Culture | Salto Afternoon

„Und jetzt: die Welt!“

Mit einem experimentellen Stück gelingt dem Schauspielkollektiv binnen-I wohl eine der besten Inszenierungen im Südtiroler Theatersommer.
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Foto: Lorenzo Colombi

Das Licht geht an, auf einer weißen Leinwand erscheinen die Gesichter von fünf jungen Frauen mit weißen Perücken. Sie sprechen in eine Kamera. Ihr Ausdruck zweifelnd, fragend, hoffend. Musik setzt ein, die fünf Frauen treten hinter der Leinwand hervor.

Unterschwellig omnipräsent: eine große, bedrückende Einsamkeit.

Die Kamera begleitet sie weiter durch das Stück. Ebenso die Zweifel, Fragen, Hoffnungen. „Und jetzt: die Welt!“ klingt nach Optimismus und Aufbruch, tatsächlich aber steckt in Sibylle Bergs Theaterstück auch sehr viel Ohnmacht angesichts des Zwangs, sich zur Welt da draußen verhalten zu müssen und nicht zu wissen wie.

Alexa Brunner, Katharina Gschnell, Viktoria Obermarzoner, Petra Rohregger und Marlies Untersteiner alias binnen-I stellen keine verwöhnten, stereotypen Millenials dar, vielmehr zeigen sie in ihrem bisweilen beklemmend intensiven Spiel das ganze Spektrum an Befindlichkeiten einer Generation, die beinahe obsessiv nach einem Platz in der Konsumgesellschaft strebt, die sie doch gleichzeitig so tief verabscheut und ablehnt. Der Körper ist ein Produkt, dessen Marktwert im Fitnessstudio optimiert wird (phänomenal komisch: das Zeitlupen-Gute-Laune-Zumba), wenn einem nur nicht ständig die störende Tatsache vor Augen gehalten würde, dass dieser Körper aus Fleisch besteht, ja, Fleisch, und außerdem Gerüche absondert, und noch schlimmer: Ausscheidungen – wann endlich macht Nestlé etwas dagegen?

Jung, schön, ironisch lautet die Maxime, denn am Mainstream nimmt man Teil, aber natürlich immer nur ironisch. In Wahrheit will jeder aussteigen und klammert sich an die erstbeste Religion oder Philosophie oder auch nur an pseudophilosophische Social-Media-Aphorismen. Sehnsucht kennen alle nur aus Filmen, und doch irren sie umher, auf der rastlosen Suche nach der vermeintlichen „Zwillingsseele“. Diese Suche erlebt ihren wunderbar komischen Höhepunkt in einem pathetisch-obsessiven Monolog bei flatterndem Plastikcape und „My Heart Will Go On“-Geschmachte – ihren ernüchternden Tiefpunkt auf dem Klo bei der Frage: Wer hat eigentlich verstanden, worum es beim Sex geht?

Keine Rollen, eher Stimmen sind es, die schwärmen, anprangern, jammern, fragen und dabei in eine rhythmische und sogartige Polyfonie münden, die – ich wage zu behaupten – alle Themen zum Klingen bringt, die eine junge Frau, oder überhaupt junge Erwachsenen beschäftigen. Das große Kunststück: Es wird nie zu viel, wirkt niemals überladen. Die Regisseurin Mona Kraushaar inszeniert die größte Lächerlichkeit und den größten Pathos, ohne ihre Figuren auch nur eine Sekunde lang der Lächerlichkeit oder dem Pathos preiszugeben. Unterschwellig omnipräsent: eine große, bedrückende Einsamkeit. Immer steht ein Medium als Filter dazwischen – die Kamera, die alles nur als Abbild zeigt, die vielen Handygespräche, die nichts anderes als Selbstgespräche in eine Leitung sind.

Am Ende von „Und jetzt: die Welt!“ sitzt man da, hadert mit den Widersprüchlichkeiten der Welt da draußen und wünscht sich wie die Figuren im Stück, sie möge doch bis morgen warten, die Welt da draußen.