Unstimmiges Klagelied
Rund 15 Stunden dauerte es, bis man in der Sparkasse zufrieden war.
Diese Zeit verging zwischen dem Ende der Sitzung des Verwaltungsrates und der Aussendung der Pressemitteilung. Jedes Wort hat man dabei in die Waagschale gelegt. Um am Ende zu sagen, dass man nichts sagt.
Das Kommuniqué der Sparkasse, das am Mittwoch Mittag in die Redaktion flattert, ist genau sechs Zeilen lang. Es ist eine Presse-Nicht-Mitteilung mit dem Titel „Haftungsklage“:
„Die Südtiroler Sparkasse teilt mit, dass der Verwaltungsrat, auf der Grundlage der Analyse, die von den beauftragten Rechtsexperten durchgeführt wurde, beschlossen hat, der Gesellschafterversammlung die Abwägung einer eventuellen Haftungsklage gegen ehemalige Mitglieder des Verwaltungsrates, des Aufsichtsrates und den ehemaligen Generaldirektor zu unterbreiten.“
Nach dem bürgerlichen Gesetzbuch gibt es nur ein Organ, das über eine eventuelle Haftungsklage entscheiden kann: die Gesellschafterversammlung. Deshalb ist diese Mitteilung eigentlich völlig überflüssig.
Ihr Wert liegt aber darin, was man nicht sagt. Denn alle Beobachter waren davon ausgegangen, dass der Verwaltungsrat der Sparkasse am Dienstag in Sachen Haftungsklage eine Empfehlung an die Gesellschafterversammlung beschließt.
Dass man genau das nicht getan hat, ist nur der letzte Akt eines peinlichen Eiertanzes.
Der Ruf danach, die ehemalige Bankenführung zur Rechenschaft zu ziehen, keimte unter den Sparkassenaktionären schon im vergangenen Jahr auf. Im Sommer 2015 erteilte die Sparkasse den Mailänder Anwälten Bonelli, Erede & Partner den Auftrag für eine „Due Diligence“ zur geplanten Haftungsklage.
Franco Bonelli, der Doyen für Haftungsklagen in Italien, erläuterte persönlich im vergangenen August vor dem Verwaltungsrat der Sparkasse die juridischen Hintergründe einer Haftungsklage. „Es war eine beeindruckende Lektion“, schwärmt noch heute einer der Beteiligten von der Klarheit des Vortrages.
Doch Bonelli verstarb nur wenig später überraschend. Und plötzlich tauchte ein Problem auf.
Der entlassene Generaldirektor Peter Schedl hatte sich für seinen Arbeitsprozess gegen die Sparkasse bereits im Oktober 2015 dieselbe Mailänder Kanzlei genommen. In der Sparkasse merkt man aber erst fast ein Jahr später, dass es mit dem Auftrag zur Haftungsklage einen eklatanten Interessenskonflikt gibt.
Die Sparkasse muss sich deshalb eine neue Mailänder Kanzlei suchen, die den Auftrag übernahm. Innerhalb März sollten die neuen Anwälte das Rechtsgutachten liefern. Deshalb setzte man am 31. März die Haftungsklage auch auf die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung.
Doch die Anwälte lieferten das Rechtsgutachten nicht termingerecht. Deshalb ließ Sparkassenpräsident Gerhard Brandstätter den Tagesordnungspunkt im Haydn-Auditorium vertagen. Spätestens am 26. April würde das Gutachten vorliegen. Im Mai soll die Frage der Haftungsklage dann einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vorlegt werden.
Gerhard Brandstätters Ankündigung war kein leeres Versprechen. Am Dienstag lag das Rechtsgutachten dem Verwaltungsrat zur Diskussion vor. Auf der Sitzung wurde aber schnell klar, dass man kaum zu einem gemeinsamen Beschluss kommen wird.
Denn die Positionen gehen im Verwaltungsrat diametral auseinander. Ein Teil des Verwaltungsrates will die Haftungsklage unbedingt. Ein anderer Teil versucht alles, damit es dazu nicht kommt.
So ist sind etwa Präsident Gerhard Brandstätter, Verwaltungsrat Hans Krapf, aber auch Neo-Sparkassen-Verwaltungsrat Christoph Rainer offene Gegner einer solchen Aktion. Verständlich wird das aus dem engen beruflichen und privaten Geflecht mit jenen, die die Haftungsklage betreffen würde.
Brandstätter war mit dem früheren Sparkassenpräsidenten Norbert Plattner einer der Gründer und Motoren der „Euregio Finance AG“ (derzeit steht ein Fusionsprojekt mit der Botzen Invest AG vor dem Abschluss). Plattner sitzt auch heute noch im Aufsichtsrat der Euregio Finance. Präsident dieses Gremiums ist der frühere Sparkassenverwaltungsrat Walter Außerhofer. Ein weiterer Euregio Finance-Verwaltungsrat ist Hans Krapf. Geschäftsführer dieser Finanzierungsgesellschaft war jahrelang ausgerechnet der neue Sparkassen-Verwaltungsrat Christoph Rainer.
Diese Zusammenhänge machen verständlich, dass diese Gruppe ihre Weggefährten oder Arbeitgeber wohl kaum frontal angreifen will.
Auf der anderen Seite sitzt im Verwaltungsrat Carlo Costa. Costa spricht sich seit langem offen für eine Haftungsklage aus. Und der Sparkassenvizepräsident ist im Verwaltungsrat nicht der Einzige, der ein Vorgehen gegen die früheren Verwalter für unerlässlich hält.
Weil man am Dienstag im Verwaltungsrat eine Kampfabstimmung vermeiden wollte, einigte man sich nach langer Diskussion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Nämlich nichts zu sagen.
Gleichzeitig reicht man die heiße Kartoffel an die Stiftung Sparkasse weiter.
Die Stiftung hält 66,85 Prozent an der Bank. Die Stimme des Präsidenten allein entscheidet damit auf der Gesellschafterversammlung, ob es zu einer Haftungsklage kommt oder nicht.
Derzeit werden die Gremien der Stiftung grundlegend erneuert. Am Mittwoch Nachmittag wurde der neue Stiftungsrat nominiert. Am 10. Mai werden der Verwaltungsrat und der neue Stiftungs-Präsident gewählt werden.
Es dürfte die Wahl sein, bei der sich auch das Schicksal von Norbert Plattner & Co entscheiden wird.
.... und die restlichen 33,15
.... und die restlichen 33,15 % der Bankeigentümer, nämlich die Kleinaktionäre, werden erst gar nicht um ihre Meinung bezüglich Haftungsklage gefragt.