Environment | Mischkulturen

Nicht nur Wein und Oliven

Agroforst mit Beeren und Heilkräutern, Wurzelgemüse und Kastanien, all das wird ebenfalls in der Toskana angebaut: ein Lokalaugenschein.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Bioland Südtirol

Tag 1: Gaiole in Chianti
„La scoscesa“ (zu Deutsch„steiles Gelände“) ist ein wirklich treffender Begriff für den von Lorenzo Costa vor vier Jahren in Gaiole in Chianti gegründeten Betrieb. Mitten im Herzen der Toskana erstreckt sich der Betrieb über eine 9 ha große Fläche und ist gekennzeichnet durch zahlreiche Terrassen in Hanglage. In der für den Wein bekannten Region Chianti ist Lorenzos „La scoscesa“ hier weit und breit der einzige Gemüsebaubetrieb zwischen den vielen Weinbergen und Olivenhainen.
Der hohe Kalkgehalt im Boden treibt zwar den pH-Wert merklich in die Höhe, ist aber für den einzigartigen Geschmack des von Lorenzo angebauten Gemüses verantwortlich. Um den pH-Wert für kalkempfindliche Gemüsearten wie Gurke oder Zucchini zu senken und auf natürliche Weise Schwefel anzureichern, fermentiert Lorenzo Knoblauch und Kohl und appliziert die Fermente auf kalkempfindliche Kulturen.


Ein weiteres Charakteristikum seines Betriebes sind die markanten historischen Trockenmauern, die die Terrassennutzung möglich machen. In der Instandhaltung der Mauern steckt eine große Menge Arbeit, der sich Lorenzo in der kurzen Winterpause von zwei Monaten widmet. Die Mauern ermöglichen den Anbau und die Ernte von Bohnen bis in den Dezember, da sich der Fels auch bei Minusgraden in der Lufttemperatur, noch ausreichend erwärmt.
Die Hälfte des Betriebes ist von einem lichten Wald bedeckt, der als Agroforst System genutzt wird. Es werden hier unter anderem Rote Johannisbeeren, Erdbeeren, Stachelbeeren, Rucola und Heilkräuter entlang der Wege angebaut. Außerdem erntet Lorenzo 80 verschiedene Wildpflanzen im Wald, die er an seine Kunden in der Gastronomie verkauft. Unter den Eichen hat er auch einige Beete angelegt, die er mit Wurzelgemüse für Sterneköche bepflanzt.
Als eine Herausforderung stellt sich für Lorenzo der Schutz seines Gemüses vor Wildtieren dar. Nachtaktive Tiere wie Dachse, Damwild, Stachelschweine, Wildschweine schaffen es manchmal die Umzäunung zu passieren und suchen nachts in seinen Gemüsebeeten wühlend nach Regenwürmern. 


Lorenzo versucht Schritt für Schritt die Bodenfruchtbarkeit sukzessive zu steigern. Dabei bemüht er sich die gegebenen Ressourcen so gut wie möglich zu nutzen und setzt beispielsweise kompostierte Olivenblätter oder Kastaniensägemehl als Mulchmaterial auf seinen Flächen ein. Bei der Beurteilung der Bodenaktivität orientiert er sich an der Regenwurmpopulation seiner Beete. Über die ersten vier Jahre hat er es geschafft de Populationsgröße der Regenwürmer von 3 auf 40 Individuen pro m2 zu steigern.
Besonder viele Gedanken macht sich Lorenzo für die Handhabung mit dem knappen Gut Wasser auf seinem Betrieb. Er hat über die Jahre ein ausgeklügeltes System angelegt. Sein Motto lautet: „Wasser verlangsamen und infiltrieren“, damit das immer wenig werdendes Wasser nicht verloren geht. Bisher hat er zahrleiche Kanäle und 19 Rückhaltebecken verschiedener Größe für Regen- und Grundwasser geschaffen, die der Richtung der natürlichen Wasserbewegung folgen.  Er ist gespannt, zu erfahren, wie seine Strukturen im Laufe der Zeit den Wasserhaushalt des Betriebes beeinflussen werden. 

 

 

Tag 2: Caprese Michelangelo
Adelaide Valentini strahlt viel Optimismus aus und ist voller Tatendrang. Sie hat zahlreiche Ideen und Projekte im Kopf und man spürt ihre intrinsische Motivation, ihre Träume Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen. Nach dem Studium der Agrarwissenschaften, einer Permakultur Ausbildung und einigen Auslandsaufenthalten entschied sie sich dafür ihr eigenes Projekt umzusetzen.
In der Nähe ihrer ehemaligen Heimat in der Toskana ist sie dabei ihr eigenes kleines Paradies, eingebettet in der harmonischen Hügellandschaft der Apenninen-Ausläufer auf 400 m.ü.d.M., aufzubauen. Ihre Vision ist es ein naturverbundenes und nachhaltiges System in Form eines biointensiven Gemüsebaubetriebes aufzubauen. Sie nennt ihren Betrieb „Mamanui“, der Name vereint die mütterliche Fürsorge mit dem hawaiianischen Begriff „nui“, der für Revitalisierung steht. 

 


Gemeinsam mit ihrem Freund stellt sie sich den gar nicht einfachen gegebenen Ausgangsbedingungen in Caprese Michelangelo. Hier gibt es eine überschaubare Nachfrage an Biogemüse und einen kargen, leicht zur Verdichtung neigenden schweren Boden. Manche Bodenanalyse hat einen sehr geringen Nährstoffgehalt des Bodens bestätigt. Adelaide will auf lange Sicht die Fruchtbarkeit des Bodens erhöhen, in dem sie den Anteil an Kohlenstoff und organischem Material mit natürlichen, regenerativen Maßnahmen erhöht. Mithilfe von Wirtschaftsdüngern aus der Umgebung und der Einsaat von Gründüngungen auf ihren permanenten Beeten soll der Boden wiederbelebt werden. 
Ein Folientunnel ermöglicht Adelaide einen Monat früher mit der Ernte diverser Nachtschattengewächse wie Tomaten, Paprika und Melanzane zu beginnen. Was den Anbau von selteneren Gemüsearten anbelangt, darf Adelaide nicht allzu experimentierfreudig sein, da ihre Kunden, bei uns weit verbreitete Arten wie Hokkaido-Kürbisse und manches Wurzelgemüse wie Rote Bete oder Pastinaken, ablehnen.
Die bescheidene Nachfrage an Gemüse ist damit zu begründen, dass alle Bewohner in näherer Umgebung selbst einen Garten besitzen. Mögliche Nischen für die Zukunft wären hier eine Spezialisierung auf Wintergemüse oder die Vermarktung und Bekanntmachung des Betriebes für die Weitwanderer am „Cammino di San Francesco“. Dieser Pilgerweg, der am Kloster La Verna im Norden der Toskana startet führt direkt am Betrieb vorbei und folgt der hügeligen, wunderschöne Landschaft Richtung Süden bis nach Rom.

 


Neben dem Gemüseacker für den sie die Jungpflanzen selbst heranzieht, laufen 15 Hühner und 3 Gänse herum, die die Aufgabe haben den Boden für die Gemüsepflanzen gut vorzubereiten. Die Hühner öffnen durch das Scharren den Boden, während die Gänse die Gräser oberflächlich abrupfen. Daneben betreut sie nach dem Vorbild ihres Vaters mehrere Bienenvölker. Der Betrieb umfasst daneben auch einen Kastanienwald. Die Kastanien werden mechanisch mithilfe eines Traktors geerntet und mit geschützter Ursprungsbezeichnung als „Marroni di Caprese Michelangelo“ vermarktet.

Text: Maria Pichler, Beratung Gemüsebau und Sonderkulturen bei Bioland Südtirol