Culture | Stadtmuseum Bozen
Die Stadt und ihr Museum
Foto: Privat
Als „Trauerspiel“ wurden die letzten 20 Jahre an Tätigkeit des 1882 gegründeten Bozner Museumsvereins schon bezeichnet, vom Obmann Gerald Mayr selbst, der seinem Ärger ob der andauernden eingeschränkten Öffnung des Hauses Luft macht. Hört man sich aber mal bei Stadt- und Landespolitikern um, so hat das „Haus“-Museum des Vereins durchaus seine Fans und vielleicht sind es die Präsentation der Projekte, wie auch die langsamen Mühlen der Politik, welche aus einem Ort mit großem Potential einen vielfach vergessenen machen. Das Stadtmuseum ist jenes Museum beim „Ötzi-Museum“, vor dessen Eingang sich keine Schlange bildet. Gut, dem Vergleich in direkter Nachbarschaft muss sich das 1905 erbaute Museum nicht mehr allzu lange aussetzen, aber mit dem Publikumsmagneten Gletschermumie kann und will man wohl nicht mithalten.
Dennoch ist im Haus eine für die Region wichtige Sammlung untergebracht, welche sich mehrheitlich in Besitz des historischen Museumsverein Bozen befindet. Gerald Mayr, seit 20 Jahren Obmann des Vereins, betont auf seine Aussagen im Interview der Tageszeitung angesprochen, „Das ist meine persönliche Sicht, die natürlich für böses Blut gesorgt hat, das ist klar.“ Und weiter: „Ich habe in diesem Fall als Privatmann und nicht als Obmann des Museumsvereins geredet.“
Welches waren dabei die Umstände, die zu seinen Äußerungen führten? „Ich habe in den 20 Jahren diese Erfahrung gemacht, dass immer, wenn man weiter machen konnte aus unerfindlichen Gründen alles blockiert.“
Dass beim Stadtmuseum scheinbar seit zwei Jahrzehnten wenig passiert, hat für Landesrat Sandro Repetto einen einfachen, aber ernüchternden Grund: „Das Problem ist, dass es nie mit Priorität behandelt wurde“, meint er, nachdem er gleich vorweg die Sonderstellung unterstreicht, die das Stadtmuseum aus seiner Sicht einnimmt: es sei schade, dass das Museum zu den Stadtmuseen gerechnet werde, habe es doch eine Bedeutung über die Region hinaus. Er erinnert daran, dass die fehlende Feuerleiter nicht das einzige Problem sei, mit welchem das Museum zu kämpfen hat und hatte. Als Anfang der 90er der Poltische Wille dagewesen sei, den zur Zeit des Faschismus abgetragenen Turm wieder und in größerer Form aufzubauen, sei die Statik falsch berechnet worden und das Museum hätte einstürzen können, so der ehemalige Stadtrat für Kultur.
Zum anderen habe das Museum, als er damals das Amt übernahm, ein großes Problem mit der Dokumentation der Museums-Stücke gehabt und nach den Arbeiten an der Statik sei auch die Installation eines neuen Fahrstuhls notwendig gewesen, da es sich beim alten um einen Lastenaufzug gehandelt hatte, welchen die Besucher nur in Begleitung von Museumspersonal nutzen konnten. Nach einem neuen Aufzug sei auch die Elektrik im Haus zu überarbeiten gewesen.
All diese Projekte hätten sich auch deshalb immer wieder verzögert, so Repetto, da ein möglicher Zusammenschluss mit dem Archäologiemuseum im Raum stand und auf einigen, wenngleich nicht ausreichenden, politischen Willen stieß. Dadurch hätten sich auch die kleineren Projekte verzögert, wie die ursprünglich mit 900.000 Euro bezifferten Umbauten, welche für eine Feuerleiter in den Innenhof, sowie weitere vom Gesetz vorgeschriebene Brandschutz-Maßnahmen sorgen hätten sollen und deren geschätzte Kosten sich mittlerweile auf 1,5 Millionen Euro belaufen. Diese, für die Öffnung der Stockwerke 1 bis 4 notwendigen Arbeiten sollen im Jänner 2024 beginnen und laut Bauplan 200 Tage in Anspruch nehmen, weiß Kultur-Assessorin Chiara Rabini zu berichten. Dass das Museum damit allein noch nicht all seine Tore öffnen kann, betont sie allerdings auch.
Die nächsten Schritte, die nach einer Kuratoriumssitzung des Stadtmuseums am Montagabend letzter Woche feststehen, werden deutlich teurer sein und sich über mehrere Jahre hinziehen. „Die Kosten belaufen sich immerhin auf 4 Millionen Euro. Den genauen Betrag werden wir im Juli wissen, wenn ein ausformulierter Beschlussantrag eingeht.“, so Rabini. Da müsse das Land der Stadt unter die Arme greifen. die geschätzten Kosten ergeben sich wohl auch aus den überraschenden Dimensionen des Baus: auf insgesamt 9 Ebenen - vom tiefsten Keller bis in die oberste Turmkammer gezählt - kommen 3000 Quadratmeter begehbarer Fläche zusammen. Diese wurde mit rund 500 Fotografien im Rahmen einer Machbarkeitsstudie erfasst, welche zu der Kostenschätzung von 4 Millionen führte.
Verharrt man angesichts solcher Zahlen in Schockstarre oder tut sich etwas im Stadtmuseum? „Es geht jetzt weiter, zwar in sehr kleinen Schritten, aber man sollte jetzt nicht ständig polemisieren, dass nichts weitergegangen ist, sondern anerkennen, dass sich etwas bewegt und einigermaßen positiv in die Zukunft blicken.“, meint Hanns-Paul Thies, Vorstandsmitglied des Museumsvereins, dem auch ein Wechsel ins Haus steht: Gerald Mayr wird wohl in den kommenden Monaten den Posten des Obmannes aufgeben. Mayr möchte nicht als „Sesselkleber“ verstanden werden, formuliert er es selbst, aber die Suche nach einer Nachbesetzung gestaltete sich schwierig. Mayr habe bereits im Mai letzten Jahres angekündigt, das Amt abgeben zu wollen. Für ein bis eineinhalb Jahre habe er sich dann bereit erklärt, das Amt noch weiterzuführen, erklärt der amtierende Obmann. Ein Jahr ist um, die eineinhalb sind es auch bald. „Die haben Familie, das kann man nicht verlangen, da muss man in Pension sein.“, kommentiert er sein Tätigkeitspensum. Er werde im Vorstand als beratendes reguläres Mitglied weiterarbeiten.
Hanns-Paul Thies weiß von Weiterem zu berichten, was in der Zeit, die von außen als Stillstand wahrgenommen werden konnte, geschehen ist. „Hinter den Kulissen ist ja schon auch einiges passiert in den letzten Jahren. Von der Inventarisierung bis hin zur Bergung von Beständen, welche unter sehr problematischen Bedingungen in den Kellerräumen gelagert waren.“ Ein Teil der „problematisch“ gelagerten Stücke fand indes dort sichtbar, aber auch nur, wenn man sich bis in den Garten des Museums vorwagt, Eingang in das in der ehemaligen Umspannkabine gestaltete Lapidarium, das Steinfragmente präsentiert, die unter anderem auch von den Bombardierungen der Stadt im zweiten Weltkrieg zeugt.
„Was man dem Museum vielleicht schon vorwerfen kann, ist zu wenig auf die Öffentlichkeitsarbeit geschaut zu haben. Mehr als die eine oder andere Ausstellung aus den eigenen Beständen hätte man schon machen können.“, meint Ties schließlich noch. Dem Garten selbst lässt sich ebenso ein größeres Potenzial zusprechen als jenes, das derzeit realisiert wird. „Alles zusammen 20 bis 25 Veranstaltungen in den letzten zwei Jahren“ zieht der Museumsdirektor Stefan Demetz Bilanz. Man trete dort nicht selbst als Veranstalter in Erscheinung, sondern sammle die verschieden Anfragen und leite sie an die Gemeinde weiter. Aber auch die grüne Freifläche des Gartens ist durch die Rahmenbedingungen des Stadtmuseums in ihrer Nutzbarkeit beeinträchtigt, da man als einzigen Ausweichraum bei Schlechtwetter über das Kaminzimmer (im ersten Stock) mit Platz für lediglich 50 Personen verfügt.
Um zu zeigen, dass trotz zahlreicher Baustellen für das Museum weiterhin und kontinuierlich gearbeitet wird, soll von August bis November eine vom Museumsverein organisierte Ausstellung präsentiert werden. Auch dies ging aus der Kuratoriumssitzung hervor, die von den meisten als „hitzig“, aber „positiv“ beschrieben wurde. Ein weiteres Ergebnis: Durch längerfristige Kommunikation der geplanten Ausstellungen an den Museumsverein soll deren Sichtbarkeit wie auch jene der Sammlung erhöht werden und auch eine Klausur im November ist geplant. Das letzte Wort in Sachen Bozner Stadtmuseum wollen wir Kuratoriumsmitglied Tiziano Rosani lassen, der als Kurator des Palais Mamming in Meran auch Erfahrung mit einem anderen Stadtmuseum hat, welches lange Zeit als Baustelle galt und der uns folgendes Statement zukommen ließ:
„Die Verspätung ist offensichtlich und niemand von uns ist damit zufrieden, im Gegenteil. Handelt es sich aber um einen Einzelfall, der auf interne Angelegenheiten der Bozner Gemeindeverwaltung zurückzuführen ist oder um einen politischen Boykott? Beides scheint mir nicht der Fall zu sein: Auch das mit starker Landesbeteiligung gewollte Bibliothekszentrum ist mit Jahrzehnten an Verspätung unterwegs und das Stadtmuseum in Meran wurde erst mit sehr großer Verspätung eröffnet. Wir müssen also sofort von unproduktiven Polemiken absehen und sowohl die Gemeinde Bozen, als auch die Museumsleitung unterstützen, indem wir ein Klima des Vertrauens schaffen. Im Kuratorium sollten wir alle ohne Ausnahmen darauf hinarbeiten, eine sehr innovative Neuausrichtung des Ausstellungskalenders zu schaffen. Was mich betrifft und mit den Zielsetzungen im Laufe meines Lebens übereinstimmt, werde ich mich dafür einsetzen, dass diese Ausstellungen die Stadt in ihrer Gesamtheit erzählen werden, das 20. Jahrhundert und die Gegenwart miteingeschlossen. Ein Stadtmuseum muss es schaffen, Neugierde und Emotionen zu wecken, von seinen Zeitgenossen verstanden zu werden und sich selbst neu zu deuten. Es sollte sich öffnen und sich nicht abgrenzen. Jetzt ist nicht die Zeit für Polemiken, sondern jene für Intelligenz und Weitsicht.“
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