Politics | Bozen

"Das ist sicher auch für die SVP von Vorteil..."

Macht der Leiferer Bürgermeister Christian Bianchi Mitte-Rechts gerade salon- bzw. SVP-fähig? Was ein Pizzaabend mit der politischen Zukunft Bozens zu tun hat.

Herr Bianchi, wären Sie bereit nach dem gemeinsamen Abend mit Bozner Mitte-Rechts-Vertretern auch mit der Bozner SVP Pizza essen zu gehen? 
Christian Bianchi:
Sagen wir, ich bin für meine Bereitschaft bekannt, mit allen zu reden. Es geht hier weniger um das Pizza essen, sondern um meine Überzeugung, dass es einen Dialog braucht, um einander verstehen und gemeinsame Strategien festlegen zu können.

Doch bislang gibt es keine Versuche, einen solchen Dialog auch mit der SVP einzuleiten?
Nein, aber ich denke auch nicht, dass ich die richtige Person dafür wäre. Wir haben in Leifers zwar bisher wirklich gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der SVP gemacht; genauso wie übrigens mit der Lega oder dem Movimento 5 Stelle. Aber alles was ich mir in diesen Tagen in Bezug auf Bozen erlaubt habe, war ein paar Leute an einem Tisch zusammenzubringen, um ins Gespräch zu kommen. Meine Rolle beschränkt sich darauf, einen Dialog in Gang zu bringen; die Entscheidungen müssen dann in Bozen fallen. Aber klar, wenn man dort eine ähnliche Mentalität wie ich hätte, wäre es sicher wünschenswert, wenn es ein Treffen, eine chiacchierata, mit Vertretern der SVP geben würde. Wie seinerzeit auch in Leifers. Denn ich denke, dass es nun wirklich in aller Interesse liegen muss, für Bozen eine Mehrheit zu finden, mit der die Stadt wieder regierbar wird.

Leifers wird oft als neues Modell zitiert, Politik zu machen. Inwiefern können Ihre Erfahrungen dazu beitragen, einen Weg aus der verfahrenen Situation in der Landeshauptstadt zu finden?
Wie gesagt: der Weg muss zu einer politischen Mehrheit für Bozen führen. Dafür sind zwei Dinge essentiell. Verantwortungsbewusste Menschen, die fähig sind, sich miteinander zu konfrontieren. Also moderate Leute, die zum Dialog bereit sind. Das wäre schon eine gute Ausgangsposition. Und dann braucht es das, was auch in Leifers die Basis für unser Abkommen war: ein Programm, Ziele, die gemeinsam angestrebt werden. In der Politik wird zwar weit öfters von Abkommen gesprochen. Doch worauf es wirklich ankommt, sind die Inhalte, die man gemeinsam in einer Stadt umsetzen will. Deshalb kann mein Vorschlag an alle Beteiligten nur lauten: Setzt Euch zusammen, hört einander an und bringt auf den Tisch, welche Themen Euch am wichtigsten sind. Ich bin überzeugt, dass sich auf diese Art viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben. Anhand solch konkreter Punkte kommt man viel schneller voran als mit abstrakten Überlegungen.

In Leifers war die Blockfreiheit der SVP Voraussetzung für Ihr politisches Experiment. Wird es Mitte-Rechts auch der Bozner Volkspartei leicht machen, sich für diesen Weg zu entscheiden? Also sehen Sie nicht zuletzt nach dem gemeinsamen Pizzaabend die Chance auf solch „moderate Menschen, die zum Dialog bereit sind“?
Die SVP war in der Vergangenheit oft dazu gezwungen, ein Abkommen mit Mitte-Links zu treffen, weil Mitte-Rechts große Fehler gemacht hat. Deshalb blieb der Volkspartei gar keine Wahl. Ich glaube, wenn der Wille vorhanden ist, ein Programm aufzustellen und einen Wahlkampf  zu führen, die wirklich auf die Probleme der Menschen und der Stadt abzielen, wird die SVP unweigerlich in Richtung Blockfreiheit gehen. Natürlich ist dann erst zu sehen, welche Ideen den BürgerInnen besser gefallen. Es ist aber sicherlich auch für die SVP ein Vorteil, sich nicht vorab festzulegen und abzuwarten, was passiert. Wenn das gelingt, wäre es sicherlich schon ein großer Schritt vorwärts für Bozen.

Es gibt Menschen wie etwa Gianclaudio Bressa, die das völlig  anders sehen – und die Volksparteiler schon beim Gedanken an eine Blockfreiheit zurückpfeifen und an den Pakt mit dem PD erinnern.
Mah... Ich glaube kaum, dass man in der Politik mit Zwang weit kommt. Wenn es an der nötigen Überzeugung fehlt, dann macht die Sache wenig Sinn. Und sonst wäre Spagnolli wohl auch noch im Amt. Ich denke, eine Sache ist die Politik auf nationaler oder Landesebene, eine andere jene auf Gemeindeebene. Hier geht es darum, zu überlegen, mit welcher politischen Konstellation der Stadt Bozen am besten gedient ist. Und ich bin ziemlich optimistisch, dass alle Beteiligten bereit sind, das Wohl der Stadt in den Vordergrund zu stellen – so wie auch in Leifers.

Carlo Vettori sagt: Wir sind nicht Teil von Mitte-Rechts. In Leifers ist die Lega dagegen Partner der Mitte-Rechts-Koalition...
Die Lega ist die Lega, sie ist auch auf nationaler Ebene nicht Teil von Mitte-Rechts. In Leifers haben wir eine Koalition aus je einer Bürgersliste des centro-destra und des centro-sinistra sowie der Lega. Ich würde sagen, die Lega hat im Moment auch aus Perspektive der WählerInnen einen guten Zuspruch. Und wichtig ist heute, dass jeder seinen Teil der Verantwortung übernimmt, etwas für die Gemeinde zu machen. Ob und mit welcher Formel eine Zusammenarbeit möglich ist, wird sich mit der Zeit zeigen. Doch ich finde es schon einen Schritt vorwärts, wenn man zumindest mit der Idee startet, dass etwas Konstruktives entstehen könnte.

Sie sehen aber zumindest eine Chance auf eine gemeinsamen Bürgerliste von Mitte-Rechts mit der Lega?
Um darauf eine Antwort zu haben, ist es zu früh. Es ist von mir aus klar, dass es einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten geben muss. Aber ich denke, dass die Lega wohl mit ihrem eigenen Symbol antreten wird. All diese Fragen liegen jedoch außerhalb meines Kompetenzbereichs. Ich bin nur der Bürgermeister von Leifers, der wie gesagt versucht, einen Dialog anzustoßen.

Der Bürgermeister von Leifers ist aber auch selbst auf einer Bürgerliste angetreten. Auch die Bozner SVP macht sich derzeit viele Gedanken über Bürgerlisten. Können Sie sie als Erfolgsrezept weiterempfehlen?
Zumindest in der italienischen Sprachgruppe sind die Parteien derzeit sicher in Krise. Das ist offensichtlich. Deshalb: Vor allem auf Gemeindeebene sehe ich, dass die Menschen viel stärker von Bürgerlisten angesprochen  werden, weil die ein wenig außerhalb dieser politischen Dynamiken stehen. Und man kann so auch wirklich gezielter für Themen der Gemeinde eintreten. Ob eine Bürgerliste für Bozen tatsächlich das richtige Rezept ist,  müssen aber andere als ich entscheiden.  Jeder muss in dieser Zeit experimentieren und für sich die beste Lösung finden.

Apropos experimentieren: Eine weitere Facette des Leiferer Labors ist Ihr Versuch, GemeinderätInnen bestimmte Kompetenzen zu übertragen. Klappt er oder war das nur ein Zug, um die SVP über ihr verlorenes zweites Assessorat hinwegzutrösten?
Das klappt sogar sehr gut. Und in Leifers haben nicht nur Gemeinderäte der SVP, sondern viele Räte der Mehrheit  Zuständigkeiten für bestimmte Themenbereiche übertragen bekommen. Denn wir waren von Anfang an der Meinung: Je mehr Leute für die Stadt arbeiten, desto besser ist es für sie. So hat zum Beispiel ein Gemeinderat meiner Bürgerliste eine Erhebung zur öffentlichen Beleuchtung in Leifers fertiggestellt. Auf der Basis stellen wir nun alle öffentlichen Lampen auf LED um und sparen uns künftig 50 % der Energiekosten. Ein M5S-Gemeinderat arbeitet dagegen an der Weiterentwicklung der Informatik zugunsten der BürgerInnen. Die SVP-Räte haben die delega für die deutsche Schule oder Altersheime.

Und haben sie damit auch Entscheidungsgewalt?
Sie haben die Verantwortung ein Projekt weiterzutragen. Für Entscheidungen muss es dann schon noch einmal in den Ausschuss. Doch die SVP-Räte treten beispielsweise auch in Schulen bzw. den Altersheimen als Vertreter der Gemeinde auf.  Wir haben so bereits jetzt eine viel breitere, viel motivierte Mannschaft, weil sich alle eingebunden fühlen. Und mal ganz ehrlich: Gemeinderat der Mehrheit zu sein, ist sonst manchmal wirklich eine ziemlich langweilige Rolle. Für mich zeigt sich hier, was mich schon viele andere Arbeitserfahrungen gelehrt haben: die einzige Art etwas weiterzubringen, ist Teams zu schaffen.