Environment | Schmetterlinge

Filigrane Flieger

Schmetterlinge zählen zu den zauberhaftesten Erscheinungen im Tierreich, deren Reiz sich kaum jemand entziehen kann.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Baumweisslinge
Foto: Anna Pichler

Text: Judith Egger

Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Alpenverein Südtirol
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Jeder freut sich über die bunten Flieger, die verspielt über die Wiesen flattern, auf den Blüten verweilen und dann anmutig zur nächsten Futterquelle weitereilen. Sie zählen zu den am besten untersuchten Tiergruppen und begeistern mit ihren Formen- und Farbenvielfalt auch zahlreiche Hobbyforscher. Nicht umsonst werden sie vielfach als „fliegende Edelsteine“ beschrieben. In der Mythologie als Krafttiere bezeichnet, schenken sie dem Menschen das Gefühl von Leichtigkeit, Freude und Verspieltheit.  

Schmetterlinge tragen den wissenschaftlichen Namen "Lepidoptera", das bedeutet „Schuppenflügler“. Damit wird das wesentliche Merkmal dieser Insektenordnung beschrieben: Die vier Flügel sind dicht mit einzelnen Schuppen bedeckt, welche für die Färbung und Zeichnung verantwortlich sind. Schmetterlinge bilden innerhalb der Ordnung der Insekten eine Familie mit weltweit etwa 160.000 beschriebenen Arten. Durchaus realistische Schätzungen gehen von einer globalen Vielfalt von etwa einer halben Million Schmetterlingsarten aus. Südtirol hat mit über 3.100 Arten im Vergleich zu Mitteleuropa mit etwa 4.000 Arten eine große Vielfalt aufzuweisen. Wenngleich wir beim Begriff Schmetterling zunächst an die gefälligen, bunten Tagfalter denken, machen sie – für Südtirol gesprochen – nur zehn Prozent an der Gesamtvielfalt aus. Die große Vielfalt der heimischen Schmetterlinge ist in der Dämmerung und Nacht aktiv.

Eine korrekte Einteilung dieser großen Gruppe ist schwierig und wird ständig überarbeitet. Weit verbreitet ist die Einteilung in Tag- und Nachtfalter. Allerdings ist diese Einteilung wissenschaftlich gesehen nicht ganz korrekt. Als Kompromiss zwischen Wissenschaft und praxisorientierter, traditioneller Einteilung erscheint die Unterteilung in Kleinschmetterlinge, Tagfalter und Nachtgroßschmetterlinge.

Lebensräume

Schmetterlinge besiedeln ein weites Spektrum an Lebensräumen: allen voran naturnahe, extensiv bewirtschaftete Offenlandschaften mit Wiesen, Weiden und Äckern, Moore und Feuchtgebiete, verschiedene Waldgesellschaften, aber auch subalpine und alpine Lebensräume, sowie die Umgebung von Gewässern und Siedlungsgebiete. Viele dieser Habitate sind durch die menschlichen Aktivitäten der letzten Jahrzehnte selten geworden oder unterliegen einem Nutzungswandel sowie Nutzungsdruck.

Verwandlungskünstler

Schmetterlinge durchleben eine vollkommene Verwandlung mit vier Stadien: Ei, Raupe, Puppe und Falter. Die Form, Lebensweise und Dauer ist in jeder Phase höchst verschieden. Das Schmetterlingsweibchen sucht den Platz für die Eiablage sorgfältig aus, um den Raupen ein geeignetes Futterangebot zu bieten. Raupen verbringen die Zeit hauptsächlich mit Fressen und häuten sich mehrere Male. Ihre Hauptnahrung sind Pflanzenblätter, teilweise sind sie sogar auf eine einzige Futterpflanze spezialisiert. Innerhalb weniger Wochen können Raupen das bis zu 10.000fache an Gewicht zulegen, eine schier unvorstellbare Zahl!

Raupen sehen dem ausgewachsenen Schmetterling gar nicht ähnlich und sind wie diese sehr vielfältig: von einfarbig bis knallbunt, nackt bis stark behaart. Um der großen Schar an Fressfeinden zu entgehen, haben sie unterschiedliche Strategien entwickelt. Einige Arten setzen auf Tarnung und „verschmelzen“ mit ihrer Umgebung, andere setzen sich sehr lebhaft zur Wehr, wieder andere nutzen die abschreckende Wirkung von Sekreten oder täuschen durch ihre auffallende Färbung Giftigkeit vor. Auch eine starke Behaarung manchen einige Raupen zu einer unattraktiven Beute.  

Aus dem letzten Raupenstadium schlüpft dann die Puppe. Manche Raupen spinnen dazu einen Kokon oder bauen aus Substrat eine Puppenstube, andere hängen sich einfach irgendwo an. Die Verwandlung der verpuppten Raupe in den Falter ist das wohl faszinierendste Stadium und der Vorgang ist im Detail noch nicht vollkommen geklärt. Die Raupe wird großteils zu einer breiartigen Zellmasse abgebaut, aus der sich der Köperbauplan gesteuert von Hormonen neu organisiert.  Bevor der Falter nach dem Schlupf losfliegen kann, müssen die Flügel durch das Einpumpen von Körperflüssigkeit in das Geäder der Flügel zunächst ausgefaltet und durch Aushärten funktionstüchtig gemacht werden. In dieser delikaten Phase ist der Falter vor seinen Feinden ungeschützt. Im Vergleich zur Entwicklungszeit vom Ei bis zum Schmetterling ist das Falterdasein nur ein kurzer Abschnitt, der vor allem der Partnersuche und Fortpflanzung dient.

Erstaunliche Sinnesleistungen

Der Saugrüssel der Schmetterlinge ist ein einzigartiges Organ unter den Insekten. Er wird bei Bedarf mittels „Blutdruckerhöhung“ blitzschnell ausgerollt und dient der Aufnahme flüssiger Nahrung. Das Spektrum reicht von Nektar und Baumsäften über faulende Früchte bis hin zu Kot. Im Kopf befindet sich ein Pumporgan, welches den nötigen Unterdruck erzeugt, um die Flüssigkeiten aufsaugen zu können.

Die Beine sind mit eigenen Sinneszellen ausgestattet, die den Geschmack wahrnehmen. Auf den Fühlern sind Rezeptoren angebracht, welche auf die Duftmoleküle - vor allem auf die Lockstoffe (Pheromone) der Weibchen - ansprechen. Die Facettenaugen bestehen aus bis zu 6.000 Einzelaugen. Diese nehmen einzelne Bildpunkte auf und fügen sie zu einem Gesamtbild zusammen, vergleichbar mit den Pixeln eines Bildes.

Für die Paarung lassen sie sich vor allem die nachtaktiven Falter etwas Besonderes einfallen: die Weibchen locken die Männchen mit chemischen Botenstoffen an, welche diese selbst über eine Entfernung von mehreren Kilometern wahrnehmen können. Ist ein verlockender Duft aufgespürt, steuert das Männchen auf die verheißungsvolle Quelle zu. Dieser Umstand wird z.B. im Obstbau mit den sogenannten Duftfallen genutzt, um Schädlinge anzulocken oder zumindest so weit zu verwirren, dass sich die paarungswilligen Partner nicht mehr finden.

Warum braucht es Schmetterlinge?

Raupen und Falter sind ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette. Raupen dienen vor allem den Singvögeln und die nachtaktiven Schmetterlinge den Fledermäusen als wichtige bzw. wichtigste Nahrungsquelle. Raupen sorgen außerdem durch die Zersetzung von organischem Material für die Aufbereitung und Wiederverwertung von Nährstoffen.

Bienen sind als wichtige Bestäuber weit bekannt – weniger bekannt ist, dass diese Funktion auch von Schmetterlingen erfüllt wird. Die Blumen steuern den Anflug von Schmetterlingen mit UV-Signalen. Manche Arten sorgen durch ihre Blütenform dafür, dass nur Schmetterlinge mit dem Saugrüssel tief in die mit Nektar gefüllte Röhre eindringen können, die als Lockmittel für die Bestäubung dient.

Schmetterlingsarten mit engen ökologischen Ansprüchen an den Lebensraum eignen sich sehr gut als so genannten Zeigerarten für die Bewertung des Zustandes eines Lebensraums. Geht ihr Bestand zurück, ist das eng mit der negativen Veränderung ihres Lebensraums verbunden.

Artenvielfalt und Gefährdung

Der Großteil der in Südtirol anzutreffenden Arten ist nachtaktiv und ihre Gefährdung ist schwieriger zu erheben. Betrachtet man alleine die Tagfalter, so gelten von den 185 Arten heute 39,5% als gefährdet oder nahe gefährdet, 11 Arten sind bereits ausgestorben. Die Europäische Umweltagentur kommt in einem Bericht, welcher Daten aus 19 Ländern der Europäischen Union analysiert, zum Schluss, dass 19% aller Tagfalter Europas als gefährdet oder nahe gefährdet gelten. Ein Drittel des Artenbestandes hat innerhalb nur eines Jahrzehnts Rückgänge erlitten. Die Gruppe der Schmetterlinge steht dabei nur stellvertretend für zahlreiche weitere Tiergruppen, die durch dieselben Ursachen bedroht sind.

Der Hauptfaktor für diese allarmierenden Zahlen liegt - ganz plakativ ausgedrückt -  im Habitatverlust. Durch die zunehmende Verbauung und Versiegelung der Flächen, die Verarmung der Landschaft durch Verlust von kleinräumigen Strukturen wie Hecken oder Säumen, die Form der Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flächen sowie die Auflassung dieser Flächen mit folgender Verbrachung verlieren die Schmetterlingen zunehmend an wertvollen Lebensräumen. Weitere Ursachen sind der Eintrag von unterschiedlichen Luftschadstoffen oder Bioziden.

Betrachtet man Wiesenlebensräume, so wird bei einem Vergleich einer ungedüngten Magerwiese mit einer mäßig mit Mist gedüngten Bergfettwiese bereits ersichtlich, dass mit dem steigenden Stickstoffeintrag durch Düngung Pflanzenarten verdrängt werden und die Anzahl an Kräutern sinkt. Fehlen dadurch die Futterpflanzen für die Raupen, sinkt auch die Schmetterlingsvielfalt. Noch deutlicher ist dieser Vergleich in übermäßig gedüngten und mehrfach gemähten Wiesen. Fehlen die schönen Blumenwiesen, fehlen auch die Schmetterlinge. Dies ist eine Veränderung, die für den Laien gut sichtbar und nachvollziehbar ist.

Weniger offensichtlich erscheint das Verschwinden der Schmetterlinge in Habitaten, die optisch d.h. aus botanischer Sicht gesehen intakte Lebensräume sind. Ein Phänomen, das vielerorts bekannt ist und vor allem in unmittelbarer Nähe von intensiven Obstanbauflächen feststellbar ist. Eine Bedrohung, die auf den ersten Blick im Verborgenen zu liegen scheint. Zahlreiche Studien belegen eindrucksvoll die negativen Auswirkungen von Pestiziden auf Bienen. Auswirkungen auf Schmetterlinge wurden wegen der geringeren ökologischen Relevanz zwar deutlich weniger gründlich untersucht, aber auch bei den Faltern ist die Gefährdung durch Insektizide auf Grund vieler Indizien offensichtlich.

Ein besonders drastisches Beispiel ist die Gefährdung der Schmetterlinge in den durch intensiven Obstbau geprägten Gebieten des Vinschgaus. In umfassenden Studien wurde ein Rückgang der Artenvielfalt und der Populationsstärken von Tagfaltern und Widderchen in nahe gelegenen Trockenrasen konstatiert. Vor allem die Gruppe der Widderchen ist sehr standorttreu und reagiert besonders empfindlich auf Umweltgifte. In ehemals artenreichen Gebieten konnte im Einflussbereich der Obstbauflächen nur mehr eine stark verarmte bzw. fehlende Tagfalter- und Widderchenfauna festgestellt werden. Mutmaßlich aufgrund der thermischen Windverdriftung ist die Auswirkung der Pestizide auch noch weitab der Anbaugebiete in mehr als 300 Höhenmetern über dem Talboden sichtbar. In vergleichbaren Lebensräumen im Münstertal, auf der Malser Haide und in den Laatscher Leiten sowie ab einer gewissen Meereshöhe kommen die meisten Arten hingegen noch vor.

Was hilft den Schmetterlingen?

Besonders wichtig ist der Schutz der verbliebenen Schmetterlingslebensräume: neben dem Erhalt der Restlebensräume wie Trockenrasenstandorte, Moore oder Feuchtgebiete ist darauf zu achten, dass diese nicht isoliert bleiben (Gefahr der Verinselung). Die Schaffung von Strukturen zur besseren Vernetzung der Lebensräume ist daher dringend ins Auge zu fassen. Auch Bannzonen um naturnahe Lebensräume zu intensiv genutzten Flächen erhöhen den Schutz dieser und wirken sich positiv auf die Vielfalt aus.

Durch die Arbeit der Bauern wurden viele wertvolle Kulturlandschaften erst geschaffen. Hier gilt es vor allem, eine extensive Bewirtschaftung aufrechtzuerhalten und langfristig zu sichern. Auch neben Intensivkulturen sollte Platz für eine reizvolle abwechslungsreiche Kulturlandschaft bleiben, in der die anmutigen Falter eine Überlebenschance haben und von der jeder profitiert, nicht zuletzt auch der Tourismus. Eine Maßnahme betrifft das Problems der Abdrift von Pflanzenschutzmitteln, welches durch verbesserte Technik und Sensibilisierung verringert werden könnte.

Im Siedlungsbereich wäre das Anlegen eines schmetterlingsfreundlichen Gartens mit einheimischen Futterpflanzen anstelle von Exoten und der Verzicht auf den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel Insektiziden eine große Bereicherung, von der auch viele andere Tiergruppen profitieren könnten.