Postkarte aus Palästina (1)

Dies ist die erste einer kleinen Serie von Postkarten aus dem Land, in dem gerade Pessah und Ostern gefeiert wird.
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Liebe LeserInnen,

was ist das für ein Land? Und wie erkläre ich es meinem Kind?

Ihr, der Siebenjährigen, die zwar heute vollmundig erklärt hat, an Osterhase und Weihnachtsmann natürlich nicht mehr zu glauben. Aber dann eine Art Garantie von mir wollte, dass Haie nicht an Land können, und ihr was antun. “Die kommen echt nicht aus dem Wasser? Bist du gaanz sicher?”

Nach dem Bekenntnis zum Osterhasen-Agnostizismus hakte ich gleich hoffnungsvoll nach, ob sie damit auch den Glauben an Jesus & Co hinter sich gelassen habe. Nein, hatte sie natürlich nicht. Vielleicht war das aber auch nur eine Retourkutsche an den atheistischen Vater, der Jesus in einen Topf mit Santa und Osterhasi geworfen hatte.

Wie erkläre ich ihr also, welches Land wir dabei sind, zu bereisen, ihr, die von der Existenz Israels nichts weiß, und für die ein einladend-freundliches “Palästina”, unberührt vom Nahostkonflikt, das Ziel der Reise ist?

Ungewohnt, gewiss, aber leicht verständlich aus dem Umstand, dass meine Liebste Palästinenserin ist, mit politischem Bewusstsein und der Ein-Staaten-Lösung verschrieben, also der Ansicht, dass da eines Tages alle, Juden und Palästinenser und wer sonst noch gerade da ist, in einem Staat und Land zusammen leben werden, so, wie sie es taten, bevor aus Palästina Israel wurde.  Was auch der Grund ist, dass bei uns zu Hause selbst israelische Freunde als “jüdische Palästinenser” durchgehen.

Deshalb jetzt also die Versuchsanordnung, dass unsere einreisewillige Tochter, auf dem Weg nach “Palästina”, nach der Landung im Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv auf eine Reihe von Leuten treffen wird, die an die Stelle von ebenjenem Palästina ein anderes Land gesetzt haben, und von ersterem nichts mehr wissen wollen. Dass sie als Begründung das unsagbare Leid anführen, dass ihnen von anderen, und allen voran den Deutschen angetan wurde, ändert nichts daran, dass sie nun Palästina ersetzen wollen durch „Israel“, physisch, militärisch, und eben auch sprachlich.

Als erstes werden wir dies erleben von den Sicherheitsleuten, den Passkontrolleuren, den wachsamen Augen und Nasen des Staates, die den Reisenden bei der Ankunft willkommen heißen. Für sie ist “Palästina”, wenn überhaupt, der Rumpfstaat im Westjordanland, oder was davon hinter der Trennmauer noch übrig ist. Hingefahren wird dort nicht, und der Reisende, der die Absicht äußert, “Palästina” zu besuchen, spielt eine Art Roulette, mit den möglichen Gewinnzahlen: sofortige Ausweisung, stundenlangem Verhör, und, selten aber theoretisch möglich, Durchwinken.

Es gilt also zu vermeiden, dass unsere Siebenjährige sich als Palästinareisende zu erkennen gibt. Aber warum erkläre ich ihr nicht einfach, was Sache ist? Nun, ich habe - bis jetzt – ihr und mir die „Kompaktversion Nahostkonflikt für Zweitklässler“ erspart (und wer sind die Guten? Und wer die Bösen?). Obwohl wir neulich bei Besichtigung der Berliner Mauer, deren Reste einen Steinwurf von unserer Wohnung zu sehen sind, darauf zu sprechen kamen, dass es auch in Palästina eine Mauer gäbe. Aber nicht so mit Souvenirläden und Touristenscharen, Checkpoint Charlies und Trabitouren. Und man posiert nicht am Checkpoint mit lustigen Mützen wie in Berlin, sondern es wird am Checkpoint noch geschossen. Also nur begrenzt hilfreich, als Vergleich.

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Ob wir die Einreise am Ende doch geschafft haben, lest ihr in der nächsten Postkarte aus Palästina.

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Roland Kofler Fri, 03/29/2013 - 22:11

Niemand darf das in der hohen Politik so sagen. Die Wahrheit ist die Schlampe der Zeit.

Fri, 03/29/2013 - 22:11 Permalink