bei den Landtagswahlen 2018 für den PD kandidiert. Wenn sich jemand – ich spreche von Alleanza per Merano – derart herabsetzt, in der Hoffnung, dass er sein Plätzchen sichern kann, dass er mit der Civica eine Hochzeit eingeht, ergibt das im Gegenzug die Situation, dass die einzige Partei, die in Meran klar Mitte-Rechts ist, die Lega ist. Es gibt niemand anderen.

Da sind noch Fratelli d’Italia und der ihr nahestehende Alto Adige nel Cuore. Alessandro Urzì wirbt für eine Allianz mit der Lega. Auf nationaler Ebene gibt es ja eine deutliche Annäherung zwischen Fratelli d’Italia und Lega. Warum nicht in Meran?

Es gibt einen kleinen Unterschied zwischen dem, was national und dem, was lokal passiert. Denn Südtirol hat eine einzigartige Situation, die mit China vergleichbar ist: Seit 70 Jahren ist dieselbe Partei an der Macht, die Südtiroler Volkspartei. In einem gesamtstaatlichen Bild muss man diese einzigartige Situation in Südtirol berücksichtigen. Auf Stadtebene kann ich sagen, dass alles offen ist. Ich habe erst am Dienstag mit Alessandro Urzì telefoniert.

Wann wird feststehen, ob und mit wem eventuell die Lega gemeinsam antritt?

Das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Sicher ist es noch nicht. Aber die Tendenz ist, dass die Lega alleine gehen wird.

Warum?

Es gibt einen gravierenden Unterschied: Fratelli d’Italia ist nationalistisch eingestellt, sie sagen “L’Italia è solo una”. Wir hingegen sind föderalistisch eingestellt. Für Meran – das ist meine persönliche Einstellung – könnte es sicherlich nicht interessant sein, mit Fratelli d’Italia gemeinsame Sache zu machen. Im Gegenteil: Diese Option könnte Südtirolerinnen und Südtiroler abschrecken, der Lega ihr Vertrauen zu schenken, die unter anderem die einzige Partei ist, die sich heute in Meran präsentiert, die noch nie in der Stadt an der Macht war. Die SVP hat unmöglich lange regiert, das Wahlprogramm ist immer dieselbe Suppe – Verkehr in Ordnung bringen, Sicherheit usw. –, aber getan haben sie auch in den letzten fünf Jahren in der Mehrheit gar nichts. Die Grünen idem. Die beiden Bürgerlisten waren von 2010 bis 2015 beide an der Macht, Alleanza per Merano auch danach – und gemacht wurde relativ wenig.

Bürgerwehren können als letzte Ratio sicherlich eine Lösung sein

Der unabhängige Bürgermeisterkandidat der SVP, Richard Stampfl, hat zuletzt eine Regierungskoalition mit der Lega kategorisch ausgeschlossen. Die Lega betreibe “populistische Angstmacherei” und mache Politik “gegen die Menschen”. Was sagen Sie dazu?

Richard Stampfl hat noch nicht begriffen, dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden werden. Mit ihrer Stimme werden sie die Möglichkeit haben, diese desaströse Stadtregierung nach Hause zu schicken. Und da die letzten Äußerungen des SVP-Bürgermeisterkandidaten perfettamente in linea mit unseren sind, sind wir bereit, ihm unser Parteikartl auszustellen. Wissen Sie, das Problem von Herrn Stampfl – aber nicht nur von ihm, sondern von vielen – ist dieses Schubladendenken. Er hat ja ganz klar gesagt, dass er sich von der Lega distanziert und zwar vor dem Hintergrund, dass die Anschauungen der Lega zu extrem seien.

Sind sie nicht?

Gehen wir einmal ins Detail: Wenn es zu extrem ist, den Menschenhandel zu blockieren, dann bin ich glücklich, extrem zu sein. Wir sagen, dass Menschen, die vor Krieg oder sonstigen Bedrohungen fliehen – die anderen wollen wir nicht haben –, mit dem Flugzeug kommen müssen und nicht auf einem Boot. Diesen Menschen muss geholfen werden und in Südtirol brauchen wir Migration. Aber wir fordern, dass es eine kontrollierte Migration ist. Das hat, glaube ich, nichts mit Extremismus zu tun. Stampfl, aber auch andere, machen es sich mit ihrem Schubladendenken ein bisschen zu einfach.

Wie glaubwürdig ist ein Nein der SVP zur Lega in Meran, wenn die beiden Parteien auf Landesebene zusammen regieren – und das durchaus gut, wie Landeshauptmann und Parteiobmann betonen?

Ich habe mir vor einigen Wochen eine Liste mit all den Sachen zusammenstellen lassen, die die Lega-Assessoren in einem Jahr in der Landesregierung gemacht hat. Daraus sind 14 Seiten geworden, geschrieben in Arial, Schriftgröße 11. Für mich war das ein Beleg dafür, dass die Zusammenarbeit nicht nur sehr gut funktioniert und man im gemeinsamen Boot Dinge verwirklichen kann, sondern dass in einem Jahr Lega sehr, sehr viel für die Südtirolerinnen und Südtiroler gemacht wurde. Die Meraner SVP ist wie bei Asterix und Obelix das kleine gallische Dorf. Sie wollen alleine gehen und haben ihre eigenen Fantasien. Der kleine Unterschied ist aber: Den Zaubertrank haben sie nicht.

Wie meinen Sie das?

Jede Meranerin und jeder Meraner merkt, dass es ein Sicherheitsproblem in unserer Stadt gibt – und die SVP hat nichts gemacht. Das Sicherheitsproblem hat nichts, gar nichts mit der Migration zu tun. Kriminalität hat keine Hautfarbe. Sogar ich merke, dass ich schneller gehe wenn ich auf der Straße unterwegs bin. Ich bin 50 Jahre alt und ein Mann – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!

 

Warum fühlen Sie sich unsicher?

Es ist ein Bauchgefühl, das man lösen kann, indem man den Menschen Sicherheit bietet, aber nicht indem man das Problem klein redet. Das machen die linksgerichteten Parteien gerne. Und wenn Herr Stampfl heute herkommt und sagt, wir müssen mehr Kameras platzieren und die Beleuchtung in bestimmten Zonen erhöhen, dann sollte er sich doch einmal das Programm der Lega von 2010 anschauen! Bereits damals haben wir das gefordert. Da war die Volkspartei an der Macht. Bewegt hat sich gar nichts. Auch in den letzten fünf Jahren, als die Volkspartei die zweitstärkste Kraft in der Stadtregierung war und entsprechend konkrete Maßnahmen hätte setzen können, ist gar nichts passiert. Das Angebot an Stampfl, ihm das Parteikartl der Lega zu geben, kommt deshalb, weil er Themen vorgibt, die eigentlich typisch Lega sind.

Die Lega geht im Gegensatz zur SVP aber weiter und denkt sogar laut über Bürgerwehren nach. Ist es wirklich notwendig, dass Privatpersonen Zuständigkeiten übernehmen, die in einem Rechtsstaat bei der Exekutive liegen?

Ich erzähle Ihnen eine Nuance, die logischerweise niemand erzählen will: Wir haben ein sehr großes Personalproblem bei der Staatspolizei. Laut meinen Informationen werden in den kommenden Jahren 14 Polizisten in Rente gehen. Bei den Carabinieri schaut es nicht viel besser aus. Heute springt zum Teil die Stadtpolizei ein.

Und deshalb braucht es Bürgerwehren?

Während des Meraner Christkindlmarkts zum Beispiel werden Leute eingestellt – zum Teil pensionierte Polizeibeamte oder Carabinieri –, die dort mithelfen, um Taschendiebstähle und ähnliches zu reduzieren. Eine Bürgerwehr ist auf jeden Fall eine extreme und letzte Ratio. Aber wenn das nötig ist, nicht nur um das Sicherheitsgefühl für die Meranerinnen und Meraner zu erhöhen, sondern auch um die Kriminalität ein bisschen zu unterbinden, weil sich diese Herrschaften gestört fühlen, kann das als letzte Ratio sicherlich eine Lösung sein. Aber ganz ehrlich: Wenn wir Kameras aufstellen und in bestimmten Zonen die Beleuchtung wesentlich verstärken würden, wäre das in meinen Augen schon ein sehr starkes und gutes Werkzeug, um die Kriminalität zu reduzieren.

Einige unserer Kandidaten werden unter Druck gesetzt

2015 hat die Lega bei den Gemeinderatswahlen in Meran 7 Prozent erhalten, bei den Landtagswahlen 2018 waren es 20,4, bei den Europawahlen 26,5 Prozent. Was ist das Ziel bei den diesjährigen Gemeinderatswahlen?

Das Ziel ist, dass uns genügend Meranerinnen und Meraner vertrauen und uns die Chance geben, an die Regierung zu kommen, sprich, nicht fünf Jahre in der Opposition zu verbringen. Dass sie uns das Vertrauen schenken, als frische Partei, von der nicht nur bla bla bla kommt, in die Stadtregierung zu kommen. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass man all die Problematiken, die die Bürgerinnen und Bürger vorbringen, ernst nimmt und etwas unternimmt.

Auch wenn das Ergebnis der Lega entsprechend ausfallen sollte – Stand heute scheint keine der großen Parteien bzw. Bündnisse, also weder SVP noch Rösch-Grüne-Team K Ihre Partei als Partnerin zu wollen. Wie soll die Lega da regieren können?

Ich sehe die Möglichkeit auf jeden Fall vorhanden. Denn nachdem wir auf Gemeindeebene ein rein proportionales Wahlsystem haben, werden im ersten Wahlgang die Gemeinderäte bestimmt. Und wenn die Anzahl der Lega-Gemeinderäte genügt, bestehen auch die Prämissen für eine Regierungsbeteiligung. Denn Wahlen sollen – deshalb gibt es ja Gott sei Dank eine Demokratie – letztendlich den Willen der Bevölkerung abbilden. Ich sehe die Möglichkeit gegeben, dass man in Meran eine programmatische Koalition nach demselben Modell aufbauen kann, wie es es auf Landesebene zwischen Lega und SVP gibt.

Wer wird Bürgermeisterkandidat der Lega in Meran?

Wenn ich das wüsste…

Sie selbst sind im Gespräch. Ebenso wie Karl Martinelli, der nach dem Ausscheiden seiner Lebensgefährtin Rita Mattei, die 2018 in den Landtag gewählt wurde, für Sie auf das Nachrücken in den Gemeinderat verzichtet hat.

Schauen Sie, ich bin der Verantwortliche für die Wahlen in Meran, dem Burggrafenamt und im Vinschgau – denn wir werden uns nicht nur in Meran präsentieren – und höre von allen Seiten Stimmen. Tatsache ist, dass wir aktuell drei Personen in der engeren Auswahl haben. Aber die Entscheidungsfindung wird intern fallen.

Wer entscheidet über den Bürgermeisterkandidaten?

Zuerst die Meraner Ortsgruppe. Dann wird gegebenenfalls der Kommissar der Südtiroler Lega, Maurizio Bosatra, seinen Sanctus geben bzw. wird das – und das, obwohl Meran eine Stadt mit 40.000 Einwohnern ist – in den höchsten Gremien in Mailand beschlossen. In der Meraner Ortsgruppe wird derzeit über drei Personen geredet und wir werden nächste oder übernächste Woche eine endgültige Sitzung haben, wo über die Kandidaten abgestimmt wird. Denn es hilft nichts, wenn du einen Kapitän definiert hast, aber die Mannschaft gegen dich ist.

Wer sind diese drei Personen?

Der Name Karl Martinelli wurde schon genannt. Wobei ich sage, er hat sich nie zur Verfügung gestellt als Bürgermeisterkandidat für die Partei aktiv zu werden.

Die Lega ist die einzige Partei in Meran, die klar Mitte-Rechts ist

Die Lega ist seit einiger Zeit mit Wahlständen fleißig in Meran unterwegs, um mit den Menschen zu sprechen.

Das sind wir das ganze Jahr über, nicht nur einen Monat vor den Wahlen!

Wie erleben Sie die Meranerinnen und Meraner? Wer kommt überhaupt zu Ihnen?

Der Zuspruch ist interethnisch. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben verstanden, was vielleicht einige Politiker noch nicht verstanden haben: dass es nicht um Sprachgruppenzugehörigkeiten geht, sondern um Bedürfnisse, die jeden betreffen – und zwar wirklich jeden. Es kommen nicht nur Italiener und Deutsche zu uns, sondern auch sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund bringen ihre Problematiken vor. Wir haben unter anderem schon seit einer Weile für alle, die zu unserem Stand kommen, einen A5-Flyer, wo draufsteht “Dillo alla Lega” (deutsch:“Sag’ es der Lega”, Anm.d.Red.), wo die Personen zum einen Makrothemen aussuchen und zum anderen klar angeben können, wo der Schuh drückt. All das wird ins Wahlprogramm der Lega eingearbeitet. Denn Volksnähe ist für uns das wichtigste.

Wo tritt die Lega in der westlichen Landeshälfte außer in Meran am 3. Mai noch an? Von Schlanders war die Rede, und von Naturns?

Die Situation ist sehr volatil. Denn einige Kandidaten wurden unter Druck gesetzt – nach dem Motto “Wenn du für die Lega kandidierst, gehe ich bei dir nicht mehr einkaufen”. Und das ist nicht lustig. Aber in Dörfern, wo jeder jeden kennt, kann so etwas leider passieren. In den kommenden Tagen gibt es eine Sitzung der Ortsgruppe Vinschgau, dann eine der Ortsgruppe Meran, zu der Kandidaten aus anderen Ortsgruppen kommen. Aber es ist alles noch sehr volatil, weil eben diese Problematik – es lebe die Demokratie! (Armanini sagt diesen Satz mit ironischem Unterton, Anm.d.Red.) – vorhanden ist, dass Menschen unter Druck gesetzt werden, wenn sie ihre politische Ideologie kund geben und ihr Gesicht zeigen wollen. Es ist zach. Aber so ist es.

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19 amet Thu, 02/27/2020 - 08:43

Das mit dem Parteikartl ist eine gute Idee. Dann kann der Stampfl weiter seine Pension geniessen. Und auch die Bürgerwehren sind genial.Sie sind grandios in Padanien gescheitert aber zum plodern eignen sie sich gut. Ein Verantwortlicher, der 2 Monate vor der Wahl,noch nicht weiss wo seine Partei kandidiert und mit wem, ist der beste Garant für den Wahlerfolg.

Thu, 02/27/2020 - 08:43 Permalink