Culture | Kommentar

Gekaufte Berichterstattung

Medienpartnerschaften sind immer so eine Sache. Vor allem dann, wenn die Politik mitreden will und beteuert nicht mitzureden. Eine durchaus kuriose Geschichte.
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Foto: southtyrolmusicfestivals

„Südtirol 1 – Südtirols bester Musikmix!“ Das ist natürlich Geschmacksache. Für die Verschriftlichung dieser Zeilen, begebe ich mich ausnahmsweise auf den Musikteppich des lokalen Unterhaltungssenders, um nachzuhören, ob ich vielleicht zufällig etwas über Südtiroler Festivalkultur in Erfahrung bringe. Momentan ist ja einiges los. Ich werde aber enttäuscht, auf mehreren Ebenen.
Seit der Erfindung und der größeren Verbreitung des Mediums Radio vor rund 100 Jahren ist die qualitative Entwicklung – gemessen an dem Südtiroler Lokalsender – eher bescheiden geblieben. Wertvolle Inhalte werden kaum geboten, „Hits“ aus der Retorte, sowie einfallslose Werbeschaltungen. Auch sprachlich gesehen ist der Sender ein Dilemma im Sekundentakt. So mein subjektives und durchaus rasch gefälltes Urteil. 
Die große Reichweite von Südtirol 1 (samt Partnersender Radio Tirol) soll aber mitunter den Ausschlag gegeben haben, für eine mit öffentlichen Geldern gut bezuschusste Medienpartnerschaft, die vor wenigen Wochen bei der Pressekonferenz der Plattform southtyrolmusicfestivals präsentiert wurde. Vor über 10 Jahren gegründet, um Festivaltermine besser abzusprechen, profitieren mittlerweile sehr viele Festivals vom „Knowhow-Transfer“ des Netzwerkes und „von der gemeinsamen Lösungssuche bei häufig auftretenden Schwierigkeiten.“ Diese positive Entwicklung der vielen und doch sehr unterschiedlichen Player gilt es natürlich medienwirksam nach außen zu tragen.
 

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Schönste Musik aller Zeiten: Vorstellung der Festivalsaison 2023 / Foto: southtyrolmusicfestivals


Dass die jungen (Festival)-Wilden auf die alten und konservativ daherkommenden Sendeformate von Südtirol 1 und Radio Tirol setzen, hat im Vorfeld zur Anfang Mai abgehaltenen Pressekonferenz einige überrascht. Mehr aber noch die Höhe für gekaufte Berichterstattung. Hervor geht die Zahl aus einer Email, die bereits im April an sämtliche Adressen des Verteilers der Festivalorganisator*innen geschickt wurde – sehr professionell geschrieben und im löblich basisdemokratischen Stil. Für Stirnrunzeln sorgten vor allem folgende in die Runde geschickten Zeilen und Zahlen: „Wie bei unserem letzten Treffen besprochen, haben wir uns nach einem Medienpartner für diese Festivalsaison umgeschaut und sind mit Südtirol1 im Austausch gewesen. Sie haben uns neben einer kleineren kostenlosen Unterstützung auch ein großes Angebot (ca. 20.000€) gemacht“. Weiter wird in der Email präzisiert, dass Südtirol 1 in seinem Angebot versichere, die Festivalplattform „die ganze Festivalsaison medial zu begleiten“, so solle es wöchentlich mehrere #southtyrolmusicfestival-Werbeschaltungen geben, Einblicke in die laufenden Festivals, Interviews, Videos auf der Website und Audiobeiträge zu zwei Festivals pro Woche. Untermauert wurde das Vorhaben auch damit, dass Südtirol 1 „eine sehr große Reichweite (über 100.000 tägliche Hörer*innen)“ hätte. Sicher ein wichtiges Kriterium für private Unternehmen, aber auch für Leute, denen – im Unterschied zu Südtirol 1 und Radio Tirol –, gute Musik und alternative Festivalkultur am Herzen liegen? 
 

Am Ende hat das "Netz" entschieden. Ganz allein.


Für Kopfschütteln, ja geradezu Headbangen(!), sorgt aber vor allem der folgende Satz in der Email: „Landesrat Philipp Achammer hätte die Finanzierung für diese Kollaboration zugesichert, da es ihm ein sehr großes Anliegen ist, den lokalen Festivals Sichtbarkeit zu verschaffen.“ Der vielbeschäftigte Politiker und immerhin einer der wichtigen und wenigen Überbleibsel der einst medienversierten Sebastian Kurz-Generation, kümmert sich nun also auch um Medienpartnerschaften? Das ist in Vorwahlzeiten und bei bescheidenen Umfragewerten durchaus nachvollziehbar, auch wenn nicht die besonders feine Art. Das „Netz | Offene Jugendarbeit hat beim Amt für Jugendarbeit um einen Beitrag für die South Tyrol Music Festivals angefragt. Dieser wurde ihnen genehmigt. Die Entscheidung, wie das NETZ diesen Beitrag verwendet und über welche Werbekanäle sie kommunizieren, liegt allein bei ihnen,“ heißt es dazu auf Nachfrage von salto.bz aus dem Büro des Landesrats. Zunächst. Dann meldet sich in dem anscheinend sehr dringenden Anliegen der Chef höchstpersönlich und bezieht mit Nachdruck Stellung: „Ob Südtirol 1 gesagt hat: Geht zum Landesrat und lasst euch das finanzieren, dazu weiß ich nichts, das interessiert mich auch nicht. Für mich ist nur eines wichtig festzuhalten. Die Leute vom Netz kamen zu mir, insgesamt drei Mal, und ich sagte zu ihnen: Bitte entscheidet ihr, was für euch sinnvoll ist, ich kann mir vorstellen euch ein Geld zu geben, da ich überzeugt bin, dass die Festivalinitiative wichtig ist, dass man ihr Sichtbarkeit verleihen muss. Aber entscheidet ihr, wie und wo und dann sagt mir bitte Bescheid.“ Es solle ja nicht „der Eindruck entstehen“, so Achammer, „dass da was abgesprochen ist“. Achammer bestätigt: „Ja, ich hatte gehört, dass es dieses Angebot gibt, aber ich sagte den Verantwortlichen, entscheidet bitte selber.“ Am Ende hat das "Netz" entschieden. Ganz allein. 
 

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Simon Feichter: "Wir erachten Radio-Werbung für Festivals ideal, Print ist hingegen nicht interessant."


Bei der Pressekonferenz wurde bzgl. der für den Landesrat so wichtigen Mediengelder zurückgerudert. Simon Feichter versuchte die etwas verworrene Sachlage schrittweise zu erklären.  „Südtirol 1 legte uns ein Angebot vor, das war relativ hoch. Wir haben uns dazu in der Gruppe ausgetauscht. In der Gruppe haben wir dann entschieden, wenn wir die Förderung bekommen, werden wir es nicht nur für einen Sender aufbringen, ein Teil des Geldes soll auch an junge Filmemacher*innen gehen, ein guter Teil in die Social-Media-Werbung, und natürlich auch an einen italienischen Radiosender.“ Man habe dann „nochmal nachgefragt, ob man so etwas finanzieren könne.“ Am Ende seien alle zufrieden gewesen. Wohl auch der seit neuestem für Medienförderungsanfragen zuständige Landesrat.
Dem sprichwörtlich „geschenkten Gaul“ wird also nicht „ins Maul“ geschaut. Wer aufgrund dieses Sagers nun Lust auf das Gaul-Festival in Lana bekommen hat, ist übrigens an diesem Wochenende genau richtig. Und nachdem „im Radio“ – auch das sagt ein Sprichwort – „eh immer nur das Gleiche läuft“, lautet das Motto der Stunde: Nichts wie hin!
 

Kostenloses Entgegenkommen: Salto zeigt den bei der Pressekonferenz vorgestellten Festivalfilm. Ganz ohne Medienpartnerschaft. Lediglich aus Freundschaft.