Politics | CH-Volksabstimmung

Für eine pestizidfreie Landwirtschaft

Im kommenden Juni 2021 werden die Schweizer über ein weitreichendes Verbot von Pestiziden in der Landwirtschaft abstimmen. Und Südtirol?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Pestizid
Foto: Suedtirolfoto/O.Seehauser

Am 13. Juni 2021 könnte die Schweizer Wählerschaft dafür sorgen, dass es in der Landwirtschaft zu einer Umwälzung kommt. Wenn die Volksinitiative „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ angenommen wird, müssten viele Bauern ihren Betrieb neu ausrichten, der heute Böden, Trinkwasser und Artenvielfalt schadet. Die Pestizidverbots-Initiative fordert ein Verbot synthetischer Pflanzenschutzmittel in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege. Das gilt auch bei Importen. Bei einer Annahme würde die Schweiz sozusagen zu einem „Bioland.“ Allein schon wegen der Argumentation und Aufmachung lohnt ein Blick in die Kampagnenwebseite: https://lebenstattgift.ch/

Diese Volksinitiative wird vom Schweizer Bauernverband (dem SBB der Schweiz) und vielen weiteren landwirtschaftlichen Organisationen bekämpft. Entschieden gegen die Initiativen wendet sich auch die Lebensmittelindustrie. Diese dürfte nur noch Bio-Produkte verarbeiten, da der Import von konventionellen Produkten verboten würde. In dieser Hinsicht tut sich das Nicht-EU-Mitglied Schweiz leichter, einen eigenen, umweltfreundlichen Weg zu gehen. Zwar warnt der Bauernverband, dass die Umsetzung die WTO-Verpflichtungen der Schweiz verletzen würde, doch hat der Gesetzgeber immer den nötigen Spielraum, dies im Umsetzungsgesetz zu berücksichtigen.

Für die Schweizer Landwirtschaft könnte die Umsetzung der Pestizid- und Trinkwasser-Initiative ein Befreiungsschlag sein. Die Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) steht hinter der Volksinitiative für eine pestizidfreie Schweiz. Mit den Promotoren und Umweltschutzverbänden hat sie eine schweizweite Abstimmungskampagne «Zukunft sichern, pestizidfrei produzieren» lanciert. Für die Kleinbäuerinnen ist ein Systemwechsel unabdingbar. «Die industrielle, auf Chemie basierende Landwirtschaft ist nicht mehr zeitgemäß», sagt Regina Fuhrer-Wyss, Präsidentin der VKMB, „Nur mit pestizidfreier Produktion können wir gesunde Lebensmittel, ertragreiche Böden und die nötige Biodiversität bewahren – und damit eine gesunde Schweiz der Zukunft auch für unsere Kinder.“ Für Fuhrer ist klar, dass freiwillige Maßnahmen nicht ausreichen. Sie begrüßt außerdem, dass die Vorgabe auch für importierte Produkte gilt. Die Landwirtschaftsbetriebe und alle anderen Betriebe von Privaten und der öffentlichen Hand, die noch nicht «pestizidfrei» produzieren, erhalten zehn Jahre Zeit für die Umstellung.

Und Südtirol? Das Trentino und Südtirol sind in Italien Spitzenreiter beim Einsatz von Pestiziden. 2018 sind laut einer kürzlich veröffentlichten Studie (Institut Ramazzini) in der Region 24,1 kg/ha an Fungiziden ausgebracht worden, 13 kg/ha an Insektiziden und 0,8 kg/ha an Herbiziden. Der gesamtstaatliche Durchschnitt lag wesentlich darunter (3,55 kg/ha an Fungiziden, 0,6 kg/ha an Insektiziden). Auf der anderen Seite erhielten die Südtiroler Obstvermarktungsgenossenschaften 2018 EU-Beiträge in großem Stil: 2018 gingen an die VOG 17,05 Mio Euro und an die Vinschger VI.P 8,54 Mio. Euro. Im neuen 7-Jahresprogramm der EU-Agrarpolitik (GAP) hat man es verabsäumt, die EU-Beitragsvergabe strenger an die Reduzierung oder an den Verzicht auf überflüssige Pestizide zu knüpfen. Um die Interessen der Verbraucherinnen und der Bürger allgemein auf gesunde Lebensmittel, auf den Schutz von Artenvielfalt, Wasser und Böden geltend zu machen, steht auch in Südtirol seit Dezember 2018 (LG Nr. 22/2018) der Weg der Volksinitiative offen. „Es gibt weder unüberwindbare technische Hindernisse noch unakzeptable Erträge, die uns daran hindern könnten, bis 2030 eine Schweiz zu erreichen, die absolut frei ist von synthetischen Pestiziden“, schreiben die Schweizer Promotoren. Das gilt genauso für Südtirol. Eine Volksinitiative könnte zumindest die öffentliche Debatte über den übertriebenen Pestizideinsatz befeuern.