Society | Gastkommentar

Ein unwürdiges Schauspiel

An die Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Meran.
Straßenschild
Foto: Pixabay

Im Gemeinderat Meran fand sich vergangene Woche keine Mehrheit für eine Umbenennung der Cadornastraße. Ich möchte nicht darüber spekulieren, wer warum unbedingt an diesem Straßennamen festhalten wollte, sondern das Abstimmungsergebnis zum Anlass einiger Überlegungen nehmen.

  1. Italien hat in Sachen Aufarbeitung seiner faschistischen Vergangenheit großen Nachholbedarf. Es wäre vielleicht nur ein kleiner Beitrag gewesen, aber mit Sicherheit eine große Geste, wenn die italienischen Parteien bzw. Räte im Gemeinderat den Anstoß gegeben hätten, mit der Umbenennung einem Opfer des Nazifaschismus zu gedenken. So aber wurde ein Vorgang, der im Jahr 2020 nicht einmal mehr selbstverständlich sein sollte, sondern ganz einfach nicht mehr nötig, einmal mehr zu einem Politikum bzw. unwürdigen Schauspiel. 

  2. Die im September anstehenden Gemeinderatswahlen werden den Rat in seiner Zusammensetzung teilweise verändern. Daher erwarte ich mir als Meraner Bürger, dass in dieser Sache ein neuer Anlauf genommen wird. Sollte die Debatte nach dem üblichen Spiel verlaufen, wer etwas (ab-)gibt, muss auch etwas bekommen, könnte die deutsche Seite den Verzicht auf die „Reichstraße“ anbieten.  

  3. Die deutsche Bezeichnung der Staatsstraße auf der Höhe von Sinich ist 75 Jahre nach Kriegsende genauso fehl am Platz wie eine Cadornastraße. Sollte mit der Reichstraße aber nicht das Tausendjährige Reich gemeint sein, sondern vielleicht das Habsburgerreich, wäre eine Ergänzung des Namens genauso nötig, wie wenn die Straße einem Herrn oder einer Frau Reich gewidmet ist. In letzterem Fall ersuche ich darum, auch den Vornamen auf die Straßenschilder zu schreiben. 

Mit Spannung sehe ich ab Herbst der nächsten Umbenennungsdebatte im Meraner Gemeinderat entgegen.