Gesetzlicher Mindestlohn
Das Defizitverfahren seitens der EU, stellt für den italienischen Staatshaushalt sicherlich ein Problem dar, aber mehr noch für die Wirtschaft und die Ersparnisse der BürgerInnen. Neue Schulden sind nicht nur problematisch für die EU, sondern auch für das Vertrauen der Finanzmärkte. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass bestimmte Aussagen der italienischen Politiker eher der nächsten Wahlkampagne dienlich sind, wobei jede der beiden Regierungsparteien ihre eigenen Akzente setzen will. Unternehmen und Gewerkschaften warnen in diesem Zusammenhang von den Folgen unüberlegter Entscheidungen, ob diese allerdings angehört werden, bleibt abzuwarten. Schuld sind ja bekanntlich immer die Anderen, in diesem Falle die EU.
Was das Thema Mindestlohn betrifft, so ist es aus unserer Sicht notwendig, über das Ansteigen der unterbezahlten Arbeit nachzudenken. Dies ist seit Monaten Teil der öffentlichen Debatte, auch in Südtirol. Die Lösung wäre eigentlich relativ einfach: eine Ausweitung der in den Tarifverträgen festgelegten Mindestlöhne auf alle ArbeitnehmerInnen. So könnte man auch den unlauteren Wettbewerb aufgrund niedriger Löhne zumindest eingrenzen. Viel hängt davon ab, in welchem Ausmaß ein entsprechendes Gesetz die vertragliche Funktion der Gewerkschaften berücksichtigt. Nach den Anhörungen der Sozialpartner wurde im Arbeitsministerium ein Verhandlungstisch zum Thema eingerichtet. Dabei geht es sowohl um die Beurteilung der Ursachen der unterbezahlten Arbeit, als auch um die möglichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung.Die Hauptursache für die niedrigen Durchschnittslöhne ist die weit verbreitete Umgehung und Nichteinhaltung von Kollektivverträgen, die Anwendung von Verträgen, die von nicht repräsentativen Organisationen unterzeichnet wurden und die aufgrund fehlender oder geringer Kontrollen seitens der Institutionen weit verbreitete Schwarzarbeit. Hier dürfte auch ein gesetzlicher Mindestlohn den Bediensteten wenig Positives bringen.
Die durch ein Abkommen zwischen den Sozialpartnern vereinbarte Feststellung der Vertretungsstärke sollte in ein Gesetz einfließen und die von den repräsentativsten Organisationen erzielten Vereinbarungen und Verträge sollten gesetzlich "erga omnes" bindend sein. Auch der Arbeitsausschuss des Abgeordnetenhauses hat die Regierung mit einem Beschluss auf dieses Thema aufmerksam gemacht. Darin steht der Hinweis auf die Notwendigkeit, das Recht auf einen angemessenen und ausreichenden Lohn durch eine Aufwertung der Kollektivverträge und durch die Bekämpfung des zunehmenden Lohndumpings zu gewährleisten. Es wäre allerdings nicht zielführend, wenn man nur an Maßnahmen für diejenigen denkt, die nicht unter die Tarifverhandlungen fallen.
Es gibt eine wachsende Gruppe von Arbeitnehmern, die oft rechtlich als selbständig eingestuft sind, obwohl sie die Merkmale von abhängig Beschäftigten haben und für die es dringend notwendig ist, einen angemessenen Lohn sowie die grundlegendsten Rechte in Bezug auf Gesundheit, Sicherheit und Rechte anzuerkennen. Für die Gewerkschaften ist es ebenso klar, dass für alle abhängigen Arbeitnehmer ein nationaler Tarifvertrag angewandt werden muss. Deshalb muss vermieden werden, dass in einem entsprechenden Gesetz in gewisser Weise die Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohns als Alternative zu Vertragsverhandlungen vorgesehen wird. Dies würde nicht nur die wirtschaftliche Situation und den allgemeinen Schutz dieser Arbeitnehmer erheblich verschlechtern, sondern auch zu einer zusätzlichen Verschlechterung und ungeregelten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes beitragen.
Abschließend sei gesagt, dass nicht nur die Gewerkschaften Bedenken gegenüber einem gesetzlichen Mindestlohn haben, sondern auch die Arbeitgeberverbände, die von einer erheblichen und unzumutbaren Zunahme der Lohnkosten sprechen. Natürlich gehen diesbezüglich die Meinungen stark auseinander. Wir fordern, auch in Südtirol, bessere Löhne, was aber seitens verschiedener Arbeitgeberverbände auf Widerstand stößt. Dies kann aber nur durch Lohnverhandlungen und ein Abkommen geschehen und nicht durch ein Gesetz. Daher werden wir zum Thema Mindestlohn auch weiterhin am Ball bleiben.