Society | Integration

Wir sind mehr als nur Übersetzer

Eine besonders sensible und notwendige Figur in Zeiten der zunehmenden Einwanderung sind die interkulturellen Mediatoren wie die Ladinerin Beatrice Tedeschi.

Seit einigen Monaten sind sie erst im Land, die beiden pakistanischen Jugendlichen Hussain und Mahrukh; der 15-Jährige trägt die übliche Jungs-Uniform Jeans-Kapuzenhoodie-Schirmkäppi, das Mädchen ist traditioneller gekleidet, nach pakistanischer Art. Sie wirken scheu und sind höflich, sprechen ist ein Problem, die deutsche Sprache wird ihnen im Kurs beigebracht, italienisch geht noch gar nicht. Deshalb spricht Beatrice Tedeschi auf Urdu mit ihnen: „Wenn sie Gelegenheit bekommen, ihre Muttersprache zu reden, dann fließt es plötzlich aus ihnen raus, ihre Erlebnisse und was sie beschäftigt, das können sie mir dann erzählen.“

In meiner Arbeit habe ich sehr viel mit Erwartungen zu tun.

Beatrice Tedeschi ist interkulturelle Mediatorin, unter anderem in der Wirtschaftsfachoberschule in Auer. Hier hat sie den Höchstauftrag einer Mediation von 30 Stunden zugeteilt bekommen; in dieser Zeit sollen die Betreuten, Hussain und Mahrukh, soviel Verständigung und Austausch wie möglich erfahren. Beatrice ist jene Person, die ihnen erklärt,  „wie wir hier ticken“, die ihnen das Schulsystem erläutert, was den Lehrern wichtig ist, warum Turnen und Schwimmunterricht ganz selbstverständlich von Jungs und Mädchen gemeinsam absolviert wird. „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Übergang von einer Kultur in die nächste gelingt, in diesem Fall von der pakistanischen Herkunftskultur in die Südtiroler Wirklichkeit. In meiner Arbeit habe ich sehr viel mit Erwartungen zu tun; unsere Familien hier erwarten sich von der Schule, dass die Wünsche und Meinungen der Schüler wichtig genommen werden, dass die Schüler in ihrer individuellen Persönlichkeit gefördert werden. Das ist aber beispielsweise in anderen Ländern nicht so wichtig. Dort zählen andere Werte an der Schule, gute Noten sind etwa das Um und Auf. Auch wiegt der Wunsch des Jugendlichen weniger, es geht dann mehr um Gehorsam oder Höflichkeit beispielsweise.“ Um diese verschiedenen Erwartungshaltungen auszugleichen, müssten Strategien im Verhalten entwickelt werden, meint Tedeschi, dann können die jungen Schüler sich den jeweiligen Situationen zuhause in der Familie und in der Schule besser anpassen.

Die interkulturelle Mediation umfasst viel mehr als das reine sprachliche Übersetzen, im Gegenteil, meist wird in der Muttersprache der Betreuten gesprochen, um zu erfahren, was wirklich Sache ist und um eventuelle Probleme oder Konflikte zu entschärfen. „Als Kulturvermittlerin muss ich ja auch wissen, mit wem ich es zu tun habe. Ist es ein Kurde aus Syrien, aus dem Irak, dem Iran oder der Türkei, gibt es eine Religion und wenn ja, welche? Wie ist die politische Lage in dem Land, aus dem mein Betreuter gerade kommt?“ All das müsse ein Mediator wissen, um wirklich Kultur vermitteln zu können.

Als Ladinerin weiß Beatrice wie wichtig Sprache und Verständigung sind.

Beatrice selbst ist per Zufall zu diesem Beruf gekommen. Sie ist gebürtige Grödnerin und ging mit 20 Jahren nach Rom, von dort nach Equador wo sie studierte und 10 Jahre lebte. „Während eines Heimaturlaubs habe ich meinen zukünftigen Mann kennengelernt, er ist Pakistaner.“ Sie wurde in seine Familie eingeführt, aber die Sprache war ein Problem. Englisch half nur mäßig und so beschloss Beatrice die Muttersprache ihres Mannes, Urdu, zu lernen. „In zwei Monaten Intensivkurs mit einem wirklich guten Professor eignete ich mir die Sprache an und als ich nach Südtirol zurückkam, wurde zufällig ein Kurs für interkulturelle Mediation angeboten.“ Sie meldete sich an und arbeitet seitdem vor allem in Schulen. Das Berufsprofil gibt es aber auch an anderen Einrichtungen, dem Krankenhaus, dem Arbeitsamt, in den Sozialsprengeln. „Wir Mediatoren sind wichtig und notwendig, in der Schule zum Beispiel sind die Lehrer sehr froh, wenn sie wissen, dass diese Art der Betreuung abgedeckt ist und sie sich auf den Unterrichtsstoff konzentrieren können.“ Vor allem in den Schulen am Land herrschten oft Vorurteile, die aber ernst zu nehmen seien. „Wenn einige Jugendliche sagen, ohje, die Ausländer, die sollen daheimbleiben, dann werde ich eben mit dieser Meinung konfrontiert. Dann muss ich das ernstnehmen und darauf antworten.“ Wichtig sei, zu kommunizieren, miteinander zu reden und in Beziehung zu bleiben.

Das sei ihr Job, um dessen Existenz sie allerdings von Mal zu Mal fürchten muss. „Seit wir in einer Genossenschaft sind und uns an den öffentlichen Ausschreibungen beteiligen müssen, um Aufträge zu erhalten, ist die Situation leider alles andere als rosig.“ Beatrice ist mit anderen Kulturmediatoren in einer Genossenschaft – Savera – organisiert; mit anderen Mediatorengenossenschaften bewerben sie sich um die ausgeschriebenen Projekte. Wie üblich, zählt bei Ausschreibungen – auch im sozialen Bereich – das finanziell günstigste Angebot. „Es ist schade, dass die Qualität der Arbeit, gerade in einem so heiklen Bereich, kaum eine Rolle spielt und dass in Zeiten, wo soviel von Integration die Rede ist, der Position des Kulturmediators kaum Beachtung geschenkt wird,"  äußert sie sich kritisch, dabei käme der Figur des Kulturmediators eine Schlüsselposition zu, und: "Es wäre schön, wenn bei den Ausschreibungen im Sozialbereich nicht nur auf den Preis geschaut würde.“