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Mailänder Schlichtung

Die Haftungsklage gegen die Organe der Raetia SRG wurde still und leise durch eine Schlichtung beigelegt. Die Sparkasse bekommt am Ende weniger als erhofft.
Die Fragen sind sinnlos.
Die direkt Beteiligten dürfen darüber nicht sprechen. „Ich bin nicht befugt, etwas darüber zu sagen “, ersucht auch der Generaldirektor der Südtiroler Sparkasse Nicola Calabró gegenüber salto.bz durchaus freundlich um Verständnis. Nur soviel: „Der Verwaltungsrat der Sparkasse hat im Februar die ausgehandelte Einigung gutgeheißen“.
Der Grund für diese absolute Zurückhaltung liegt in einer Verschwiegenheitsklausel, an welche die Parteien gebunden sind.
Die Klausel ist Teil einer Vereinbarung, mit der vor wenigen Wochen in Mailand still und leise eines der dunklen Kapitel in der Geschichte der Südtiroler Sparkasse beendet wurde: Der Gerichtsstreit um den Absturz der Fondsverwaltungsgesellschaft „Raetia SRG Spa“ und ihrer drei Immobilienfonds. Es ist ein Kapitel, aus dem die Bank mit einem zweistelligen Millionenverlust ausgestiegen ist.
 

Die Raetia SPA

 
Die Geschichte der „Raetia Sgr SPA“ ist bekannt. Im April 2008 erteilte die Banca d'Italia der „Raetia Sgr S.p.A.“ die Genehmigung, als Fondsverwaltungsgesellschaft zu arbeiten. Die Aktionäre: 11 Prozent hält die „Cassa di Risparmio di Cesena S.p.A“ und 49 Prozent die Südtiroler Sparkasse; 30 Prozent halten die drei Finanzunternehmen „La Finanziaria Trentina“ (10%), die Veroneser „Compagnia di Investimenti e Sviluppo – CIS“ (10%) und die Südtiroler „Euregio Finance“ (10 %). Die restlichen 10 Prozent der Gesellschaft übernimmt der Luxemburger Manager und Geschäftsmann Jean Marie Henri Schmit, der auch zum Geschäftsführer und Verwalter des Unternehmens ernannt wird.
Die Raetia legt drei Immobilienfonds auf: Den „Fondo Katikìa 1“, den „Fondo Diàphora 1“ und den „Fondo Diàphora 3“. Die drei Fonds verwalten Immobilien, denen ein Wert von 397 Millionen Euro zugeschrieben wird. Ende 2010 sucht Raetia bei der Bankenaufsicht an, weitere drei Immobilienfonds auflegen zu dürfen.
Die Banca d'Italia führt daraufhin eine Inspektion im Unternehmen durch. Es ist der Anfang vom Ende. Weil bei den Kontrollen große Unregelmäßigkeiten feststellt werden, verhängen sowohl die Banca d´Italia als auch die Börsenaufsicht 2011 hohe Geldstrafen gegen die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans der Raetia SGR. Vor allem aber verfügt die Banca d´Italia die Auflösung der drei Immobilienfonds.
Nachdem die Sparkasse 2011 die privaten Mitaktionäre ausgezahlt hat, ist die Fondsgesellschaft eine 97,81-prozentige Tochtergesellschaft der Bank.
Wieviel Geld die Bank rund um die Raetia wirklich verloren hat, ist schwer zu quantifizieren.
In den vergangenen fünf Jahren musste die Sparkasse immer wieder Kapital in die Tochtergesellschaft pumpen. Allein 2016 waren es 2,4 Millionen Euro, und laut der letzten Bilanz zahlte die Sparkasse auch im abgelaufenen Geschäftsjahr 2017 immerhin 621.000 Euro als Kapitalaufstockung bzw. Verlustabdeckung an die Raetia.
 
Zu den direkten Millionenverlusten in der Gesellschaft muss man aber auch jene Forderungsausfälle bei Krediten rechnen, die im Zuge der Gründung der drei Fonds an Unternehmen vergeben wurden, die Immobilien in den Fonds einbrachten. Gut 20 Millionen Euro hat die Raetia SGR im Übrigen allein an die Agentur der Einnahmen nachzahlen müssen.
Insider gehen davon aus, dass der Gesamtverlust deshalb im zweistelligen Millionenbereich liegt.
 

Die Haftungsklage

 
Als sich der Verwaltungsrat der Sparkasse am 25. November 2014 trifft, geht es auch um die Raetia SGR. Es gilt wieder einmal, ein finanzielles Loch zu stopfen. 1,7 Millionen Euro muss die Bank an ihre Tochtergesellschaft überweisen. Gleichzeitig aber beschließt der Verwaltungsrat auf Vorschlag von Präsident Gerhard Brandstätter, eine Haftungsklage gegen die ehemaligen Raetia-Organe prüfen zu lassen. Es wird beschlossen, die Anwälte Franco Bonelli und Leonardo Di Brina mit einem Gutachten zu diesem Fall zu beauftragen.
Sechs Wochen später liegt das Gutachten vor. Der Verwaltungsrat der Sparkasse beschließt am 14. Jänner 2015, eine Haftungsklage gegen den Direktor, den Verwaltungs- und den Aufsichtsrat der Raetia einzuleiten. Formell wird die Klage vom Liquidatorenkommitee der Raetia eingebracht.
Noch im Jahr 2015 wird diese Klage gegen 11 Personen dann auch eingereicht. Geklagt wird gegen die ehemaligen Verwaltungsräte Andrea Brillo, Franz Senfter, Luca Erzegovesi, Hermann Steiner, Germano Lucchi, Sergio Lovecchio und Giovanni Battista Pasini, die Aufsichtsräte Markus Kuntner, Paul Schweitzer und Andrea Fattinger sowie gegen den ehemaligen Geschäftsführer Jean Marie Henri Schmit.
Noch vor der ersten Verhandlung entscheiden die Streitparteien aber, einen alternativen Rechtsweg zu beschreiten. Man leitet ein Schiedsverfahren (procedimento arbitrale) ein
 

Die Schlichtung

 
Nach dem italienischen Gesetz endet ein Schiedsverfahren in der Regel mit einem sogenannten „lodo“ (Schiedsspruch).
Das Schiedsverfahren rund um Raetia dauerte über zwei Jahre lang. Schon bald standen dabei zwei Fragen im Vordergrund: Die Absicherung der Beklagten durch die Versicherungen und die Höhe der möglichen Schadenersatzzahlung. Obwohl es in der Schlichtungsvereinbarung selbst nicht aufscheint, wurden lange um die 10 Millionen Euro gefordert. Am Ende wurden es aber deutlich weniger.
Vor allem aber endet das Verfahren nicht mit einem Schiedsspruch, sondern mit einer Schlichtung ("conciliazione agevolato dall’arbitro").
 
Die Einigung, die im Februar in einer Mailänder Rechtsanwaltskanzlei unterzeichnet wurde, sieht die Zahlung von insgesamt 2,2 Millionen Euro vor. Die elf Beklagten müssen dafür aufkommen; es werden also rund 200.000 Euro pro Kopf sein. Wobei diese Summe großteils von den Versicherungen getragen werden muss.
Muten die 2,2 Millionen auf den ersten Blick auch recht anständig an, so sind sie im Vergleich mit den ursprünglichen Forderungen doch eher mager.
Die Einigung wurde im Februar im Verwaltungsrat der Sparkasse abgesegnet und wird spätestens im Geschäftsbericht zur Halbjahresbilanz 2018 zumindest einen formalen Niederschlag finden. So sieht es das Bankengesetz vor.
Auf der Gesellschafterversammlung der Sparkasse am 10. April im Bozner Sheraton wird dieses Thema wohl kaum im Detail zur Sprache kommen.
 

Ein interessantes Detail

 


Unter den Beklagten findet sich auch Franz Senfter. Senfter war bis zur Liquidation Verwaltungsratspräsident der Raetia SGR gewesen. Der Innichner Speckkönig muss wie dir übrigen zehn Beklagten bei den 2,2 Millionen Euro jetzt mitzahlen.
Fast gleichzeitig hat Franz Senfter aber das Herzstück seines Unternehmens verkauft. Rund zwanzig Jahre lang hielt der Südtiroler Unternehmer über seine IS Holding SPA 50 Prozent an der „Grandi Salumifici Italiani SPA“ (GSI), Italiens größtem Wurst- und Fleischimperium. Die andere Hälfte der GSI gehörte dem Unternehmen Unibon aus Modena.
Mitte Jänner 2018 wurde bekannt, dass Franz Senfter die Anteile der IS Holding an der GSI an seinen Partner Unibon veräußert hat. Es geht dabei um eine Geschäft im dreistelligen Millionen-Bereich.
In den Verkaufsverhandlungen wurde Senfter von zwei Rechtsanwaltskanzleien betreut: Brandstätter und Chiomenti.
Der amtierende Sparkassenpräsident Gerhard Brandstätter ist seit vielen Jahren als Rechtsberater für Senfter tätig. Seine Kanzlei hat bereits vor 15 Jahren den Innichner Speckkönig betreut, als dieser von der Sparkasse und der Volksbank die Anteile am Konkurrenzunternehmen Luis Gasser übernahm. Es überrascht deshalb nicht, dass die Kanzlei Brandstätters auch jetzt bei diesem Millionenverkauf an der Seite Senfters am Verhandlungstisch saß.
Auch das renommierte Studio Chiomenti, die zweite Kanzlei, die Franz Senfter beim Verkauf vertrat, hat eine direkte Verbindung zur Sparkasse. Denn die Sparkasse lässt sich inzwischen in praktisch allen großen Verfahren von dieser Mailänder Rechtsanwaltskanzlei vertreten. So betreut Chiomenti auch die Haftungsklage gegen die früheren Sparkassenorgane, bei der es im Mai zum ersten Verhandlungstag kommen soll.
Chiomenti hat deshalb auch im Schiedsverfahren und in der anschließenden Schlichtung die Vertretung der Sparkassen-Tochter Raetia SGR übernommen. Vier Anwälte aus der Kanzlei arbeiteten fast zwei Jahre lang an der jetzt erzielten Einigung.
Diese Konstellation macht deutlich, wie flexibel moderne Kanzleien und Banken mitunter sein können.