Politics | Gemeindewahlen

Eppan sucht politischen Nachwuchs

Schafft Eppans Bürgerlisten-Bürgermeister Trettl eine zweite Amtsperiode? Von politischer Teamarbeit, dem Ende einer Bürgerliste und allgemeiner Politikmüdigkeit.

Sie zählten zu den Stars der vergangenen Gemeinderatswahlen: Guido Blocher, erster italienischsprachiger Bürgerlisten-Bürgermeister im Hochpustertaler Dorf Toblach, und Wilfried Trettl, der Bürgerlisten-Gemeinderat, dem es 2010 gelang, der Südtiroler Volkspartei in ihrer Überetscher Hochburg Eppan das Bürgermeisteramt abzuluchsen. Fünf Jahre haben beide mit der Südtiroler Volkspartei regiert. „Ich will das Dorf nicht spalten“, sagt Bocher am Ende dieser Erfahrung, und kündigt angesichts der Bürgermeisterambitionen von SVP-Hoffnung Herbert Santer seinen politischen Rückzug an. Ganz anders sieht die Situation in Eppan aus. „Ich trete wieder als Bürgermeisterkandidat an“, sagt Wilfried Trettl. „Und zwar für die Bürgerliste, und nicht für die Volkspartei“.

Eine Option, die nach dem fünfjährigen Menage à trois mit dem PD auch SVP- Ortsobmann Philipp Waldthaler nicht ausgeschlossen hatte. Immerhin ist der Eppaner Bürgermeister ein sehr beliebter Mensch, schon vor seinem Amt bestens im ganzen Dorf vernetzt und überall gerne gesehen. „Der Trettl wird Bürgermeister bleiben“, ist man deshalb in Eppan vielerorts überzeugt. Und das obwohl oder gerade weil er keineswegs die Rolle des Ahrntaler Pioniers Hubert Rieder spielt, der vor mittlerweile 20 Jahren die SVP-Vorherrschaft im Ahrntal gebrochen hat. In Eppan dagegen war in den vergangenen Jahren kaum zu spüren, dass ein Bürgerlistler die Gemeinde führe, heißt es. „Da spürte man keinen Unterschied zur SVP, anzi, der Trettl tendiert teils noch mehr nach rechts als die Volkspartei“, lautet eine Einschätzung von der Oppositionsbank im Eppaner Gemeinderat.

„Die Zeit der Dorfkaiser ist vorbei, heute ist in den Gemeinden Teamarbeit jenseits von Parteipolitik angesagt.“

Dort hält Trettls Bürgerliste sechs Mandate, 15 dagegen der Koalitionspartner SVP. Doch es sind nicht nur solch nackte Zahlen und das friedfertige Wesen des Bürgermeisters, die solche Einschätzungen erklären. „Die Zeit der Dorfkaiser ist vorbei“, findet Trettl selbst. „Heute ist in den Gemeinden Teamarbeit angesagt.“ Und zwar möglichst jenseits von Parteipolitik, wie die Idealvorstellung des Eppaner Bürgermeisters lautet. „Eine Gemeinde braucht eine politische Verwaltung, aber keine parteipolitische Verwaltung“, ist er überzeugt. Sein Ideal? Ein Wahlsystem, in dem die BürgerInnen unabhängig von Listenzeichen die geeignetsten Menschen für die Verwaltung ihrer Gemeinde wählen könnten. Auch wenn Trettl davon bislang nur träumen kann – zumindest die Arbeit seines  Ausschusses lässt er nicht nach Parteisymbolen dividieren. „In Eppan kann niemand sagen, dass mit dem Bürgermeister nichts beschlossen wurde oder umgekehrt“, stellt er klar. „Das war die Arbeit eines Teams, für das alle Verantwortung tragen.“

Wie profiliere ich mich gegenüber meinem Koalitionspartner?

Eine Haltung, die dem großen Koalitionspartner im bevorstehenden Wahlkampf nicht gerade entgegenkommt. Denn es ist klar, dass die Volkspartei wieder mit einem eigenen Bürgermeisterkandidaten antreten wird. Wer das wird, soll in diesen Tagen entschieden werden. In Poleposition ist derzeit trotz so manchem parteiinternen Zweifel der 31-jährige Ortsobmann und Wirtschaftsreferent Philipp Waldthaler. „Wir müssen dringend eine Trendumkehr schaffen“, oder „Es braucht mutige Entscheidungen“, tönte der in den vergangenen Tagen medial in Zusammenhang mit Gemeindeschulden und ausständigen Investitionen. Tatsächlich sieht die Bilanz des scheidenden Ausschusses ziemlich mickrig aus. Denn die Instandhaltung von Abwasserleitungen oder neue Glasfaserkabel lässt sich nun mal weit schlechter verkaufen als große Infrastrukturprojekte oder zumindest längst überfällige Sanierungen wie jene der Raiffeisenhalle. Doch schafft es die SVP als starker Regierungspartner mit solchen Themen wieder einen Teil jener Wähler zurückzubekommen, die ihr in den vergangenen zehn Jahren abhanden gekommen sind?

Einen Stimmenverlust von fast einem Viertel musste der damalige Dorfkaiser Franz Lintner bereits 2005 verkraften; bei der letzten Wahl fiel man zwar nur mehr von 52 auf 49,6 Prozent zurück. Doch die Niederlage von SVP-Bürgermeisterkandidat Rudolf Gutgsell gegen Trettl bei der anschließenden Stichwahl brennt wohl immer noch genug, um mit klaren Ambitionen in diese Wahl zu gehen. Ein Argument, auf das Jungspund Philipp Waldthaler dabei setzen dürfte, heißt sicher Erneuerung. Denn ein beachtlicher Teil der SVP-Gemeinderäte wird mit dem Ende der Legislatur das Handtuch werfen. Auch bekannte Gesichter wie die Referentinnen Wally Kössler und Ehrentraut Riegler Troger scheinen wenig Interesse an einer weiteren Legislatur zu haben. „Wir werden einen Neustart mit einer kompetenten Kandidatenliste machen, um die wichtigsten Reformen und Infrastrukturvorhaben in Eppan vorwärtszubringen“, lautet ein erstes Wahlversprechen des SVP-Ortsobmanns.

Eppan Aktiv sucht Erben

Eine der großen Fragen ist jedoch, ob sich dafür bis zur Frist vom 9. April überhaupt ausreichend interessierte KandidatInnen fnden. Denn nicht nur die Volkspartei tut sich vor diesen Gemeinderatswahlen bluthart, politischen Nachwuchs zu finden. „Es ist wirklich nicht einfach“, bestätigt auch Martin Malissa, derzeit einzig verbliebener Gemeinderat der einst legendären interethnischen Oppositionsliste Eppan Aktiv.  Sechs Gemeinderäte hatte die vor 25 Jahren gegründete Bürgerliste noch in der vergangenen Legislatur gestellt; immerhin vier waren es nach der Wahl im Jahr 2010. Doch dann folgte der Zerfall bzw. ein internes Zerwürfnis zwischen Ex-Gemeinderat Giorgio Dal Prá und dem Rest der Liste. Die drei Gemeinderäte Ingrid Pertoll-Froner, Caroline Klotz und Andreas Pertoll sitzen seither als parteiunabhängige Ratsfraktion im Eppaner Gemeinderat; auf Dal Prá folgte Martin Malissa.

Doch bereits seit vergangenem Herbst steht klar, dass Eppan Aktiv nach einem Viertel Jahrhundert genauso wenig weitergeführt wird wie die  Unabhängige Ratsfraktion. Statt dessen will die bisher entschlossenste Opposition im Eppaner Gemeinderat das Ruder an die nächste Generation weitergeben. „Beweg’ dich, damit es in Eppan weiterhin eine kritisch-konstruktive Opposition gibt“, heißt der Aufruf, mit dem die noch verbliebenen Erben von Eppan Aktiv am Abend des 6. Februars in einem Treffen für die Gründung einer neuen Bürgerliste mobilisieren möchten. Eine Liste, die sicher nicht mehr unter dem Namen „Eppan Aktiv“ firmieren wird, wie Malissa klarstellt. Auch soll ihr außer möglicherweise in einer Übergangsphase auch niemand der alten Garde mehr angehören. Denn, wie es scheint, kann auch bei eingefleischten Oppositionellen die Politikverdrossenheit einziehen. „Die Arbeit in der Opposition wird immer  aufwändiger und irgendwann kommt doch ein wenig der Frust, nichts ausrichten zu können“, sagt Malissa. „Gleichzeitig muss man immer mehr arbeiten, und es bleibt immer weniger Zeit für die Politik.“ Persönliche Erfahrungen, die jedoch laut Hoffnung der Bürgerlistler keineswegs all jene Menschen abschrecken sollen, denen „eine fortgesetzte alternative, kritische und konstruktive Gemeindepolitik in Eppan am Herzen liegt“. Und was passiert, wenn sich nicht ausreichend Kandidaten für eine neue Liste finden? „Dann wird es in der nächsten Legislatur eben keine solche Opposition mehr geben“, meint Malissa. Den künftigen Bürgermeister würde das wohl kaum stören.

 

Bild
Profile picture for user Martin B.
Martin B.

„Da spürte man keinen Unterschied zur SVP, anzi, der Trettl tendiert teils noch mehr nach rechts als die Volkspartei“: mit Verlaub, geht es um den Politikstil oder um politische Grundausrichtungen? Zweitere sollen die Wähler entscheiden, ersteren haben die Politiker zu verantworten. Solche Aussagen sind sinnlos und klingen nach "ich darf nicht mitgestalten"-Beleidigten.

Tue, 01/27/2015 - 19:07 Permalink