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Wo sind denn die Mädels geblieben?

Der SAD-Skandal gleicht einer Sandschlacht, die sich Jungs im Sandkasten liefern. Wo aber sind die Mädels geblieben in diesem Gesellschaftssystem von Männern für Männer?
Kompatscher, Widmann
Foto: Asp

Zur Zeit ist es für Südtiroler:innen so gut wie unmöglich, das eklatante Paradebeispiel einer patriarchalen Gesellschaft zu ignorieren: dank SAD-Skandal. Vom Südtiroler Wochenmagazin FF losgetreten und durch Freunde im Edelweiss von Christoph Franceschini und Artur Oberhofer detailliert ausgeführt, häufen sich in den Medien Stellungnahmen, Diskussionsrunden, Interviews und Kommentare.

Persönlich finde ich das Szenario wirklich entmutigend, und, würden all die Beteiligten nicht die geografische Nähe zu mir teilen, auch ganz ganz weit weg. So ähnlich, als würde ich mit einem Buch auf einer Parkbank in der Sonne sitzen und in der nahen Sandgrube würden sich ein paar Kindergartenkinder zanken. Dieses Gezanke hat natürlich Auswirkungen auf mein Leben, die entspannten Momente in der Sonne kann ich mir bei dem Geräuschpegel abschminken. Und es fällt mir schwer, die Dynamiken einer Kindergartengruppe nachzuvollziehen.

So ähnlich verhält es sich mit dem SAD-Skandal. Da haben sich ein paar recht mächtige männliche Vertreter unserer Gesellschaft nicht an die Spielregeln gehalten und einen stinkenden Sandkuchen gebacken, den sie uns als Sachertorte verscherbeln wollten. Als das aufgeflogen ist, haben alle anderen Sandkasten(freunde) ihren Sand dazu gegeben. Was gefolgt ist? Eine Sandschlacht, viel Rotz, Gebrüll und Gezeter. Nun muss sich erst herausstellen, ob sich tatsächlich jene durchsetzen werden, die am lautesten brüllen oder jene die am härtesten zuschlagen. Wie das halt so ist mit den Kiga-Jungs. Bloß frag ich mich: Wo sind denn die Mädels geblieben???

Dieselbe Frage habe ich mir in den letzten Tagen schon öfter gestellt. Wohin ich auch blicke und höre, bis auf wenige Ausnahmen intrigieren hier Männer, lösen einen Skandal aus, der von anderen Männern aufgedeckt, kommentiert, moderiert und diskutiert wird.

Da gewinnen die jüngsten Statistiken rund um die Chancengleichheit plötzlich an Gewicht, die Zahlen und Prozentsätze werden an diesem Exempel sichtbar. In der Politik sind Frauen bekanntlich mit Abstand untervertreten. So gibt es in den 116 Südtiroler Gemeinden nur 13 Bürgermeisterinnen. Oder beispielsweise 2 Landesrätinnen auf 7 Landesräte und 9 weibliche Landtagsabgeordnete auf 26 männliche Landtagsabgeordnete. Ähnlich verhält es sich, wenn wir die Führungspositionen in Unternehmen unter die Lupe nehmen. Trotz durchschnittlich höherem Bildungsgrad sind nur 0,1% der Südtirolerinnen Führungskräfte (zum Vergleich: 0,7% der Südtiroler), natürlich mit niedrigerer Entlohnung. Auch in den Medien ist die Präsenz von Frauen, abgesehen von den Rollen als „veline“, gering und tendenziell abnehmend: als Expertinnen wird Frauen in Italien etwa 26% der Inhalte zugestanden, Chefredakteurinnen oder Direktorinnen sind äußerst selten. An dieser Stelle herzlichen Dank an A.A., A.R., C.V., G.E. für die Analysen und Kommentare zum SAD-Skandal!

Wo also die Mädels geblieben sind in diesem Gesellschaftssystem von Männern für Männer? Wahrscheinlich sind sie durch die Maschen des Systems gefallen und ersetzen die bezahlte Kinderbetreuung, welche von öffentlicher Hand nicht wirklich gewährleistet wird oder pflegen Heim und Garten. Zurzeit kümmern sie sich auch gerade um Unterbringung und Kleidersammlung für Flüchtlingsfrauen aus der Ukraine, während sich die Männer dort in den Krieg stürzen oder hier Waffen nachschicken.

Wäre es nicht an der Zeit, aus dem Sandkasten herauszukommen und endlich eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaft anzugehen, von der wir alle profitieren und nicht nur die paar Jungs im im größeren Sandhaufen?