Chronicle | Affäre
Italia & favore
Foto: Facebook
Im September 2021 brachte Salto.bz die Affäre an die Öffentlichkeit.
Das Interesse der Leserinnen und Leser war groß. Doch alle anderen Medien hüteten sich die Geschichte aufzugreifen.
Jetzt ist das anders. Denn am Donnerstag standen Werner Frick und Paolo Bellenzier vor dem Richter für die Vorerhebungen Ivan Perathoner. Es geht um die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den langjährigen Landesrat und späteren persönlichen Sekretär des Bozner Vizebürgermeisters Christoph Baur und dem Direktor der Abteilung für Raumplanung und Entwicklung in der Stadt Bozen.
Damit beginnt die gerichtliche Aufarbeitung einer Bauaffäre mit politischer Hintergrundmusik.
Der Schattenassessor
Werner Frick sitzt von 1988 bis 2008, 20 Jahre lang, für die SVP im Landtag und in der Landesregierung. Als Wirtschaftslandesrat gestaltet er die Südtiroler Handelspolitik maßgeblich.
Im Sommer 2016 wird er völlig überraschend zum Büroleiter des damaligen SVP-Vize-Bürgermeisters Christoph Baur ernannt und damit zum Angestellten der Gemeinde Bozen. Erst Anfang 2022 verlässt Frick die Gemeinde wieder.
Der ehemalige Landesrat ist anfänglich Inhaber einer 75-Prozent-Stelle, die er nach einem halben Jahr auf 50 Prozent zurückschraubt.
Der Grund dafür: Anfang 2017 deckt Salto.bz auf, dass der Gemeindeangestellte Frick gleichzeitig Teilhaber und Verwalter mehrerer privater Unternehmen ist. Weil er diesen Nebentätigkeiten seinem Arbeitgeber nicht gemeldet hat, wird ein Disziplinarverfahren gegen den leitenden Beamten eingeleitet, das letztlich mit einer mündlichen Ermahnung endet. Auch weil Werner Frick alle Funktionen in den Privatunternehmen danach ruhen lässt.
Bereits unter Christoph Baur sagte man, dass der eigentliche Bauassessor Werner Frick heißt. Daran hat sich auch unter Baurs Nachfolger Luis Walcher nichts geändert, der den ehemaligen Landesrat als persönlichen Sekretär und Büroleiter von Baur übernommen hat.
Frick operiert als Schattenassessor, der innerhalb der Verwaltung sehr oft den Ton angibt. Bei mehreren großen Projekten wurde der Büroleiter bereits mit Erfolg als diskreter Problemlöser eingesetzt, um zwischen Land und Gemeinde eine für die Bauherren vorteilhafte Lösung durchzusetzen.
Wie weit das geht, zeigt die Affäre, die jetzt vor Gericht aufgearbeitet wird.
Probleme am Dach
Im Zentrum der Ermittlung steht das Bozner Restaurant „Italia & Amore“ und dessen Bauakte. 2016 wird das Haus in der Bozner Silbergasse von der Besitzerfamilie Ammon an den Bozner Gastronomen Helmut Geier verkauft. Geier verpachtet das Lokal an den Terlaner Norbert Kier, der das Lokal mit seinem Verkaufskonzept „Italia & amore“ zu einem angesehenen Restaurant macht. Auf fünf Etagen – zwei unter der Erde – soll ein Gasthaus und ein Laden für italienische Edelprodukte entstehen.
Zwischen März und Oktober 2017 wird das gesamte Haus umgebaut. Es muss schnell gehen, denn der Unternehmer will unbedingt noch vor dem goldenen Esel "Weihnachtsmarkt" eröffnen. Das gelingt schließlich auch. Wie sich jetzt herausstellt, geht man dabei aber nicht ganz nach dem Lehrbuch der ordentlichen Verwaltung vor.
Politische Weisung
Das zweistöckige Haus wird intern völlig neugestaltet. Die Vorgänger hatten auf der Dachterrasse einige Tische aufgestellt. Auch im neuen Projekt sollte diese Dachterrasse bleiben.
Als die zuständigen Techniker der Gemeinde aber zur Bauabnahme schreiten, finden sie auf der Dachterrasse nicht nur die im Projekt vorgesehenen Tische. Sondern auf dem Großteil der Terrasse wurden auch alle technischen Gerätschaften zur Be- und Ablüftung der Küche, zur Klimaanlage und die Elektronik installiert. Laut Baubestimmungen müssen diese Installationen im Projekt eingezeichnet und von der Gemeinde genehmigt werden. Davon aber war im genehmigten Projekt keine Spur.
Folglich stellt der zuständige Geometer ein negatives Gutachten aus. Die Abänderung müsse – so wie vom Gesetz vorgesehen – per Variante-Projekt genehmigt werden. Zuvor könne die Gemeinde keine Benutzungsgenehmigung erteilen. Das heißt: Damit kann das Restaurant nicht wie geplant aufsperren.
Dann laufen auf politischer Ebene aber die Drähte heiß. Jemand streicht das Gutachten des zuständigen Geometers durch und schreibt handschriftlich dazu, dass die Benutzungsgenehmigung für das Restaurant zu erteilen sei.
Dann laufen auf politischer Ebene aber die Drähte heiß. Jemand streicht das Gutachten des zuständigen Geometers durch und schreibt handschriftlich dazu, dass die Benutzungsgenehmigung für das Restaurant zu erteilen sei.
Doch der zuständige Gemeindegeometer weigert sich, das Dokument – das seiner Meinung nach so nicht rechtens ist – zu unterschreiben. Am Ende setzt Abteilungsleiter Paolo Bellenzier seine Unterschrift auf die Benutzungsgenehmigung.
Die Bausünden
Dabei ist der eindeutige Verstoß gegen die Baubestimmungen dokumentiert.
Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass die Verwaltung eine vorläufige Teilnutzungsgenehmigung erteilt. Das setzt aber voraus, dass diese Entscheidung von der Verwaltung rechtlich und urbanistisch begründet wird. Vor allem aber muss der Bauherr dazu ein Variante-Projekt einreichen, das dann von der Baukommission und den zuständigen Ämtern genehmigt wird.
Doch all das wurde im Fall „Italia & Amore“ einfach unterlassen. Denn man hat einen Trick angewandt. Die Gemeinde erteilte auch hier offiziell nur eine Teilnutzungsgenehmigung. Das heißt, die Bewohnbarkeit gilt für das gesamte Haus, also für alle drei Restaurantetagen. Aber die Terrasse hat man einfach ausgespart.
Es ist urbanistisch und verwaltungstechnisch eine völlige Absurdität. Denn damit lasse ich jemanden in ein Haus einziehen, dessen Dach illegal erichtet wurde. Zudem konnte das Restaurant aus Platzgründen nur so errichtet werden. Ohne die technischen Zubauten am Dach wäre die Raumplanung deutlich anders ausgefallen.
Erst nachdem die Staatsanwaltschaft die Bauakten beschlagnahmt hatte, wird 2021 ein Sanierungsprojekt eingereicht.
Fricks Handschrift
Von einem Insider auf die Machenschaften aufmerksam gemacht, beginnt die Bozner Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Von Anfang an führen Staatsanwalt Andrea Sacchetti und die Staatsanwältin Francesca Iovene gemeinsam die Ermittlungen.
Im Sommer 2021 werden Beamte der Bozner Gerichtspolizei im Büro von Werner Frick vorstellig. Sie beschlagnahmen Dokumente, handschriftliche Aufzeichnungen und Fricks Handy.
Zu diesem Zeitpunkt ist neben Werner Frick, auch der Abteilungsleiter für Urbanistik in der Gemeinde Bozen Paolo Bellenzier in das Ermittlungsregister eingetragen. Die Vorwürfe lauten Amtsmissbrauch (Induzione indebita a dare o promettere utilità - Art. 319/quarter) und Falscherklärung (Falsità ideologica commessa dal pubblico ufficiale in atti pubblici - Art.479).
Im Zentrum steht dabei die handschriftlich korrigierte Benutzungsgenehmigung. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Handschrift auf der durchgestrichenen Verweigerung der Benutzungsgenehmigung jene von Werner Frick ist.
Ein graphologisches Gutachten der Staatsanwaltschaft bestätigt diese Annahme. Doch Fricks Verteidiger Francesco Coran hat bereits in der Vorermittlungsphase ein eigenes graphologisches Gutachten erstellen lassen. Dieses kommt zum gegenteiligen Schluss: Die per Handschrift angebrachten Worte seien zu kurz, um eine eindeutige graphologische Zuordnung zu machen.
Am Donnerstag hat Vorverhandlungsrichter Ivan Perathoner entschieden, einen gerichtlichen Gutachter zu ernennen, der die Frage der Handschrift klären soll. „Wenn herauskommt, dass die Handschrift nicht von Frick ist“, meint Frick-Anwalt Francesco Coran, „so wird selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragen müssen“.
Sollte das aber nicht so sein, wird es für Werner Frick und Paolo Bellenzier eng werden.
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Und immer wieder die Svp im "
Und immer wieder die Svp im " Schattenkabinett"
Man könnte den Artikel zum
Man könnte den Artikel zum Anlass für eine kurze Bemerkung über Ethik nehmen. Ethik und Gerechtigkeit, Respekt vor dem Gesetz und der Gleichbehandlung. Unabhängig vom im Artikel beschriebenen Fall, was kann der Antrieb sein, der eine Führungskraft in einer öffentlichen Verwaltung dazu bringt, etwas zu tun, was nicht korrekt wäre? Handelt der hohe Beamte so, um dem politischen Willen zu entsprechen? (der sich ab und zu über die Bestimmungen hinwegsetzt, um sein Ziel zu erreichen)
Ist der hohe Beamte der Gemeinschaft gegenüber verantwortlich und damit (so nimmt man an) den geltenden Gesetzesbestimmungen gegenüber, oder versucht er nur, bei der politischen Seite zu punkten?
Und welche berufliche Entwicklung könnte dagegen ein 'zu, korrekter Gemeindegeometer später haben?
So würde in diesem Beispiel die Wirtschaft sichergestellt, wo bleibt aber die Gerechtigkeit, wo bleibt der Sinn der res publica?