„Im Dienste der Menschen“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Gottlieb Pomella: Daniel Defoes Roman "Robinson Crusoe". Bei meiner ersten Lektüre als Grundschüler begeisterten mich Einfallsreichtum und Überlebensstrategie, die der Schiffsbrüchige in seiner langen Isolation auf der einsamen Insel entwickelte. Gleichzeitig faszinierte mich, wie es dem von Robinson anfänglich als Sklaven gehaltenen Freitag gelang, seinen Herrn nach und nach als Freund zu gewinnen.
Während meines Universitätsstudiums bin ich über den Linguisten und Sozialkritiker Noam Chomsky wieder auf Robinson gestoßen. Chomsky ortet in den zeitlich gerafften Entwicklungsstufen Robinsons vom Sammler und Jäger zum Plantagenbesitzer ein Gleichnis für den durch Arbeitseifer und Protestantismus begünstigten Kapitalismus und Kolonialismus des europäischen Bürgertums.Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
„Ich gehe barfuß, Mama! Ich habe deine liebevoll gestrickten Wollsocken ausgezogen. Ich werde mir auf dem kalten Betonboden die Blase erkälten. Ich will Erde unter den Füßen haben oder Gras, betautes Gras.“
Christine Brückner schließt in ihrem Buch „Wenn du geredet hättest, Desdemona“ mit diesen Worten Gudrun Ensslins fiktive „Rede gegen die Wände der Stammheimer Zelle“. Die Pfarrerstochter hatte sich mit Gleichgesinnten „in die Räder der Geschichte geworfen und sind in die Speichen geraten“ (Christine Brückner).
Bei ihr bleiben die Inhalte hängen und sie erzählt mir davon.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Die Aufforderung ernst nehmend will ich nicht schleimen, aber auf das „Val di Non“ von Oswald Egger kann ich mir trotz wiederholten Versuchs keinen Reim machen. Der Autor schreibt angeblich nicht um gelesen zu werden. Ich bin immer noch der Meinung, die Kunst ist weder nur für die Kunst, noch für die Katz, wohl aber im Dienste der Menschen. Mit Georg Büchners in unmissverständlicher Sprache formuliertem Aufruf „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ hat Eggers Literatur wenig gemeinsam.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Tut mir leid, ich lese keine Lokalkrimis. Der politische und (un)kulturelle Alltag Südtirols liefert täglich genügend echte Kriminalfälle, als dass ich auf eine literarische Fiktion solcher zurückgreifen müsste.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Jenen meiner Frau. Sie war Lehrerin und Bibliothekarin und liest mehr und vor allem schneller als ich. Bei ihr bleiben die Inhalte hängen und sie erzählt mir davon. Ich orientiere mich mehr an der Sprache der Autoren.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Keines. Handelt es sich wirklich um eine einsame, von Menschen unbewohnte Insel, braucht dort niemand ein Buch, weder ein gutes, noch ein schlechtes. Eine menschenleere Insel als Entsorgungsstätte für schlechte Literatur birgt die Gefahr, dass es irgendwann doch einen neuen Robinson dorthin verschlagen könnte, dem damit schlecht gedient wäre.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich lese keine Bücher am E-Book. Nicht weil ich „das Rauschen des Blätterns“ vermissen würde. Vermissen würde ich die Orte der Handlung und die Gesichter der Protagonisten der Geschichte. Ich bedarf eines Raumes für beides. Den finde ich auf dem Papier, immer noch, irgendwie.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
„Wundränder“ von Sepp Mall. In einfacher, einfühlsamer Sprache schreibt Mall über schmerzhafte zwischenmenschliche Beziehungen vor dem Hintergrund einer für Südtirol schmerzhaften Zeit, ohne Pathos, ohne Anklage.
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