Elly Schlein
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Politics | PD-Fussvolk wählt

"E´un terremoto"

Das Fussvolk des Partito Democratico wählt mit Elly Schlein erstmals eine Frau zur Parteichefin: "Con me una piccola e grande rivoluzione"
Die kürzeste und prägnanteste Analyse liefert der Corriere della Sera in nur drei Worten: "E´un terremoto." Elly Schlein, die als erste Frau den Vorsitz des krisengeschüttelten Partito Democratico übernimmt, ist sich der historischen Tragweite ihres Erfolg durchaus bewusst: "Abbiamo fatto una rivoluzione. Un mandato chiaro a cambiare davvero. Faremo vera opposizione." Ihren mit 53,8 Prozent errungenen Sieg über Emiliens Präsidenten Stefano Bonaccini verdankt sie dem Norden der Halbinsel und den grossen Städten. Auch die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung wesentlich höher war, verdankt sie wohl ihrer keineswegs alltäglichen Erscheinung und ihrem unverblümten Stil, der auf die üblichen Floskeln verzichtet, die Italiens Politik seit Jahrzehnten prägen.
Die meisten ihrer Anliegen sind diametral entgegengesetzt zu jenen der Regierungschefin Giorgia Meloni.
Wie man einen überzeugenden Wahlkampf führt, hat die in Lugano geborene Schweizerin bereits 2008 und 2012 als Mitglied im Wahlkampfteam von US-Präsident Barack Obama gelernt. Wegen ihres steilen Aufstiegs und ihres politischen Engagements wird sie oft mit der demokratischen US-Politikerin Alexandra Ocasio-Cortez verglichen. Die meisten ihrer Anliegen sind diametral entgegengesetzt zu jenen der Regierungschefin Giorgia Meloni. In rechten Medien wie Libero oder Il Giornale ist die viersprachige Schweizerin längst zur Hassfigur aufgestiegen. Die ehemalige EU-Parlamentarierin, die auf Einladung der Grünen mehrmals in Südtirol zu Gast war, verfügt über drei Staatsbürgerschaften - jene der Schweiz, der USA und Italiens. Ihr Grossvater war ein aus Lemberg stammender ukrainischer Jude, der in die USA ausgewandert war. Beide Eltern sind Univeritätsprofessoren - die Mutter in Italien und der Vater in der Schweiz. 2020 wurde sie auf der Lista coraggiosa ecologista e progressista in den Regionalrat Emiliens gewählt.
Dass eine Aussenseiterin gegen einen altgedienten und angesehenen PD-Vertreter wie Stefano Bonaccini gewinnen könnte, galt zunächst als nahezu unmöglich. Der weitgehend glücklose und nun scheidende PD-Vorsitzende Enrico Letta feiert die Wahl als "festa della democrazia." Der ehemalige Parteichef Achille Occhetto sieht Anlass zu Optimismus: "Nel PD è entrata aria nuova. Ora bisogna fondere utopia e pragmatismo."
Dass über eine Million Parteimitglieder sich trotz Regens an die Urnen bemühten, wird als Beweis dafür gewertet, dass im Fussvolk des Partito Democratico trotz aller Rückschläge noch Hoffung auf eine Wende besteht.