Culture | Reinventing Bach ?
„...eine sehr persönliche Fassung“
Foto: B. Gierga
Philipp Lamprecht ist ein vielseitig agierender Perkussionist mit Faible für Neues und Altes. Zusammen mit dem Tenor Benedikt Kristjánsson und der Cemabistin und Organistin Elina Albach, ist er einer der Akteure einer Trio-Version von Bachs Johannespassion, ein Projekt, das von Publikum und Kritikern internationale Anerkennung gefunden hat und nun in Bozen aufgeführt wird. Wir haben den Perkussionisten interviewt.
Salto.bz: Von diplomierten Hotelkaufmann in Meran zum anerkannten Perkussionist. Wie kam es dazu?
Salto.bz: Von diplomierten Hotelkaufmann in Meran zum anerkannten Perkussionist. Wie kam es dazu?
Philipp Lamprecht: Ich wurde in eine musikalische Naturnser Familie hineingeboren. Musik selber zu machen war also selbstverständlich. Nachdem ich, nicht zuletzt aufgrund der rauen Arbeitsbedingungen in der Gastronomie, schnell bemerkt habe, dass es mich auch beruflich zur Musik hinzieht, habe ich 2003 den Schritt gewagt und mich am Mozarteum in Salzburg mit dem Schlagzeug beworben. Dort studierte ich sieben Jahre bei Prof. Peter Sadlo, der sehr prägend für meine weitere Entwicklung war (und leider viel zu früh verstorben ist; er fehlt in der teils nur oberflächlich berauschenden Schlagzeugwelt sehr!).
Neben der üblichen Orchesterausbildung habe ich mich relativ rasch auf zeitgenössische Musik und generell Kammermusik spezialisiert.
Nach und nach wurde mein Spektrum breiter, sodass auch eine inhaltliche Ausdehnung auf Alte beziehungsweise frühe Musik hinzukam. 2020 habe ich dann noch ein Postgraduate-Studium angehängt bei Professor Reinhard Göbel, einer Ikone der Alten Musik in Deutschland.
Ich arbeite seit meinem Studium freiberuflich mit europäischen und außereuropäischen Ensembles zusammen, darunter mein Duo mit Anne-Suse Enßle, das Ensemble Continuum Berlin, die Oboenband La Petite Écurie, das Meitar Ensemble und auch das hervorragende Südtiroler ensemble chromoson. Von 2015 bis 2021 war ich zudem Lehrbeauftragter am Orff Institut der Universität Mozarteum.
Ich arbeite seit meinem Studium freiberuflich mit europäischen und außereuropäischen Ensembles zusammen, darunter mein Duo mit Anne-Suse Enßle, das Ensemble Continuum Berlin, die Oboenband La Petite Écurie, das Meitar Ensemble und auch das hervorragende Südtiroler ensemble chromoson. Von 2015 bis 2021 war ich zudem Lehrbeauftragter am Orff Institut der Universität Mozarteum.
Wie kam es zu der Idee, eine imposante Partitur für 9 Stimmen, Chor, Orchester und Orgel in ein Trio für Tenor, Cembalo und Orgel, sowie Schlagzeug zu verwandeln, und mit welcher Absicht?
Die Idee kam nach einem Konzert einer normalen Johannespassion, bei der Festivalleiter Steven Walter (Beethovenfest Bonn) so begeistert von Benedikt Kristjánssons Gesang war, dass er ihn fragte, ob er nicht einfach alle Solopartien singen könnte. Diese “Herausforderung” nam Benedikt an. Ich selbst kam erst zu einem späteren Zeitpunkt zu dem Projekt, als nämlich klar wurde, dass ein solcher Abend nicht nur mit Cembalo und Orgel (Elina Albach) zu stemmen sei.
2018 / 2019 haben wir mit den Vorbereitungen begonnen. Benedikt hat die Grobstruktur entwickelt, die Gesamtdramaturgie gestaltet (ein wichtiges Element sind die vom Publikum mitgesungenen Choräle) und die Arien ausgewählt, sowie den Schluss konzipiert und arrangiert. Elina hat sich um etwaige Kürzungen oder Verknappungen gekümmert und einige Instrumentierungsvorschläge für die Schlaginstrumente gemacht. Zu guter Letzt habe ich die Arrangements für meine Instrumente erstellt und natürlich einige Wochen daran geübt, um diese ungewöhnlichen musikalischen Aufgaben realisieren zu können.
Die Idee, die dieser Arbeit zugrunde liegt, ist der unnachahmlich starke und äußerst persönliche Vortrag des Passionsgeschehens von nur einer einzigen Person. Benedikt Kristjánsson singt nicht nur, sondern erlebt die Passion durch die Verkörperung sämtlicher Figuren, wie auch des Erzählers. Es ist eine sehr persönliche Fassung, die eng mit den schauspielerischen Qualitäten dieses Ausnahme-Sängers zusammenhängt und eigentlich kaum nachgeahmt werden kann.
Handelt es sich um eine Reduzierung oder eher um ein „Reinventig-Bach“ Projekt?
Weder noch. Die Reduzierung auf erfolgt lediglich durch die wesentlich geringere Anzahl der Ausführenden. Vielmehr handelt es sich um eine „Umschichtung“ der Stimmen auf neue Instrumente, nämlich der großen Familie der Schlaginstrumente. Gänzlich unverändert bleiben beispielsweise sämtliche Rezitative und die Choräle.
In den online verfügbaren Aufnahmen singt das Publikum, und laut den Präsentationsunterlagen wird dies auch in Bozen geschehen.
Das Publikum ist eingeladen, sich vorzubereiten?
Ja, darauf freue ich mich ganz besonders. Sobald alle mitmachen befinden wir alle uns nicht mehr “nur” in einem Konzert, sondern teilen ein gemeinsam getragenes Erlebnis (ähnlich wie bei Rockkonzerten, wo das Publikum meistens alle Songs mitsingt). Sich vorzubereiten macht dann Sinn, wenn man gerne die richtigen Töne singen will. Die stehen jedoch nicht im Vordergrund. Imperfektionen gehören dazu. Es reicht, die Sopranstimme mitzusingen.
Ich möchte gerne noch hervorheben, dass diese Art von Gemeindegesang das historische an dieser Aufführung ist. Bach hat äußerst bekannte Choräle genommen, deren Text und Melodie den Kirchengänger*innen bekannt waren.
Ich möchte gerne noch hervorheben, dass diese Art von Gemeindegesang das historische an dieser Aufführung ist. Bach hat äußerst bekannte Choräle genommen, deren Text und Melodie den Kirchengänger*innen bekannt waren.
Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass „die Schönheit die Welt retten wird“?
Ich wusste nicht, dass dieser Ausspruch von Dostojewski stammt. Umso mehr freut es mich, dass ich mit ihm übereinstimme. Schönheit als philosophischer Begriff impliziert sehr viele Aspekte, nicht nur „Ästhetik“. Auch unsere Johannespassion à trois ist nicht bloß ästhetisch, sondern in hohem Maße persönlich und berührend.
Ein Buch, das Ihr Leben prägte?
Hm, es ist schwer sich für nur ein einziges Buch zu entscheiden, da ich es in verschiedenen Lebensphasen verschiedene Bücher waren. Hermann Hesses „Narziß und Goldmund“ oder auch sein „Siddharta“ haben mich als Jugendlichen äußerst beeindruckt. Während des Studiums war es Richard Powers „Der Klang der Zeit“, da es in dem Roman um eine Musikerfamilie geht, die an der Gesellschaft scheitert. Aber auch Thomas Manns „Doktor Faustus“ war schon so ein Brocken, der mich nach bewältigter Lektüre erstmal länger noch beschäftigt hat.
Viel prägender als Lektüre war für mich als Musiker ein Konzert des Hilliard Ensembles in Latsch im Sommer 2004. Von da an war klar, dass ich zeitgenössische und alte Musik gleichberechtigt in meinem beruflichen und auch privaten Leben haben möchte.
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