Werte in Zeiten des Umbruchs - Teil 3
Der moderne Begriff von Demokratie scheint mit dem Relativismus unlöslich verbunden zu sein. Der Relativismus aber erscheint als die eigentliche Garantie der Freiheit, gerade auch der Religions- und Gewissensfreiheit. Die Menschenrechte sind der Inhalt der Toleranz und der Freiheit. Ein Grundbestand an Wahrheit, nämlich an sittlicher Wahrheit, scheint gerade für die Demokratie unverzichtbar zu sein.
Die Wahrheit ist nicht Produkt der Politik, also der Mehrheit, sondern geht ihr voran und erleuchtet sie. Nicht die Praxis schafft Wahrheit, sondern die Wahrheit ermöglicht rechte Praxis. Politik ist dann gerecht und freiheitsfördernd, wenn sie einem Gefüge von Werten und Rechten dient, das uns von der Vernunft gezeigt wird.
Die Vernunft, die ihre Wurzeln im Glauben einer christlichen, religiösen Kultur abgeschnitten hat und nur noch empirische Vernunft sein wollte, wurde blind. Das eigentliche Problem, vor dem wir heute stehen, ist die Blindheit der Vernunft für die ganze nicht-materielle Dimension der Wirklichkeit. Der Staat ist nicht selbst Quelle von Wahrheit und Moral, nicht auf dem Weg über die Mehrheit kann er Wahrheit selbst aus sich hervorbringen. Er muss deshalb das für ihn unerlässliche Maß an Erkenntnis und Wahrheit über das Gute von außerhalb seiner selbst nehmen.
In der Tat haben alle Staaten aus religiösen Überlieferungen, die ihnen vorlagen und die zugleich moralische Erziehung waren, die moralische Vernunft erkannt und angewandt. Die Kirche bleibt für den Staat eine „außen“, nur dann sind beide, was sie sein sollen.
Wenn wir nicht erneut in die Fänge des Totalitarismus geraten wollen, müssen wir über den Staat hinausschauen, der ein Teil und nicht das Ganze ist. Hoffnung auf den Himmel steht nicht gegen die Treue zur Erde, sie ist die Hoffnung auch für die Erde. Auf das Größere und Endgültige hoffend, dürfen und müssen wir Christen auch ins Vorläufige, in unsere Staatenwelt hinein Hoffnung tragen.
wird fortgesetzt