Economy | Energie

Die Stromfusion

Die Operation zur Fusion der SEL AG und der Etschwerke AG ist längst weiter gediehen als bisher bekannt. Ein Blick hinter die Kulissen.

Es ist ein beliebter Polit-Trick. Ist eine Sache fast schon gelaufen, dann posaunt man eine Forderung hinaus, die zwar nicht realistisch ist, aber dafür sorgt, dass die ganze Geschichte platzt.
In dieser Optik kann man auch die Aussagen des Meraner Bürgermeisters Günther Januth sehen. Der SVP-Politiker meldete sich Anfang dieser Woche zur geplanten Fusion zwischen der Landesenergiegesellschaft SEL AG und dem kommunalen Energieversorger Etschwerke AG zu Wort. Als 50-Prozent-Eigner der Etschwerke erklärt Januth, dass die Fusion nur dann einen Sinn macht, wenn der Energiebetrieb der beiden Städte Bozen und Meran, einen Anteil am neuen gemeinsamen Energiebetrieb von mindestens 40 Prozent erhält.
Diese Forderung ist das klassische Störfeuer. Denn in Wirklichkeit sind die Verhandlungen längst über dieses entscheidende Detail hinausgekommen.

Der Fusionsplan

Der Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager und der Rechtsanwalt Gerhard Brandstätter wurden noch von der alten Landesregierung beauftragt, eine Lösung im Stromstreit und eine Annäherung der zwei großen öffentlichen Energiebetriebe zu suchen. Es ist ein Auftrag, der von vielen als Himmelfahrtskommando gesehen wird.
In mehreren Verhandlungsrunden ist es dem Duo Brandstätter/Hager aber gelungen, die Führungsgremien der beiden Gesellschaften von der Operation zu überzeugen. Der strategische Plan ist klar. Man setzt nicht direkt bei den Gesellschaften an, die die Großkraftwerke führen, sondern die Konzernmütter SEL und Etschwerke sollen in einer neuen gemeinsamen Gesellschaft zusammengelegt werden.
Die neue Gesellschaft wäre mehr als nur ein Südtiroler Stromkoloss. Mit rund 1.000 Mitarbeitern, einem prognostizierten jährlichen EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abwertungen und Abschreibungen) von rund 250 Millionen Euro und einem Jahresgewinn nach Steuern von rund 100 Millionen Euro spielt man damit in den Top Ten der italienischen Energiebetriebe mit. Im Bereich erneuerbare Energien wäre der Südtiroler Energieproduzent und -versorger italienweit sogar unter den ersten drei.
Der entscheidende Punkt, mit dem die gesamte Operation steht oder fällt, sind aber die Beteiligungsverhältnisse. Die SEL plädiert für 65 zu 35 Prozent. Die Etschwerke wollen unbedingt über 40 Prozent an der neuen Gesellschaft. „Realistisch sind am Ende 37, 38 Prozent für die Etschwerke“, sagt einer, der die Verhandlungen begleitet hat.
Unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen steht seit einigen Wochen aber ein verlockendes Angebot im Raum. Die Gesellschaftsorgane sollen paritätisch besetzt werden. Das heißt, die Gemeinden und das Land hätten gleichen Einfluss.

Der politische Rahmen

Durch die neue Landesregierung – allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher – hat die Operation den nötigen politischen Rückenwind erhalten. Kompatscher und mit ihm der neue Energielandesrat Richard Theiner wollen das Projekt noch in diesem Jahr in warmen Tüchern sehen.
Auch durch die Ernennung eines neuen Präsidenten und neuen Verwaltungsrates bei den Etschwerken ist jetzt neuer Schwung in die Operation gekommen. Man geht unbefangener und unbelasteter an die geplante Fusion heran.

Realitisch ist eine Beteiligung der Etschwerke an der neuen Gesellschaft von 37 oder 38 Prozent

Politischen Widerstand gibt es noch in den Gemeindestuben von Meran und Bozen. Zum einen stehen in neun Monaten Gemeinderatswahlen an und jeder will sich plötzlich als Verteidiger der Gemeindebetriebe in Szene setzen. Zum anderen geht es ganz einfach um Ämter. Die Verwaltungsämter bei den Etschwerken sind in Bozen und Meran wichtiger Bestandteil des traditionellen sottogoverno. Die Verteilung der finanziell lukrativen Posten gehört zu den Koalitionsverhandlungen und zu den parteiinternen Machtspielen. Weder die Bozner oder die Meraner SVP noch die italienischen Parteien wollen auf diese politischen Versorgungsposten ohne weiteres verzichten.

Image, Prozesse und Altlasten

Dass auch die beiden involvierten Gesellschaften durchaus Interesse an einem Zusammengehen haben, liegt an ihren internen Befindlichkeiten und Problemen.
Über der SEL AG hängt immer noch das Damoklesschwert der erschwindelten Konzessionen. Die Etschwerke haben dazu bereits eine 800-Millionen-Euro-Klage eingebracht. Geht der kommunale Energiebetreiber auf der juridischen Front aufs Ganze, kann das die Landesenergiegesellschaft in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.
Zudem hat die SEL ein anhaltendes Imageproblem. Auch der neuen SEL-Führung ist es nach drei Jahren im Amt nicht gelungen, das desaströse Bild des SEL-Skandals aus den Köpfen der Südtirolerinnen und Südtiroler zu vertreiben. Deshalb hat man schon einmal ernsthaft über eine Namensänderung nachgedacht. Eine neue Gesellschaft würde dieses Imageproblem schnell aus der Welt schaffen.
Auf der anderen Seite haben die Etschwerke noch einige Leichen im Keller. Der kommunale Energieversorger hat sich außerhalb von Südtirol in einige sehr umstrittene Abenteuer gestürzt. Etwa in Bulgarien oder auf Sardinien. Dort sind die Etschwerke Mehrheitseigner der „Biopower Sardegna srl“. Die Gesellschaft betreibt ein Palmöl-Werk und fährt seit Jahren Millionen-Verluste ein. Ebenso kein finanzielles Ruhmesblatt ist das Etschwerke-Projekt „Ottana Solar Power srl“, die auf Sardinien einen Photovoltaikpark geplant und erbaut hat. Dazu gibt es noch eine Reihe weiterer Operationen, die in den letzten Jahren arg verunglückt sind.
Die Etschwerke AG hat in den vergangenen Jahren zwar Rekordgewinne eingefahren, doch der Großteil der Einnahmen stammte aus dem spekulativen Stromhandel. Weil die Aufsichtsbehörde jetzt in diesem Bereich aber Beschränkungen eingeführt hat, ist das Geschäftsergebnis rückläufig.
So haben die beiden Besitzergemeinden Bozen und Meran heuer je 13 Millionen Euro an Dividenden in ihrer Bilanz eingebaut. Weil die Etschwerke 2013 aber nur 24 Millionen Gewinn gemacht haben, musste das Unternehmen zwei Millionen aus den Rücklagen zuschießen.

Ende Oktober

Seit einigen Wochen sind jetzt die Fachleute an der Reihe. Experten von „Banca Imi“ und dem Beratungsunternehmen „Mckinsey“ bewerten derzeit die beiden Unternehmen und erstellen einen industriellen Plan zur Schaffung der neuen Gesellschaft. Die ersten Ergebnissen sollen Mitte Oktober vorliegen.
Spätestens dann wird sich entscheiden, ob die Operation Fusion aufgeht. Oder ob die Störfeuer aus den Gemeindestuben Erfolg haben werden.

 

 

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