Sports | Interview

„Ich mache einfach nur meinen Sport“

Ex-Gemeinderätin in Margreid und Kandidatin der Grünen bei den Landtagswahlen Lea Casal im Gespräch mit SALTO über ihre Erfahrungen im Vereinsfußball & Unterstellungen
Casal
Foto: Stefania Serafini
  • Lea Casal: „Diese Attitüde von „ist halt nur Frauenfußball“ habe ich oft als Druck wahrgenommen.“ Foto: Stefania Serafini

    SALTO: Lea, Welche Erfahrungen hast du im Vereinsfußball gemacht?

    Lea Casal: Ich habe früh begonnen mit dem Fußball, seit ich sechs Jahre alt bin. Es war cool für mich, weil auch meine Schwestern gespielt haben, daher wollte ich es natürlich auch machen. Da hatte ich auch das Glück, dass es im Unterland schon eine Frauenmannschaft gab. Daher habe ich auch nie mit Buben gespielt, was in meiner Laufbahn sicher ein positiver Faktor war. Mit der Zeit habe ich mit immer erfahreneren Spielerinnen zusammengespielt. Da lernte man viel, auch wie man mit gewissen Sachen umgeht.

     „Frauenfußball? Du bist sicher homosexuell.“

    Wie waren die Wahrnehmungen in deinem Umfeld?

    Es hat in der Mittelschule angefangen. Da hieß es „Frauenfußball? Du bist sicher homosexuell.“ Das war einer der ersten „Konflikte“, die ich im Kontext von Frau und Fußball erlebte.

    Aber innerhalb deiner Familie standen alle dahinter?

    Ja, wir haben schon immer im Hof gespielt, auch mit den Nachbarn. Viele haben es auch als positiv angesehen. Ich bin daheim immer super unterstützt worden... Meine Schwestern haben es irgendwann gelassen und ich habe weitergemacht. In der Mittelschule wurde man eben mit dem Stereotyp konfrontiert, so nach dem Sinne Frauenfußball gleich lesbisch. Wo steht das jetzt geschrieben? Wenn 22 Männer miteinander spielen und duschen gehen, sagt das niemand... Hat für mich noch nie einen Sinn gehabt, aber das merkt man leider heute noch. Da wird man einfach so abgestempelt.

  • Welche weiteren Erfahrungen hast du gemacht?

    Ich habe heute noch Diskussionen mit verschiedenen Mamis, die mich ziemlich traurig machen. So erzählte mir beispielsweise eine, dass ihre Tochter gern Fußball spielen würde, und ich sagte „toll, lass sie machen“, erstens ist es immer eine sportliche Betätigung und zweitens hilft es beim gemeinschaftlichen Denken, beim Teamdenken. Sie meinte aber „du weißt doch, wie die Mädchen beim Fußball werden, beim Fußball wird sie sicher auf Frauen stehen.“ Das sind Aussagen, die mich trafen. Auch bei den Spielen gibt es Rufe von der Tribüne wie „Kampflesben“. Solche Sachen haben mich blockiert im Spiel. Ich mache einfach nur meinen Sport, mein Hobby.

    Und wie hat sich das verändert?

    Frauenfußball hat in den letzten Jahren einen Aufschwung gekriegt, nicht nur in Südtirol, sondern in ganz Italien. Aber wenn du alleine mit jemandem redest und sagst, du spielst Fußball, „ach, bist du Lesbe?“

    Also hörst du das immer noch häufig?

    Ja. Auch wenn man zuschauen geht, hört man Sätze wie: „Wer ist jetzt mit wem zusammen?“ Der Ausdruck „Kampflesbe“ war einer der schlimmsten.

    Wie gehen du und Teamkolleginnen heutzutage mit solchen Ausdrücken/Vorfällen um?

    Viele haben leider einfach schon viel Erfahrungen mit solchen Dingen. Der Anfang war schwer, da schwirren Gedanken im Kopf wie „jetzt muss ich mich auf dieser oder jener Art verhalten, damit die Leute nicht sonst was meinen.“ Mittlerweile sind mir diese Aussagen egal, jede von uns weiß selber, was ist oder nicht ist. Aussagen wie die der Mutter von vorher schockieren mich. Sport sagt doch nichts über deine Sexualität aus. Es gab Momente, wo ich wirklich wütend wurde. Mittlerweile habe ich gelernt damit umzugehen. Je mehr man drüber redet, desto mehr wird es enttabuisiert, aber, oft reden sie trotzdem das, was sie wollen, und darauf gehe ich einfach nicht mehr ein.

    Gab es vereinsintern auch derartige Vorfälle?

    Habe ich nie erlebt, eher im Gegenteil. Du wurdest in Schutz genommen, dir wurde gut zugeredet.

     Für manche ist es mehr ein negativer Reiz als eine Motivation. Für mich ist es ein Ansporn.

    Wie gestaltet sich der Druck?

    Diese Attitüde von „ist halt nur Frauenfußball“ habe ich oft als Druck wahrgenommen. Männerfußball ist natürlich viel medialer und da war auch der Druck, den ich mir selbst machte, Frauenfußball mehr zu mobilisieren, zu zeigen, dass das auch wichtig ist. Ich habe oft versucht, Leute mitzunehmen, das heißt männliche Freunde, die Frauenfußball ins Lächerliche zogen im Sinne von „schaut es euch einfach mal an“, die die dann zugaben, dass Intensität da ist, dass es schöner Fußball ist. Nur weil es Frauen sind, heißt es nicht, dass sie es nicht können. Klar ist das Niveau anders. Der negative Eindruck von Frauenfußball hat sich nach dem Zuschauen in allen Situationen ins Positive verändert.

    Es ist also der Druck da, dass man mehr zeigen, sich beweisen will?

    Ja. Situationen, wo wir spielten und ein Verein, der auf das Feld wartete, zuschaute, da spürten wir schon Druck. Das war danach auch Thema in der Kabine, so Fragen wie „haben sie gelacht?“. Fußball wird als Männersport eingestuft, aber wir haben das Potential zu beweisen, dass es nicht so ist.

    Dieser Druck kann sich demnach auch positiv gestalten?

    Es ist für alle anders. Für manche ist es mehr ein negativer Reiz als eine Motivation. Für mich ist es ein Ansporn sich zu beweisen, sich reinzubeißen, einen Sprint mehr zu machen.

    Fußball generell war die beste Erfahrung.

    Andere Herausforderungen und Besonderheiten?

    Was Finanzielles und Investitionen angeht, gibt es riesige Unterschiede. Es sind vielleicht Kleinigkeiten, aber wenn man involviert ist, merkt man sie stark. Wir kriegen die schlechteren Sachen, Sachen, die nicht mehr benutzt werden, das neue kriegen die Männer. Die Gelder werden einfach anders investiert. Das ist aber eine Entscheidung von jedem Verein selbst. Aber ich meine, wir geben den gleichen Einsatz für den Verein, für die Farben.

    War der Vereinsfußball im Gesamten gesehen aber eine positive Erfahrung?

    Absolut. Fußball generell war die beste Erfahrung. Auch in den Vereinen, wo ich war, habe ich intern mit niemanden je schlechte Erfahrungen gemacht.