Environment | Tirol

Günther Platters Bekehrung

Tempo 100 auf Teilen der Brenner- und Inntalautobahn, ein Jahr später das sektorale Fahrverbot: Tirol setzt in Maßnahmen gegen die Verkehrsbelastung der Bevölkerung ein Beispiel.

Wie bewegt man einen eingefleischten Gegner von Tempo 100 wie Tirols Landeshauptmann Günther Platter zum Umdenken? Eine interessante Antwort liefert die schwarz-grüne Tiroler Koalition. Die hat in dieser Woche ein umfassendes Maßnahmenpaket  verabschiedet, das „eine Chance auf die größte Entlastung der Luft seit dem EU-Beitritt Österreichs bietet“, wie Vize-Kanzlerin Ingrid Felipe von den Tiroler Grünen jubiliert.

Ab Herbst kommt Tempo 100 im Probebetrieb für ein Jahr: auf der A12 zwischen Kufstein und Zirl und zwischen Karrösten und Zams sowie auf der A13 zwischen Innsbruck und Schönberg. Zusätzlich wird das Fahrverbot für Schwerfahrzeuge mit höherem Schadstoffausstoß stufenweise ausgedehnt sowie ein Förderpaket für die Stilllegung bzw. Umrüstung von schadstoffreichen Lkw und Bussen bereitgestellt. Und: Im Herbst 2015 soll endlich das sektorale Fahrverbot wieder eingeführt werden. Dieses war bereits mehrmals von Brüssel mit Verweis auf den freien Warenverkehr innerhalb der EU gekippt worden. Im Kombination mit Tempo 100 und dem Fahrverbot für schadstoffreiche Lkw müsste die Verbannung des Transports bestimmter Warengruppen auf die Bahn diesmal klappen, zeigt sich auch der Europarechtler Walter Obwexer gegenüber der Tiroler Tageszeitung zuversichtlich. „Ich gehe mit großer Sicherheit davon aus, dass das sektorale Fahrverbot hält.“

Bleibt die Frage, wieso Tirols Landeshauptmann Günther Platter, der Tempo 100 noch im Wahlkampf 2013 als „Schwachsinn“ bezeichnet hatte, dem Paket zustimmte? Der Landeshauptmann selbst begründete seinen Meinungsschwenk mit der Gesundheitsgefährdung der Tiroler. Ärzte hätten den politisch Verantwortlichen mitgeteilt, dass etwas unternommen werden müsse. Nicht zufällig wurde jedoch am selben Tag der Luftgütepakets auch ein umfangreicher Kraftwerksausbau beschlossen, mit dem die Landesregierung Tirols Energieautonomie bereits innerhalb 2030 und nicht wie ursprünglich geplant 2050 erreichen will. Ein Thema, bei dem die Grünen wohl ebenso Bauchweh hatten wie Platter mit Tempo 100. So heftig die Kritik mancher Tiroler OppositionspolitikerIn am „politischen Kuhhandel“ der beiden Regierungspartner sein mag: Aus Südtiroler Perspektive ist es durchaus interessant zu sehen, welche neuen Möglichkeiten eine schwarz-grüne Koalition eröffnen kann.