Smart Working
Es entwickelte sich zu einer kräfteraubenden Arbeit, die gänzlich zu Hause und ohne Kontrolle verrichtet wurde und besonders die Frauen hart traf. Es war alles andere als eine Möglichkeit, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen.
Smart Working ist im Prinzip eine im Jahr 2017 gesetzlich definierte Arbeitsform, die bisher kaum bekannt war und nun eine Phase unerwarteter Berühmtheit durchläuft und deshalb in den Fokus der politischen, gewerkschaftlichen und öffentlichen Debatte gerückt ist. Fast alle reden darüber, aber leider oft nur mit Teilkenntnissen und auch mit einer guten Dosis an Oberflächlichkeit.
Die Anwendung von Smart Working in der gesundheitlichen Notsituation war eigentlich nicht korrekt. Daher entwickelte sich daraus eine schwere und ermüdende Arbeit, ohne eine echte Kontrolle von Quantität und Qualität. Dabei ging die von Gesetzgeber gewollte Vereinbarkeit von Arbeit und Familie fast gänzlich verloren.
Es braucht eine objektive Analyse dieser Wochen und eine Reihe von Maßnahmen um diese Arbeitsform zu ihrer ursprünglichen Zielsetzung zurückzuführen.
Der individuelle Schutz der Bediensteten mit dem Ziel zu verhindern, dass die Menschen öffentliche Verkehrsmittel und Büros überfüllen, war positiv. Wir haben es beim Smart Working aber nicht mit einer Maßnahme der sozialen Abfederung zu tun und auch nicht mit einem Entgegenkommen für Arbeiterinnen, die wegen der Schließung der Schulen auf die Kinder aufzupassen mussten.
Daher müssen wir diskutieren, wie Smart Working nach der Pandemie aussehen soll.
Vor dem 23. Februar 2020 waren die Erfahrungen mit dieser Arbeitsform zwar begrenzt, es gab aber präzise Merkmale: Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterzeichneten eine individuelle Vereinbarung, in der die Inhalte und Modalitäten der Arbeit außerhalb des Betriebes festgelegt wurden; meist waren es nur wenige Tage im Monat, die klar definiert und geplant waren und von jedem Ort außerhalb des Büros durchgeführt werden konnten.
Durch Rahmenabkommen mit den Gewerkschaften wurden Schutzmaßnahmen festgelegt, die sich dann in den einzelnen Vereinbarungen niederschlugen. Große Aufmerksamkeit wurde dem Recht auf das Abschalten vom Netz gewidmet.
Auch wurde invasiver Fernkontrolle durch die Vorgesetzten oder die Geschäftsführer ein Riegel vorgeschoben. Die Arbeitszeit war in Einklang mit dem nationalen Arbeitsvertrag. Die Arbeit bestand in Zielvorgaben und deren Durchführung lag in den Händen des Bediensteten.
Diese Arbeitsform ist sicherlich innovativ und kann auch ein Vorteil für den Einzelnen sein. Eine begrenzte Anzahl von Tagen außerhalb des Betriebes ermöglicht an diesen Tagen auch die Befriedigung anderer Bedürfnisse, ohne die Bezugspunkte zu der traditionellen Arbeit mit ihren konsolidierten Ritualen und ihren geregelten Pausen zu verlieren.
Es war zudem klar, welcher Zeitraum vorgesehen war und welches Ergebnis zu erreichen war.
Während des Lockdown fehlte zusätzlich die Ausbildung der betroffenen ArbeitnehmerInnen hinsichtlich der Veränderung der Arbeitstätigkeit und der notwendigen Organisation. Diese Arbeitsform erfordert nämlich eine Abkehr von der meist routinemäßigen Ausführung der Arbeit und erfordert Selbstorganisation und Selbstbestimmung der eigenen Arbeitszeit, eine Herausforderung die alles andere als leicht ist.
Es reicht auch nicht aus, nur die Arbeitnehmer auszubilden, sondern es ist auch wichtig, die Manager zu schulen, denen es oft schwerfällt, die Kontrolle über die Arbeit der Beschäftigten dynamisch und flexibel zu handhaben.
Das Konzept der Arbeitszeit muss neugestaltet werden, ebenso muss eine rigorose Prioritätenskala für die Dinge, die zu tun sind, festgelegt werden; das Risiko, immer online und immer verfügbar zu sein, muss unterbunden werden. Smart Working setzt Professionalität voraus und muss mit Handlungsautonomie und ständigem beruflichen Wachstum gepaart sein.
Die Delegierung ist ebenso wichtig wie die wirtschaftlicher Entwicklung und der berufliche Aufstieg.
Die Herausforderung für die Gewerkschaft besteht darin, das Smart Working, das heute von der Gesetzgebung als individuelles Abkommen ausgewiesen ist, in einen Rahmen von kollektiv ausgehandelten Regeln einzubinden. Nur so kann man den Konsens zu dieser Arbeitsform wahren.
Man sollte auch abwägen, welche Auswirkungen diese Arbeitsform für die öffentliche Verwaltung und auf die Beziehung zu den Bürgern hat, die oft von Warteschlangen, Bürokratie, verlorener Zeit usw. geprägt war.
Wenn wir den Spagat von den theoretischen Diskussionen zur einer realen digitalen Revolution schaffen wollen und wenn wir wirklich unsere Fähigkeit messen wollen, diese Prozesse als kollektive Akteure zu steuern, dann muss man die anstehende Herausforderung rational und pragmatisch angehen.
Alfred Ebner