Society | Covid 19

Behördenwillkür pur

Eine Südtirolerin* erzählt die unglaubliche Geschichte ihrer Familie, die zeigt, wie absurd die Vorgaben und das Vorgehen der Sanitätsbehörden in Sachen Coronatests sind.
Quarantäne
Foto: upi
„Am Freitag, den 27. März, komme ich von der Arbeit nach Hause und fühle mich krank. Am darauffolgenden Wochenende wird es schlimmer: Ich habe Glieder-Hals-Ohrenschmerzen, Husten, und leichte Temperatur (37,6 Grad Höchsttemperatur)
Am Montag habe ich mich von meinem Hausarzt krankschreiben lassen. Dabei habe ich ihm erzählt, wie es mir geht. Er hat mich dann eine Woche lang krankgeschrieben. Nach dieser Woche verlängert der Hausarzt meinen Krankenstand, da ich mich nicht besser fühle. Er verschreibt Antibiotika und ordnet einen Covid-19-Test an.
Am 8. April ist es dann soweit. Die Sanitätsbehörden tauchen in Schutzanzügen bei uns auf und machen bei mir einen Rachenabstrich. Zu diesem Zeitpunkt geht es mir bereits besser. Ich habe fast keine Symptome mehr.
Am nächsten Tag gehe ich zu meinem Hausarzt. Er hat kein Testresultat bekommen. Er hört aber vorsichtshalber meine Lunge ab, in Ordnung, keine Anzeichen einer Lungenentzündung. Da mein Husten aber immer noch hartnäckig ist, verschreibt er mir eine zweite Antibiotika Kur.
Ich warte dann eine Woche lang auf das Testergebnis. Weil ich aber nichts höre, rufe ich mehrmals beim Arzt an. Er meint, es sei komisch, normalerweise erhalte er nach 24 Stunden das Ergebnis, bei mir sei aber bisher nichts gekommen. „Sie scheinen nicht auf“, meint er wörtlich.
Ich warte eine Woche lang auf das Testergebnis. Aber man findet plötzlich meinen Test nicht mehr.
Am 16. April erhalte ich dann wieder einen Anruf von der Sanität. Man fragte mich, ob bei mir schon ein Test gemacht worden ist. In ihren Unterlagen würde aufscheinen, dass ich am 8. April einen Test machen sollte. Sie finden aber kein Testergebnis. Deshalb möchten sie am 18. April für einen zweiten Test vorbeikommen.
Am selben Tag am Nachmittag bekomme ich dann einen weiteren Anruf von der Sanität. „Wir haben jetzt ihr Testergebnis gefunden und es ist negativ ausgefallen“, wurde mir erklärt. Aber nichtsdestotrotz würde man – wie ursprünglich geplant  - zwei Tage später den zweiten Test bei mir machen. Ich erhalte schriftlich weder per Post noch per E-Mail mein Testergebnis.
Ich war schon mal froh. Negativ, dann bin ich wenigstens nicht zu gefährlich für meine Familie. Dazu kam, dass es mir inzwischen prächtig ging. Kein Fieber, keine Beschwerden, kein Husten, überhaupt nichts.
 
 
Am 18. April kommen sie dann und machen den zweiten Test. Am Vormittag des darauffolgenden Tages ruft man mich an und erklärt mir, dass es jetzt ein Problem gebe. Der Test sei zwar nicht positiv, aber auch nicht negativ. Also würde ich in die sogenannte Kategorie der „tamponi di dubbio“ fallen. Ich habe daraufhin ganz keck gemeint: „Kein Problem, dann kommt ihr halt morgen wieder und macht den Test einfach nochmals“.
Der Test sei zwar nicht positiv, aber auch nicht negativ. Also würde ich in die sogenannte Kategorie der „tamponi di dubbio“ fallen.
Weit gefehlt: Man erklärte mir, dass das nicht gehe. Denn laut Gesetz würde ich jetzt als positiv gelten. Das heißt: Ich muss jetzt sofort in häusliche Isolation gehen. Allein in einem Zimmer, das gut gelüftet werden muss. Wenn ich allein ein Bad habe, dann geht das in Ordnung. Ansonsten muss ich jedes Mal wenn ich es benutze, alles penibel desinfizieren.
Nein, ich habe Gott sei dank allein ein Bad“, habe ich geantwortet. Mir wurde dann erklärt, dass ich vor der Spülung den Klodecken schließen und trotzdem alles desinfizieren muss. Meine Kleider und die Bettwäsche soll ich häufig waschen. Mit 90 Grad. Wenn das nicht möglich ist: Die Wäsche in einen Sack tun, diesen Sack in einen zweiten Sack tun. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, ob das Ganze dann auch noch in einen dritten Sack. ... Auf jeden Fall Säcke, Säcke, Säcke. Alles verschließen und neun Tage stehen lassen. Danach kann ich diese Wäsche auch mit 60 Grad waschen.
Man hat mich dann gefragt: „Haben Sie Personen, die sie versorgen können“. Ich habe erklärt, dass neben meinem Mann auch noch meine drei erwachsenen Kinder bei uns wohnen.
Die Anweisungen: Sie müssen mir das Essen vor die Tür stellen, sie dürfen ja keinen direkten Kontakt mit mir haben. Wenn ich einmal aus meinem Zimmer gehe, dann muss ich mir Handschuhe und Mundschutz anziehen.
Auf jeden Fall wurde mir die häusliche Isolation bis ins kleinste Detail erklärt. Ich war so geschockt, dass ich wahrscheinlich die Hälfte der Anweisungen gar nicht mehr aufgenommen habe.
 
 
Am Nachmittag desselben Tages erhalte ich dann einen weiteren Anruf. Dieses Mal vom Sanitätsbetrieb Bruneck. Man müsse mir leider ein zweifelhaftes Testergebnis mitteilen. Ich habe dann gesagt: „Das weiß ich schon, das hat mir heute Vormittag schon eine Italienerin aus Bozen erklärt und es ist nicht nötig, dass sie mir das Ganze jetzt nochmals auf Deutsch erklären“.
Während ich am Festnetz mit der Sanitätsbediensteten rede, erhalte ich aus Bozen eine SMS und auch eine E-Mail, dass nun die gesamte Familie (5 Personen) in Quarantäne ist. Ich bis zum 2. Mai, meine Angehörigen bis zum 3. Mai.
Ich sage das meiner Gesprächpartnerin und erkläre ihr, dass alle in der Familie gesund sind und niemand auch nur ein Anzeichen oder Symptom hat.
Die Anruferin aus Bruneck ist sehr verständnisvoll und bedauert diese Situation und meint, sie könne meinen Angehörigen helfen, schneller aus dieser Situation herauszukommen. Es soll sich einfach die gesamte Familie testen lassen. Sie könnte dies sofort beantragen und schon am nächsten oder übernächsten Tag würde man sie testen und somit die Quarantänezeit der Familienmitglieder verkürzen. Nach Absprache mit meiner Familie erklären wir uns einverstanden. Meine Personalien und die meiner Angehörigen werden aufgenommen, als Kontakt dient meine E-Mail Adresse. Wenige Minuten nachher bekomme ich bereits eine E-Mail mit der Mitteilung unserer Quarantänezeiten.
Am 20. April meldet sich dann ein Sozialbetreuer und erkundigt sich nach unserem Befinden, Symptome, Temperatur. Er ist erstaunt, dass wir alle fünf asymptomatisch sind, doch das sei sehr gut.
 
 
 
Wir warten bis zum 22. April, als ein Anruf des Sanitätssprengel kommt. Die Botschaft: Wir stehen vor der Tür und würden gerne die Familie testen. Gut, mein Mann und unsere drei Kinder gehen hinaus.
Ich rufe aus meinem Zimmer in den Hof, ob es nicht sinnvoll wäre, auch mich wieder zu testen, da man in den Medien hört, die Schutzkleidung wird knapp. Erstaunt fragt man mich, wieso ich getestet werden sollte. Ich erkläre, dass die Tests bei meinen Angehörigen vorgenommen werden, weil ich ein „Dubbio“ Fall wäre. Von dem wisse sie nichts, aber sie erkundigt sich sofort in ihrem Büro, denn mein Vorschlag ergäbe Sinn. Antwort vom Büro: leider nicht möglich, man müsse die Zeiten genau einhalten und sich an die Vorschriften halten. Ok.
Leider wissen sie jetzt nicht, wann sie den nächsten Test, sei es bei mir als auch bei meinen Angehörigen, vornehmen könnten – dies hängt ganz davon ab, ob Schutzausrüstung kommt oder nicht. Jetzt könne man wahrscheinlich die ursprünglich vorgesehenen 7 Tage von einem Test zum anderen nicht mehr einhalten.
„Und was ist mit der fünften Person?“, frage ich dann ganz unschuldig. Fünfte Person? Die Antwort: „Nein, fünfte Person scheint hier keine auf“.
Am 23. April liegen vier Einschreibebriefe in unserem Postkasten. Weil wir aber zu fünf sind, fehlt ein Brief. Der ist bis heute nicht angekommen. Offiziell sind damit vier Familienmitglieder in Quarantäne. Aber einer Tochter, die ebenso den Test gemacht hat, wurde nichts mitgeteilt.
Am selben Nachmittag erhalte ich einen Anruf. Ich bin die Kontaktperson der gesamten Familie zum Sanitätsbetrieb. Jetzt sei das Ergebnis der Test da: Zwei Personen sind negativ. Eine Person ist aber zweifelhaft. „Nein, nicht schon wieder“, denke ich mir, „jetzt sind wir schon zu zweit zweifelhaft“.
Und was ist mit der fünften Person?“, frage ich dann ganz unschuldig. Fünfte Person? Die Antwort: „Nein, fünfte Person scheint hier keine auf“. Ich erkläre nochmals: Gestern seien vier Personen aus meiner Familie getestet worden. Heute seien vier Briefe gekommen. Einer davon war aber für mich. Das heißt es fehlt ein Schreiben für eine meiner Töchter. Die Antwort: „Bei ihnen scheint keine fünfte Person auf“.
Mir ist dann der Kragen geplatzt. Ich habe gesagt, jetzt habt ihr schon wieder einen Test verschusselt, so wie es euch bei mir passiert ist. Muss die Tochter jetzt auch zehn Tage warten, bis sie hört, was los ist.
Man erklärt uns mit großem Bedauern und noch mehr Mitleid, dass man nicht viel weiß über das Virus, es gebe hunderte von Getesteten in Südtirol mit negativ/zweifelhaft/negativ Ergebnissen. Aber sobald ein Mal getestet, braucht es zwei negative Tests hintereinander. Nun hören wir, dass wir den ersten Test verweigern hätten können, jetzt haben wir keinen Einfluss mehr und können auch weitere Tests nicht mehr ablehnen. Fazit: Man hat uns schlecht beraten. Kommen wir aus diesem Kreislauf wieder raus, wenn ja, wann? Natürlich gelten für den zweiten „Dubbio“ Fall dieselben Konsequenzen wie für mich – häusliche Isolation – immer mündlich, ohne schriftliche Aufforderung.
 
 
Wir hören und staunen: die Testergebnisse weisen eine 30% Fehlerquote auf.
Am Vormittag des 24. April kontaktieren wir unsere Hausärzte. Erstens weil das Testergebnis der vierten Person noch aussteht und zweitens, weil wir Informationen wollen. Man bedauert unsere Situation, bestätigt, dass wir nicht die Einzigen sind, denen es so ergeht. Auch die Hausärzte kennen sich nicht aus, verstehen Einiges nicht. Da braucht es viel Geduld. Wir hören und staunen: die Testergebnisse weisen eine 30% Fehlerquote auf. Sind da die täglich veröffentlichten Statistiken eigentlich glaubhaft?
Am Nachmittag kommt dann der Anruf des Sprengels. Das ausstehende Testergebnis meiner Tochter sei aufgetaucht. Es ist negativ.
Man teilt uns mit, dass jetzt der Zeitraum zwischen den Tests für „zweifelhaft“ bei 11 Tagen liegt, für „negativ“ “ bei 7 Tagen. Die Anruferin vom Sprengel ist äußerst freundlich und verständnisvoll, erzählt mir hinter vorgehaltener Hand, sie wäre selbst in dieser Schleife gefangen gewesen, wisse also sehr wohl, von was ich rede. Auch wisse man von Seiten der Angestellten, dass die Tests nicht verlässlich seien. Sie fragen sich schon lange: „Wieso hat jeder Staat einen anderen Test, eine andere Vorgehensweise? Wieso sind im nahen Nordtirol weniger Tote/Infizierte? Warum gilt Dr. Gänsbachers Meinung immer weniger? Aber bitte, erzählen sie niemandem von diesem Gespräch, ich riskiere meinen Arbeitsplatz zu verlieren.“ Ich kann nicht verstehen, dass man diese Informationen nicht an die Öffentlichkeit bringt.
Sie meint, der Druck müsse vom Volk kommen, sonst ändert sich gar nichts und es geht noch Monate so weiter. Was wirklich dahinter steckt, weiß niemand, auch die armen Ärzte und das Pflegepersonal nicht. Da wird halt herumhantiert und jeder versucht das Beste zu geben.
 Ich frage noch nach: was heißt eigentlich „dubbio“: Antwort: es sind zu wenige Viren, um positiv zu sein, aber Spuren von Viren ergeben einen Zweifel , Covid 19 Viren? Darauf bekomme ich keine genaue Antwort.
Nach diesem Gespräch rufe ich die Telefonnummer aus Bruneck an, damit man nie wieder einer Familie rät ,sich freiwillig testen zu lassen, wenn man keine Symptome hat. Zudem frage ich nach einer Ansprechperson. Man gibt mir eine Handynummer von Frau Dr. Regele, doch meine vielen Anrufe bleiben ohne Antwort.
 
Meine Familie hat jetzt über ein Dutzend Tests hinter sich. Aber nicht einmal wurde irgendjemand nach einem Ausweis gefragt. Das heißt, das nächste Mal schicke ich einfach den Nachbarn zum Test raus. Merken tut das eh keiner
Am 25. April dann der nächste Anruf. Man würde wieder kommen, um bei drei Personen aus der Familie den zweiten Test zu machen. Die drei Personen werden vor dem Haus wieder getestet. Wieder beginnt das große Warten. Wir sind natürlich nervös. Da uns alle die 30-prozentige Fehlerquote der Tests bestätigen, sagen wir, da wird sicher wieder eine zweifelhaft sein.
Genau das passiert. An diesem Sonntag kommt der Anruf. Einer der drei Tests sei „dubbio“.
Mir hat es spätestens jetzt gereicht. Ich habe die Dame gefragt, ob sie verrückt sind?
Zwei Familienmitglieder sind nachweislich negativ, haben nun also zwei negative Testergebnisse hintereinander. Dennoch werde die Quarantäne auch für die Zwei erst aufgehoben, nachdem alle fünf Familienmitglieder zwei Mal ein negatives Testergebnis aufweisen können. Die freiwilligen Tests meiner vier Familienmitglieder waren also nicht dazu da, ihre Quarantänezeit zu verkürzen, sondern ein Herauskommen aus der Quarantäne unmöglich zu machen.
 
 
Das, was man mit meiner Familie tut, ist absolute Behördenwillkür. Ich als Bürgerin habe auch meine Rechte und im Grundgesetz ist verankert, dass man mich nicht so einfach meiner Freiheit berauben darf. „Ma signora si calmi“, war die Antwort. Dann schicken wir Ihnen halt einen Amtsarzt und wenn sie alle asymptomatisch sind, kann dieser vielleicht eine Entscheidung treffen. Ich habe gesagt: „Wissen sie was, ich lasse keinen mehr bei der Tür herein“. Diese Geschichte muss aufhören.
Das Allerschönste aber ist: Meine Familie hat jetzt über ein Dutzend Tests hinter sich. Aber nicht einmal wurde irgendjemand nach einem Ausweis gefragt. Das heißt, das nächste Mal schicke ich einfach den Nachbarn zum Test raus. Merken tut das eh keiner. Denn da schaut man nicht einmal nach.
Es kann nicht sein,  dass wir 18 Tage warten müssen, um zwei Testergebnisse zu haben und bei „dubbio“ immer wieder alles von vorne beginnt.
Das Fazit dieser Geschichte?
 
Fünf Personen werden wochenlang zu Hause eingesperrt, drei von ihnen isoliert in eigenen Zimmern und eigener Badezimmernutzung, und das obwohl keiner von ihnen ein eindeutig positives Testergebnis erhalten hat. Und das alles ohne mit einem Verantwortlichen reden zu können, ohne schriftliche Bestätigungen, ohne Aussicht auf Lösungen – in unserer Situation vergessen und allein gelassen, so wie Hunderte anderer Südtiroler.
Selbstverständlich muss zu hundert Prozent abgeklärt werden, ob eine COVID-19-Infektion vorliegt oder nicht. Wir wollen niemanden gefährden. Selbstverständlich halten wir die Quarantäne ein. Doch es muss abgeklärt werden, ob jemand positiv oder negativ ist.
Es kann nicht sein,  dass wir 18 Tage warten müssen, um zwei Testergebnisse zu haben und bei „dubbio“ immer wieder alles von vorne beginnt.
 
 
* Ich habe lange überlegt, ob ich diese Geschichte mit meinem Namen erzählen soll oder nicht. Da es aber meine gesamte Familie betrifft, haben wir darüber diskutiert und am Ende abgestimmt. Die Mehrheit war für die Anonymität.