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The Tragedy of Macbeth

Joel Coen versucht sich an Shakespeare – ohne seinen Bruder, doch dafür mit umso mehr Kompromisslosigkeit.
Macbeth
Foto: A24

Es gibt im Grunde nur noch zwei Wege, um ein Werk von William Shakespeare in der heutigen Zeit für das Kino zu adaptieren. Der erste nennt sich Modernisierung und verlangt einen Schauplatz, der der unseren Welt zumindest ähnlich ist, der den Zeitgeist spiegelt und gesellschaftliche Tendenzen in die angestaubte Geschichte einwebt. So geschehen ist es beispielsweise in „West Side Story“ von 1961, wenngleich man sich in diesem Fall nicht offiziell der „Romeo und Julia“-Vorlage bedient, doch die Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen (Ein Fehler im Übrigen, den Steven Spielberg in seiner jüngsten Neuverfilmung begangen hat; nämlich die Geschichte erneut in den 60ern stattfinden zu lassen und somit Antiquarisches antiquarisch zu erzählen). Die zweite Methode, um Shakespeare heute zu verfilmen, ist der Weg der Abstraktion. Was allzu deutlich auserzählt wurde, muss auf seine Grundzüge reduziert werden, um den Kern der Geschichte unter all dem Bombast überhaupt noch ausmachen zu können.

 

Für diesen zweiten Weg hat sich der Filmemacher Joel Coen entschieden. Normalerweise für seine inzwischen jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Bruder Ethan bekannt, ist „Macbeth“ nun das erste Solo-Projekt des Regisseurs. Im Œuvre des Mannes sticht der neue Film deutlich hervor, inhaltlich, doch auch stilistisch. Zunächst fehlt der Coen-typische schwarze Humor, was der Vorlage geschuldet ist, doch auch optisch geht Joel Coen hier ganz eigene Wege. Um sich der Figur des Macbeth, seiner Frau und den vielen anderen, zwielichtigen Figuren anzunähern, entscheidet er sich für eine reduzierte Erzählweise. Das Ensemble, hochkarätig besetzt mit unter anderem Denzel Washington und Frances McDormand, spricht durchgehend die Original-Dialoge von Shakespeare. Jegliche Geschehnisse finden in schlichten, beinahe modern wirkenden Bauten statt, wo das Licht hart fällt und schwarze Schatten sich mit der scheinbaren reinen Oberfläche abtauschen. Die wird alsbald von Blut benetzt, doch auch das Blut bleibt grau, denn der Film präsentiert sich in kontrastreichem Schwarz-Weiß, außerdem im Bildformat 4:3, und mutet so weniger an wie als stamme er aus einer anderen Zeit, sondern vielmehr erhält er dadurch eine gewisse Zeitlosigkeit. Gepaart mit der zeitlosen Geschichte entsteht so ein Werk, welches gestern, heute, und mit Sicherheit auch morgen als monolithisches Kunstwerk existieren kann. Der Film steht für sich selbst, es gibt in ihm kein Außen. Die ungemein dicht gewebte Atmosphäre verbreitet sich bereits in der berühmten ersten Szene, in der Macbeth den drei Hexen begegnet, hervorragend unheimlich dargestellt von Kathryn Hunter, und lässt das Publikum bis zum tragischen Schluss nicht mehr aus ihrer Umklammerung. Joel Coen schafft es, seinen Film wie ein Gedicht wirken zu lassen. Poetisch in der Bildsprache und dem Drehbuch, der Musik und den (allesamt im Studio gebauten) Kulissen, in sich abgeschlossen und keiner Kürzung bedürftig, respektive eines weiteren Wortes nötig.

 

Es ist erstaunlich, wie naturalistisch die Schauspieler*innen die allzu theatralischen Shakespeare-Dialoge sprechen. Obwohl es sich um einen Bühnentext handelt, wirkt das Spiel zu keiner Zeit theater-artig. Man glaubt den Figuren ihre inneren Schlachten. Die Gefühle, die Macbeth erst nach oben bringen, und schließlich in die Tragödie stürzen, sind echt, und in ihrer Echtheit erkennt man die große Stärke der Vorlage, nämlich die Universalität des Stücks. Coens Film spielt im Mittelalter, ist aber kein Film über das Mittelalter. Er schert sich nicht um Historizität, präsentiert so auch ein sehr diverses Ensemble, und erzählt die Geschichte mit der nötigen Hingabe, zwar reduziert, doch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel voll ausschöpfend. Weniger ist meist mehr, diesen Rat könnte man etwa der Macbeth-Verfilmung (Justin Kurzel) von 2015 geben. Oftmals ist der Blick auf das Wesentliche lohnenswerter als das Vergessen desselben zugunsten einer Inszenierung, die jegliche Reize überflutet, nur um kaschieren, dass man selbst zum Kern nicht vorzustoßen weiß.

 

The Tragedy of Macbeth | Official Trailer HD | A24