Stage | Tanz Bozen

Die Frühlings-Kriegerin

„For Gods only“ hat seine Uraufführung in Bozen gefeiert. Die ausverkaufte Vorstellung war das vorerst letzte Werk von Olivier Dubois, das in Bozen gezeigt wird.
Bolzano Danza, Olivier Dubois, For Gods only - Sacre 3
Foto: Andrea Macchia
  • Es sollte ein gelungener „Abschluss“ werden für den Choreographen, der dem Festival ab nächstem Jahr in neuer Funktion erhalten bleibt, als eine Hälfte der neuen künstlerischen Leitung von Tanz Bozen Bolzano Danza, an der Seite von Anouk Aspisi. Zuvor konnte der Choreograph, in einer der letzten Auftragsarbeiten unter Emanuele Masi, der die kreativen Zügel nach 10 Jahren weiterreicht, noch einmal beim Bozner Publikum glänzen. Der dritte Teil von Dubois „Sacre“ Reihe, tänzerischen Explorationen zu Stravinskys „Le Sacre du printemps“, kommt 10 Jahre nach dem zweiten Teil.

    In der dritten Auslegung des Stücks, die Dubois mit der Solotänzerin des Abends und Étoile der Pariser Oper, Marie-Agnès Gillot ausgearbeitet hat, begegnen wir ihr in Samurai-Rüstung unter einem japanischen „Tori“, den (oft roten) für die Nation postkarten-typischen Toren vor Tempelanlagen.

    Noch bevor das Haydn-Orchester im hinteren Bühnenraum in Erscheinung tritt, sucht Gillot mit dem Pathos des Kabuki-Theaters und auch großer Spannung , trotz anfänglicher Langsamkeit, nach der rechten Geste, während sie durch Intensität den Kontakt zum Publikum aufrecht erhält. 

     

  • Haydn Orchester: Musiker in Höchstform spielten unter der Leitung von Timothy Redmond für die Uraufführung Stravinsky's „Frühlingsopfer“. Foto: Andrea Macchia
  • Den durchdringenden Blick der Tänzerin gilt es ebenso auszuhalten, der zu schleppend flächigen Klängen ansetzenden Musik ins Saaldunkel geht. In dem Moment in dem auf der Bühne das Haydn Orchester ins Licht kommt, wird aus Sound Musik und die Einleitung durch die Fagotte geht zum Spiel mit dem vollen Orchesterkorpus über. Gleichzeitig wächst die martialische Aura auf der Bühne.

    Gesten des Kampfes - ein Stechen und Hauen und das Spannen eines Bogens - gehen mit Abrüstung einher. Nach und nach gewinnt die Tänzerin durch das Ablegen der sperrigeren Elemente ihrer Rüstung an Autonomie und Bewegungsfreiheit, beginnend beim Kabuto-Helm, weiter über die Oberschenkelschützer und schließlich Arm- wie Beinschienen, steigt die Körperlichkeit des Stückes.

  • Sacre - For Gods only: Der Aufstieg für die Tänzerin ist kein einfacher. Marie-Agnès Gillot gibt vollen Körpereinsatz, was sich bezahlt macht. Foto: Andrea Macchia

    Unsere Onna-Musha (japanisch: 女武者) - wörtlich Frau-Krieger  - hadert schließlich mit am Tori aus Bambus befestigten Tauen, zieht sie erst nach allen vier Himmelsrichtungen in die Länge und schließlich zu einem Netz zusammen, in dem sie sich selbst verfängt. Am Ende bleiben von den Anstrengungen am groben, schweren Seil sichtbare Spuren an den Händen der Tänzerin, Zeugnis einer mit vollem Körpereinsatz umgesetzten Choreographie.
    An der Seite unsichtbarer Krieger, zwingt Agnès Gillot ihren Körper in die Zwischenräume des meterhohen Tors und klettert in die Höhe. Der körperliche Tanz, der einen weiten Weg ausgehend vom klassischem Ballett hinter sich hat und von diesem noch einige Gesten mitnimmt, steht in Spannung zu diesen ausgewählten, filigranen Momenten.

    Je mehr der starren Rüstungsteile fallen, umso größer fällt auch die gestische Freiheit der Étoile aus. Am Ende bleibt ein schwarzes, eng anliegendes Kostüm, das verglichen mit dem anfänglichen Prunk stumm bleibt und nicht mehr zu uns spricht. Muss sie auch nicht. Das Stück stoppt vor einem ohnehin eher griechischen Körperkult der Nacktheit, an die noble Artemis, Göttin der Jagd muss man ohnehin denken, wenn Gillot einen unsichtbaren Bogen spannt. Die Kraft, die Macht und die Stärke waren nicht immer nur Männersache und Beispiele für weibliche Kriegerinnen finden sich viele in der Geschichte und - weniger wortwörtlich zu lesen - auch im Alltag, wenn man die Augen für sie aufmacht.

    Der (Wett-)Kampf mit dem Haydn-Orchester, das der Intensität des Stückes gemäß eine feurige, leidenschaftlich „Sacre du printemps“ spielt, eskaliert zusehends. Man peitscht einander auf, so schwungvoll, dass kurz ein Streicher-Bogen unhörbar zu Boden geht, dann aber rasch wieder in den Händen des Musikers ist. Die Devise lautet bis zuletzt: weiterkämpfen.

  • Bolzano Danza Tanz Bozen

    Die 40. Auflage des Tanzfestivals feiert heute ihren Abschluss mit einer afro-karibischen Performance vor dem Stadttheater, dem „Age of Content“ des Ballet national de Marseille im Inneren und einem Analogen Techno Live-Set in der Silent Disco im Kapuzinerpark. Wir wünschen gutes Tanzen.