Ein Gebot ethnischer Repräsentativität
Lange Jahre ging die Rede vom „disagio“ der Italiener in Südtirol. Zwischen Ressentiments wegen verlorener früherer Vormacht und herbeigeredeter, aber nicht bewiesener Diskriminierung war ein eher konkreter Grund dieser: seit 1993 hatte die SVP immer einen Koalitionspartner (PD und Vorgängerpartei) zum Koalitionspartner erkoren, der höchstens ein Viertel der italienischsprachigen Wählerschaft hinter sich wusste. Das führte bei den Italienern zu politischem Frust und steigender Wahlenthaltung unter dem Motto: „Noi possiamo votare chi vogliamo, tanto la SVP, se ne frega.“
Die Statutsregelung sieht die Präsenz von mindestens einem Angehörigen der italienischen Sprachgruppe in der Landesregierung vor. Doch Koalitionspartner kann auch eine Ein-Personen-Partei oder ein einziger Abgeordneter mit italienischer Sprachgruppenzuordnung sein. Das Statut sieht nicht vor, dass zumindest die Hälfte der italienischen Landtagsabgeordneten im Landtag hinter den italienischsprachigen Landesräte bzw. der Koalition stehen muss. Anders gesagt: dass die Landesregierung repräsentativ für die politischen Mehrheiten aller Sprachgruppen sein sollte, so wie im Landtag präsent. Ein Manko im Statut. Mit einem krassen Beispiel lässt sich dieses Manko verdeutlichen. Würde die SVP zur Territorialpartei werden und bei den nächsten Landtagswahlen auch einen Italiener durchbringen und 18 Landtagssitze erringen, könnte sie laut geltendem Statut allein regieren. Die Mehrheit der italienischen Sprachgruppe bliebe außen vor, neuer „disagio“ wäre vorprogrammiert.
Nun hat die italienische Sprachgruppe zum ersten Mal seit den Zeiten der DC vor 1990 wieder eine Partei gewählt, die sie zwar nicht in Stimmen gemessen diese Sprachgruppe mehrheitlich vertritt (die Lega hat 31.510 Stimmen erhalten). Dies kann von einer demokratischen Wahl nicht abgelesen werden. Aber in Landtagssitzen vertritt die Lega mit 4 Abgeordneten die Hälfte dieser Sprachgruppe. Ihr Anspruch aufs Mitregieren ist legitim, weil in Südtirol das Gebot ethnischer Konkordanz gilt. Dieses Gebot kann man ganz eng auslegen, indem die deutsche Mehrheitspartei den bequemsten und kleinsten Partner auswählt oder indem sie mit einer italienischen Partei „a titolo etnico“ regiert.
Man kann dieses Gebot aber auch demokratischer auslegen und damit dem im Autonomiestatut verankerten Prinzip der Gleichberechtigung der Sprachgruppen besser entsprechen. Das bedeutet, dass auch die Landesregierung die politischen Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Sprachgruppen abbilden müsste, nicht nur einen kleinen Teil der italienischen Sprachgruppe.
Somit ist es nicht nur ein Gebot ethnischer Konkordanz, sondern auch der Achtung der demokratischen Repräsentativität, jetzt eine Koalition zwischen Lega und SVP zu bilden. Aus welchen Gründen auch immer 35.150 Wähler die Salvini-Statthalter gewählt haben, sie bilden die Hälfte der Wählerschaft dieser Sprachgruppe ab. Wie früher das Votum für MSI und AN ist es ein Armutszeugnis für die italienische Sprachgruppe, aber halt ein demokratisches Votum, das es zu respektieren gilt. Für die SVP mag es manch anderen strategischen Grund geben, auf die Lega zu setzen (Fortschritte beim Autonomieausbau in Rom, Einvernehmen mit der Trentiner Landesregierung, Koalition mit nur einem Partner usw.). Für die Oppositionsparteien gibt es dutzende gute Gründe, sich diese üble Achse von Putin, Orban, Strache, Wilders bis Le Pen vom Leib zu halten. In Südtirol ist es paradoxerweise ein Gebot ethnischer Konkordanz, bei der anstehenden Regierungsbildung dieses peinliche Votum der italienischen Sprachgruppe zu respektieren.
Thomas, 1993 hatte der MSI 11
Thomas, 1993 hatte der MSI 11.6%, wenn ich mich richtig entsinne. Würdest Du im Rückblick sagen, man hätte damals den Wählerwillen respektieren und den Disagio verhindern sollen? PS. Die AN blieb 5 Jahre später unter 10%.
Parole Sante!
Parole Sante!
Stimmt, Benno, der MSI hatte
Stimmt, Benno, der MSI hatte nur 11,60% insgesamt. Die SVP bildete eine Koalition mit dem PPI und dem PDS (Di Puppo, Cigolla und Viola), die zusammen 7,30% der Stimmen und damit rund ein Viertel der ital. Wählerschaft abbildeten. Bei ungefähr diesem Anteil an in der Landesregierung vertretenen ital.spr. Wählern blieb es in der Folge auch. Der Stimmenanteil der ital. Koalitionspartner der SVP bei den Landtagswahlen insgesamt:
1998: 8,0%
2003: 7,5%
2008: 6,0%
2013: 6,7%
(vgl. Thomas Benedikter (2017), La nostra autonomia - Oggi e domani, ARCA, p.103
Es muss nicht ein Italiener
Es muss nicht mindestens ein Italiener in der Landesregierung sein, sondern - bei der derzeitigen gesetzlichen Mindestzahl an Mitgliedern der Landesregierung von acht und einem Anteil der der italienischen Sprachgruppe zugehörigen Landtagsabgeordneten von 22,86 Prozent (8 von 35) - deren zwei, oder nicht?
Ja, natürlich, King Arthur,
Ja, natürlich, King Arthur, es müssen zwei Landesräte der ital. Sprachgruppe in die Landesregierung, ganz klar. Doch die Hauptfrage meines Kommentars war eine andere: wenn man die Gepflogenheiten ethnischer Konkordanz eng interpretiert, muss die stimmenmäßig repräsentativste Kraft der "Italiener" diese beiden Landesräte entsenden, nicht eine kleinere Partei, die vielleicht nur 15-20% der italienischsprachigen Wählerschaft vertritt. In Südtirol sollten die für die drei Sprachgruppen repräsentativsten Parteien gemeinsam die Landesregierung bilden. Dafür könnten auch neue Vorkehrungen im Statut getroffen werden, das in den nächsten Jahren reformiert wird.
Thomas Benedikter ha messo a
Thomas Benedikter ha messo a fuoco molto bene il tema della rappresentanza. La formazione delle coalizioni di Giunta provinciale sono vincolate al combinato-disposto, rappresentanza etnica e adesione politica ad un programma. Molte volte nel passato la SVP ha scelto in base alla affinità politica coi partiti italiani, mortificando la rappresentanza etnica del gruppo italiano stesso. In altre parole, la SVP ha governato quasi sempre con la MINORANZA del gruppo italiano. Nella maggioranza degli italiani, mai responsabilizzata nella gestione diretta dell'Autonomia, si è potuta così manifestare una sua estraneità rispetto al contesto autonomistico provinciale. Se sei sempre lasciato fuori della porta, all'opposizione, perché dovresti sentirti coinvolto? Le scelte della SVP hanno nel passato indirettamente alimentato questo sentimento. In queste ultime elezioni, il voto italiano si è espresso di nuovo chiaramente: può non piacere ma gli eiettori hanno liberamente scelto una maggioranza di consiglieri italiani di centro-destra.
In reply to Thomas Benedikter ha messo a by Alberto Stenico
Penso che la questione gira
Penso che la questione gira attorno quell'ultima parola. Se ci fosse più centro accanto al destra le cose sarebbero ben chiare. C'è chi dice che dal centro siano lontane. Tu la lega la definisci centro-destra?
La questione è un'altra : L
La questione è un'altra : L'Autonomia è basata sulla partecipazione e la responsabilità dei diversi gruppi etnici e della maggioranza dei loro rappresentanti così come eletti dai cittadini. Violando questo principio non si fa un buon servizio all'Autonomia ed alla Convivenza.