Bürgernähe im Viertel

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Bei den Gemeindewahlen im Mai wählten die Bürgerinnen und Bürger neben dem Gemeinderat auch den Stadtviertelrat. Während sich die mediale Aufmerksamkeit und die Parteiwerbung fast ausschließlich auf die Wahl zum Gemeinderat konzentrierten, geriet die Wahl zum Stadtviertelrat weitgehend in den Hintergrund – dabei ist er das bürgernächste Organ der Gemeinde. Ziel des Stadtviertelrats ist es, die Beteiligung und das Verantwortungsbewusstsein der Bewohnerinnen und Bewohner zu fördern und den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde zu stärken.
Die Stadt Bozen ist in fünf Stadtviertel aufgeteilt: Zentrum-Bozner Boden-Rentsch, Oberau-Haslach, Europa-Neustift, Don Bosco und Gries-Quirein. Jeder Stadtviertelrat besteht aus elf Mitgliedern, die im Rahmen der Gemeindewahl durch maximal drei Vorzugsstimmen auf dem gelben Stimmzettel gewählt wurden.
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Die erste Aufgabe der Mitglieder ist es, den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter für die fünfjährige Amtsperiode zu wählen. Laut der ehemaligen Präsidentin des Stadtviertelrats Gries-Quirein, Cornelia Brugger (Grüne), verlangt dieses Amt viel Einsatz: „Man muss sich fast täglich mit den Themen des Stadtviertels auseinandersetzen – Unterschriften, Telefonate, Gespräche führen, Rückmeldungen einholen. Das unterscheidet den Präsidenten deutlich von einem einfachen Mitglied. Der Präsident bereitet die Sitzungen vor, sorgt für einen rechtskonformen Ablauf und steht in engem Kontakt mit den zuständigen Ämtern und Gemeindereferenten. Bei Abwesenheit übernimmt der Stellvertreter diese Aufgaben.“
Die Mitglieder des Stadtviertelrats vertreten fünf Jahre lang die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Im Fokus steht dabei häufig die Zusammenarbeit, weniger die Parteipolitik. Doch das gelingt nicht immer, wie Cornelia Brugger berichtet: „Besonders herausfordernd waren die Momente, in denen blinde Parteipolitik den Stadtviertelrat bestimmt hat. Das hat sich durch die gesamten fünf Jahre gezogen.“ Klar ist aber auch, dass politische Bündnisse notwendig sind – diese orientieren sich meist an jenen im Gemeinderat, um die wichtige Zusammenarbeit zu gewährleisten.
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Was macht der Stadtviertelrat?
Der Stadtviertelrat berät die Stadtgemeinde in allen Belangen, die das jeweilige Viertel betreffen. Dazu zählen Raumordnung, die Durchführung öffentlicher Arbeiten, die Organisation von Diensten sowie die Förderung der örtlichen Gemeinschaft und der Erhalt des kulturellen Erbes. Außerdem gibt der Stadtviertelrat Rückmeldungen zum Gemeindehaushalt ab und kann Vorschläge zum für das Viertel bestimmten Budget einbringen.
Das bedeutet aber nicht, dass der Stadtviertelrat keine eigenen Erfolge vorweisen kann. Cornelia Brugger erinnert sich an positive Momente ihrer zweieinhalbjährigen Amtszeit: „Der Radweg in der Segantini-Straße, für den wir uns von Anfang an eingesetzt haben, oder der Laternenumzug im Herzogspark, nachdem die Lampions lange Zeit defekt waren.“
Der Stadtviertelrat ist auch für die Förderung von Initiativen und Projekten zuständig, die das Leben im Viertel verbessern. Ebenso verwaltet er eigene Räumlichkeiten und finanzielle Mittel, organisiert beispielsweise Bürgerversammlungen.
Wenn Politik wieder attraktiver werden soll, muss die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern gestärkt werden.
Dennoch ist die Kompetenz des Stadtviertelrats begrenzt. Sein Schwerpunkt liegt auf der beratenden Funktion gegenüber dem Gemeinderat sowie der Organisation von Veranstaltungen und kleineren Projekten vor Ort.
Während manche die Abschaffung der Stadtviertelräte fordern, sehen viele das Potenzial für eine bürgernahe Politik – so auch Cornelia Brugger: „Wir brauchen den Stadtviertelrat unbedingt. Ich wünsche mir mehr Kompetenzen, ein größeres Budget, eine bessere Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und regelmäßige Anhörungen mit Stimmrecht. Denn der Stadtviertelrat ist die Basis. Die Menschen sprechen einen auf der Straße an, ihre Anliegen bringt man auf die nächste Ebene. So direkt kann ein Gemeinderat gar nicht arbeiten.“
Ein erfolgreicher Stadtviertelrat braucht laut Brugger vor allem Empathie, Energie, Zeit und den Willen zur Veränderung. Mit erweiterten Befugnissen könnten Bürgeranliegen schneller und direkter umgesetzt werden, ohne stets die Zustimmung des Gemeinderats einholen zu müssen. Funktioniert die Kommunikation zwischen den Bewohnerinnen, Bewohnern und dem Stadtviertelrat gut, steigt die Zufriedenheit mit der Politik – langfristig fördert das auch die Wahlbeteiligung. Wenn Politik wieder attraktiver werden soll, muss die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern gestärkt werden – die Aufwertung der Stadtviertelräte wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
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Zum Autor
Paul Simmerle, 18 Jahre alt, absolviert derzeit ein Praktikum bei SALTO und ist neu gewählter Stadtviertelrat der Südtiroler Volkspartei (SVP) in Zentrum-Bozner Boden-Rentsch.
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